Wissenschaftlicher Sammelband, herausgegeben von Thomas Tinnefeld unter Mitarbeit von Ines-A. Busch-Lauer, Hans Giessen, Michael Langner, Adelheid Schumann. Saarbrücken: htw saar 2012. ISBN 978-3-942949-00-2.



Englischsprachige Vorträge als Schwerpunkt
im Fachfremdsprachenunterricht
                                          
Ronald Kresta (Nürnberg)

Abstract (English)
Due to the overemphasis of the written language in Technical English classes at German colleges and universities, both students and curriculum decision makers in various departments are becoming more and more aware of the fact that significant deficits exist in students’ oral performance. For this reason there is an ever increasing demand for English courses that focus on preparing students for common situations on the job in which spoken English is required. An important example of this is the English language presentation. Based on observations of student presentations held in class, this paper aims to introduce some initial ideas on how professional presentations can be taught to English learners at the tertiary level. Key concepts treated here include the conventional recommendations for giving good professional presentations as well as the notion of interference and how cases of interference should be treated and evaluated in the college classroom.
Key words: Technical English


Abstract (Deutsch)
Durch die traditionelle Überbetonung der Schriftsprache im Fach Technisches Englisch fällt sowohl den Studierenden selbst als auch Entscheidungsträgern der einzelnen Fakultäten an deutschen Fachhochschulen immer wieder auf, dass im mündlichen Bereich erhebliche Defizite bestehen. Immer häufiger wird daher der Wunsch nach Lehrveranstaltungen geäußert, die Studierende auf berufliche Alltagssituationen vorbereiten, in denen das gesprochene Englisch verlangt wird. Ein wichtiges Beispiel hierfür ist der englischsprachige Fachvortrag. Basierend auf Erfahrungen mit Studierenden soll hier ein Konzept zur angemessenen Vermittlung von vortragstechnischen Aspekten vorgestellt werden. Dabei stehen sowohl die üblichen Vorschläge zum richtigen „Vortragsstil“ als auch das Thema der Interferenz und die Bewertung von Interferenzerscheinungen im Mittelpunkt.
Stichwörter: Technisches Englisch, gesprochenes Englisch, studentischer Fachvortrag, Interferenz



1   Einleitung

In Lehrveranstaltungen im Fach Technisches Englisch beschäftigen sich Dozenten an vielen Fachhochschulen Deutschlands oft mit überwiegend schriftsprachlichen Fachtexten. Diese stammen üblicherweise aus Lehrwerken der externen Unternehmenskommunikation, dem Internet oder auch der industriebezogenen Fachpresse (trade magazines). Sprachdozenten versuchen, die Themen dieser Texte möglichst fachbezogen auszuwählen, wie beispielsweise Texte zum Thema Neue Sensortechnik für Elektrotechniker, Biogasanlagen für Verfahrenstechniker oder Kryptographie für Informatiker. Auf der Grundlage dieser Texte werden Übungen zur Verbesserung des Leseverstehens bearbeitet, wie etwa die Beantwortung von Fragen zum Textinhalt, die Besprechung grammatischer Erscheinungen im Text oder auch Paraphrasierungsaufgaben zur Verfestigung und Erweiterung des englischen (Fach)Wortschatzes. Bei dieser Gestaltung des Englischunterrichts im technischen Bereich werden Übungen zur Verbesserung der mündlichen Kommunikation oft weitgehend oder auch vollkommen vernachlässigt.

Die häufige Schwerpunktsetzung auf die Schriftsprache hat mehrere Gründe. Zum einen ist die falsche Vorstellung weit verbreitet, dass man Englisch bereits in der Schule lernt, so dass im Fach Technisches Englisch in der tertiären Bildung lediglich die Fachlexik hinzugelernt werden müsse. Zum anderen liegt es auf der Hand, dass für den Fachfremdsprachenunterricht schriftsprachliche Texte herangezogen werden, da die Fachtermini eines bestimmten Gebiets vermutlich das auffälligste Merkmal der Fachkommunikation darstellen. Ein dritter Grund ist möglicherweise auf die Anforderungen der einzelnen technischen Studiengänge bezüglich des Englischen als Pflichtfach zurückzuführen. Da in vielen Fällen nur zwei bis höchstens 4 SWS Englisch als Pflichtfach vorgegeben werden, gehört die mündliche Kommunikation oft nicht zu den primären Lerninhalten eines Sprachkurses. Die daraus entstehenden Defizite im mündlichen Bereich fallen immer mehr Studierenden auf, denen als Alternative oft nur ein thematisch meist fächerübergreifend durchgeführter Konversationskurs als Wahlfach bleibt.

In vielen technischen Berufen gibt es Situationen, in denen Fachleute Englisch sprechen müssen - mit nicht deutschsprachigen Kunden, beim Einsatz an einem ausländischen oder außereuropäischen Standort des Unternehmens, oder bei Besprechungen und Tagungen mit internationaler Beteiligung. Wenn die Anforderungen des Studiengangs dies erlauben, sollten die Studierenden auch auf einige dieser Situationen vorbereitet werden. Eine wichtige Situation in diesem Zusammenhang ist das Vortragen in englischer Sprache - eine Aufgabe, die heutzutage viele Fachleute bewältigen müssen. In vielen technischen Fakultäten an immer mehr Fachhochschulen haben nun auch Studiengangsplaner und andere Entscheidungsträger die Defizite der Studierenden im mündlichen Bereich erkannt und versuchen, diese Aufgabe in Zusammenarbeit mit den zur Verfügung stehenden Sprachdozenten (Professoren, wissenschaftlichen Mitarbeitern und Lehrbeauftragten) in den verschiedenen Curricula  zu berücksichtigen.

In diesem Aufsatz soll nun ein Konzept zu einem Kurs im Bereich technisches Englisch mit dem Schwerpunkt Englischsprachige Vorträge im Beruf vorgestellt werden. Er soll in erster Linie als Bericht dienen, dessen Ergebnisse auf Erfahrungswerten mit Studierenden aus drei technischen Fakultäten basieren. Es hat sich gezeigt, dass die Vermittlung der gängigen Vorschläge der Vortragstechnik zum richtigen – auch kulturgerechten – Vortragsstil bei weitem nicht ausreicht, um Studierende auf diese anspruchsvolle berufliche Aufgabe vorzubereiten. Vielmehr sollten Sprachdozenten Studierende für Abweichungen – insbesondere die der Interferenz - von Standardformen sensibilisieren, damit sie sich diese bewusst machen, um eventuelle Missverständnisse zu vermeiden und ihren Sprachgebrauch einem muttersprachlichen Vorbild weiter anzunähern.


2   Korpus

Die hier vorgestellten Ergebnisse basieren auf bisher gesammelten Erfahrungen in Lehrveranstaltungen an der Georg-Simon-Ohm-Hochschule Nürnberg, die über einen Zeitraum von drei Semestern (SS 2010 – SS 2011) geleitet wurden. In diesem Zeitraum wurden insgesamt 188 Studierende in zehn Gruppen aus den Fakultäten Elektrotechnik (6. Semester, Bachelor), Verfahrenstechnik (4. Semester, Bachelor) und Informatik (1. Semester, Master) betreut. Alle Studenten mussten 4 SWS Pflicht-Englisch in ihrem jeweiligen Studium belegen, von denen 2 SWS für den Vortragskurs verwendet wurden. Da jeder Teilnehmer im Semester zwei Vorträge halten sollte, wurden insgesamt 376 Vorträge beobachtet und ausgewertet. An dieser Stelle ist darauf hinzuweisen, dass keine statistischen Werte ermittelt wurden und keine Quantifizierungen der Daten erfolgte. Bei den hier vorgestellten Ergebnissen handelt es sich vielmehr um Erfahrungswerte, die als Grundlage für eine gründlichere empirische Untersuchung dienen könnten.


3   Kursbeschreibung und Kursdurchführung

Bei einer bevorzugten Gruppengröße von 17 bis 20 Teilnehmern muss jeder Teilnehmer zwei Vorträge im Semester halten. Bei kleineren Gruppen können auch drei Vortragsrunden eingearbeitet werden, während es bei größeren Gruppen zunehmend schwieriger wird, die Planung der einzelnen Vorträge einzuhalten. Im ersten Vortrag sollen die Studierenden etwa 10 bis 15 Minuten über ein nicht oder indirekt fachbezogenes Thema referieren, und im zweiten Vortrag über ein fachspezifisches Thema mit einer verlangten Redezeit von etwa 20 bis 25 Minuten. Jedem Vortrag folgt eine Fragerunde, bei der die anderen Kursteilnehmer Fragen an die Vortragende/den Vortragenden stellen. Je nach Interesse kann dieser Frage-Antwort-Teil bis zu 10 Minuten dauern.

Die endgültige Bewertung der mündlichen Leistung im Kurs basiert auf der Bewertung der zwei Vorträge und der Beteiligung an den Diskussionen nach den einzelnen Vorträgen. Um alle Teilnehmer zum Sprechen zu ermutigen, wird am Semesteranfang bekanntgegeben, dass sich eine rege Teilnahme an den Fragerunden positiv auf die Note auswirkt. Neben der oben erwähnten dritten Vortragsrunde kann man bei kleineren Gruppen Hörverstehensübungen durchführen, damit auch die passive Komponente der mündlichen Kommunikation Berücksichtigung findet.

In beiden Vortragsrunden werden die Teilnehmer erst nach einigen Vorträgen auf wichtige Aspekte des Vortragsstils oder aber auf Fehler (Interferenzen, Abweichungen von der Standardsprache) aufmerksam gemacht, indem auffällige Aspekte besprochen werden. Stattdessen - oder auch zusätzlich - hat es sich als erfolgreiche Strategie erwiesen, für jeden Vortrag drei bis vier Studierenden die Aufgabe zu geben, positive und negative Aspekte des Vortrags zu notieren und diese nach der Fragerunde kurz zusammenzufassen. Alternativ kann der Dozent Lob und Kritik anonym notieren lassen und die Punkte mit den Teilnehmern besprechen. Wenn die Teilnehmer bereit sind, selbst evaluierende Anmerkungen vorzubringen und mit der Gruppe zu besprechen, kann dies, unabhängig davon, wie es im Einzelnen durchgeführt wird, zu einer für alle Teilnehmer sehr nützlichen metalingualen Diskussion führen, von der alle Beteiligten profitieren können.

Am Ende der ersten Vortragsrunde, die meist etwa in die Mitte des Semesters fällt, werden vom Dozenten die wichtigsten Elemente von Präsentationen im Beruf vorgestellt. Nach der zweiten Vortragsrunde am Ende des Semesters werden in einem zweiten Vortrag die rein sprachlichen Aspekte des Themas zusammengefasst. In diesem Vortrag wird ein Fehlerkatalog vorgestellt, der u. a. die wichtigsten, in den Vorträgen des Semesters aufgetretenen Abweichungen enthält.

In den bisher durchgeführten Studentenevaluierungen dieser Lehrveranstaltung wünschten sich einige wenige Studierende, dass alle Fehler – sowohl vortragstechnischer als auch sprachlicher Art – direkt im Anschluss an jeden Vortrag diskutiert würden. Abgesehen davon, dass sich diesem Wunsch zeitlich nicht entsprechen lässt, könnte eine solche Diskussion bei introvertierten Studenten eher eine beeinträchtigende Wirkung auf das Selbstwertgefühl haben. Außerdem entspricht die bisherige Handhabung auch der Sprachwirklichkeit in der Industrie, bei der sprachliche Strukturen oder die Sprachverwendung meist nur dann thematisiert werden, wenn Verständnisschwierigkeiten auftreten. Stattdessen wird den Teilnehmern angeboten, mit dem Dozenten während der Sprechstunde ausführlich über den Vortrag zu diskutieren. Da sehr viele Abweichungen individuell verschieden sind, genügt es zudem, Diskussionen über Fehler im Plenum allgemein zu halten. Die meisten Studierenden sind bisher mit dieser individuellen Betreuung zufrieden und haben in einer eher privaten Atmosphäre keine Hemmungen, über ihre eigenen Defizite im mündlichen Bereich zu sprechen.


3.1  Vortragsthemen

Im Falle solcher Studierenden, die noch kein Praxissemester absolviert haben, ist der erste Vortrag ein Kurzreferat über eine berühmte Person der Gegenwart oder Vergangenheit, in dem über biografische Informationen berichtet und kurz erläutert werden soll, warum diese Person ausgewählt wurde. Bei diesem Thema können die Vortragenden erste Erfahrungen mit den notwendigen Vorbereitungsaufgaben und dem zusammenhängenden Sprechen vor einer Gruppe von Zuhörern machen. Da erfahrungsgemäß einige Studierende Internet-Angaben zu einer Person abschreiben und diese im Referat vorlesen, wird dies als Gelegenheit dazu genutzt, mit den Teilnehmern über die Themen Plagiat und das Vorlesen von Vorträgen zu diskutieren.

Bei Gruppen mit Teilnehmern, die bereits ein Praxissemester hinter sich haben, müssen alle Studierenden einen Kurzvortrag über das Praktikum halten, in dem das Unternehmen und dessen Aktivitäten vorgestellt werden, sowie die Aufgaben, die im Unternehmen zu bewältigen waren und die Rolle des Englischen bei der Bewältigung dieser Aufgaben. Da dieses Thema aus dem Erfahrungshorizont der Teilnehmer stammt, tragen die meisten Studierenden viel eher aus dem Stegreif vor. Es wird den Studierenden freigestellt, den Kurzvortrag mit oder ohne visuelle Unterstützung (d.h. ohne PowerPoint-Folien) zu halten. Am Ende des Vortrags müssen keine Notizen oder sonstige Hilfsmittel eingereicht werden.

Für den Fachvortrag müssen Studierende im Bachelorstudium einen Vortrag über die Ergebnisse einer Projektarbeit halten, die in einem Projektseminar bereits behandelt wurde oder im selben Semester behandelt wird. Im Falle von Masterstudenten kann entweder über eine bereits abgeschlossene Projektarbeit oder auch über die Bachelorarbeit in englischer Sprache referiert werden. Dieser Vortrag muss länger, angemessen strukturiert und von visueller Unterstützung begleitet sein und darf nicht vorgelesen werden. Dabei soll beim zweiten Vortrag die Vortragssituation im Beruf so nah wie möglich simuliert werden. Alle Vortragenden müssen ihre Vortragsfolien einreichen.


3.2  Die Rolle des Dozenten

Im Gegensatz zum Frontalunterricht übt der Dozent in dieser Art von Lehrveranstaltung vorwiegend die Rolle eines stillen Beobachters bzw. eines Moderators aus. Natürlich müssen Fachinhalte vermittelt werden, aber eine Hauptaufgabe des Dozenten besteht darin, die mündliche Leistung jedes einzelnen Teilnehmers gründlich zu beobachten, um festzustellen, welche Defizite vorhanden sind. Um die Probleme der einzelnen Teilnehmer zu analysieren, wurde zunächst erwogen, mit einem Diktiergerät Vorträge aufzunehmen, um anschließend in aller Ruhe wichtige Abweichungen zu studieren. Es stellte sich dabei jedoch heraus, dass dies datenschutzrechtlich ohne Erlaubnis problematisch ist und außerdem bei manchen Studierenden eine hemmende Wirkung haben kann. Es wurde deshalb entschieden, die Dokumentation zuerst im Unterricht durch detaillierte Notizen zu erstellen und diese zeitnah in eine Tabelle zu übertragen, in der Beobachtungen systematisiert werden können.


3.3   Lerninhalte

Im Vortragskurs werden in erster Linie praktische Aspekte aus zwei Hauptgebieten vermittelt: der Vortragstechnik und der Fehleranalyse bzw. der Interferenzlinguistik. Erstere ist in Lernhilfen für Berufstätige und Lehrwerken der Schulungsindustrie am besten dokumentiert, während Letztere wichtige Ergebnisse aus der Sprachforschung darstellt.

In der Vortragstechnik befasst man sich mit Redestrategien, die zu einem optimalen Vortragsstil führen. Vereinfacht gesagt, ist die Vortragstechnik die klassische Rhetorik im modernen Gewand. Zu diesem Thema steht Lernenden eine große Anzahl von Lehrwerken mit einer Reihe von Empfehlungen und Hinweisen zur Verfügung. Speziell für englische Vorträge gibt es Lehrwerke für Muttersprachler (Kushner 2004) und für Lernende des Englischen (Powell 2011). Inzwischen liegen auch speziell für deutsche Fachleute und Studierende Publikationen (z.B. Grussendorf 2009) vor, die zahlreiche brauchbare Hinweise zur Gestaltung eines englischsprachigen Vortrags enthalten. In einigen dieser Ratgeber für Englischlernende werden auch Beispiele für Sprachstrukturen genannt, die im Vortrag wichtige Funktionen erfüllen, wie beispielsweise das Vorstellen der Vortragsstruktur, das Überleiten zum nächsten Punkt oder das Betonen wichtiger Inhalte.

Die Fehleranalyse, ein wichtiges Untergebiet der Angewandten Linguistik und insbesondere der Fremdsprachendidaktik bzw. Interferenzlinguistik (Juhász 1973), zielt ab auf die systematische Behandlung sogenannter Fehlertypen, die bei bestimmten Gruppen von Lernenden im Prozess des Fremdsprachenlernens auftreten können. Aufgrund des negativen Beigeschmacks des Wortes Fehler wird für diese Erscheinungen der neutralere Begriff Abweichung verwendet. Seit Selinker (1972) wird der Begriff interlanguage verwendet, um die bisher erreichte Kompetenz in einer Fremdsprache zu beschreiben, die die jeweilige Annäherung eines Lernenden an Strukturen der Zielsprache darstellt (Gitsaki 1998). Speziell für die sprachlichen Abweichungen, die auf den Einfluss der Muttersprache zurückgeführt werden können, wird auch der Begriff Interferenz verwendet (Weinreich 1953: 1; Juhász 1973; Krashen 1988: 64 ff).

Um einen systematischen Überblick über die möglichen Abweichungen deutscher Lernender in dieser Situation geben zu können, benötigt der Sprachdozent nicht nur gute lexikalische Kenntnisse, sondern auch wichtige Kernkompetenzen aus der Systemlinguistik, vor allem hinsichtlich der Syntax, Morphologie und Phonetik / Phonologie. Auch Grundkenntnisse der Pragmatik sind vonnöten, um das Sprachverhalten der Studierenden in dieser Situation angemessen beurteilen zu können. Praxisbezogene linguistische und didaktische Arbeiten zum Thema der Interferenz in der Fremdsprache Englisch, die Sprachdozenten allgemeine Hinweise bieten können, sind ebenfalls vorhanden (Swan / Smith 1987).


4. Die kommunikative Situation des englischsprachigen Vortrags

Die kommunikative Situation, in der englischsprachige Vorträge im Beruf zu finden sind, kann wie folgt definiert werden:

Die Hauptaufgabe eines englischsprachigen Vortrags, den eine deutsche oder deutschsprachige Fachkraft im Rahmen ihrer beruflichen Aufgaben halten muss, besteht darin, durch die effektive Verwendung visueller Unterstützung, die die Schriftsprache und Bilder enthält, sowie einer gesprochenen Form des Standard-Englischen einem internationalen Publikum Informationen zu vermitteln, die entweder ganz oder nur teilweise für die beruflichen Aufgaben der einzelnen Zuhörer relevant sind.

Aus dieser Definition lassen sich für die Textsorte englischsprachiger Vortrag fünf Komponenten festhalten:
  • das Thema;
  • die Verwendung der gesprochenen Sprache;
  • der Vortragsstil;
  • die Anwesenheit internationaler Zuhörer
  • visuelle Medien.
Im Folgenden soll auf diese fünf Elemente näher eingegangen werden. Eine sechste Komponente - wichtige sprachliche Merkmale des Englischen in von Studierenden gehaltenen Vorträgen - wird in Kap. 5 behandelt.


4.1  Das Thema

Mit fachlichen bzw. berufsbezogenen Inhalten in Vorträgen sind deutsche Fachleute wie auch Studierende technischer Fächer oft bereits vertraut. Diese Vertrautheit mit dem Thema rührt daher, dass sie sich – wie beispielsweise im Rahmenihrer Bachelorarbeit oder von Projektarbeiten - in aller Regel längere Zeit damit befasst haben. In vielen Fällen haben sie bereits auf Deutsch zu demselben Thema vorgetragen oder geschrieben. Dies bedeutet, dass für viele Studierende die Aufgabe, einen Fachvortrag in englischer Sprache zu halten, darin besteht, bereits geleistete Arbeit zu „übersetzen“. Wichtig ist in diesem Zusammenhang für die Studenten die oft erwähnte Beobachtung aus der interkulturellen Kommunikation, dass deutsche Vorträge oft viel komplexer und mit einer viel höheren Informationsdichte gestaltet werden als berufliche Vorträge aus dem englischsprachigen Raum. Viele Vorträge – zumindest aus angelsächsischer Sicht, so die Meinung der Interkulturalisten – können extrem zuhörerunfreundlich wirken. Hier sollte der Dozent die Studierenden auf diese Tendenz aufmerksam machen und mit ihnen das Thema der Zuhörerfreundlichkeit diskutieren sowie andere wichtige Strategien besprechen, mit denen ein Redner das Interesse der Zuhörer im Laufe des Vortrags aufrechterhalten kann.


4.2  Die Verwendung der gesprochenen Sprache

Mündliche Kommunikation kann bekanntlich vorbereitet oder unvorbereitet sein (Gregory 1967: 189). Das vorbereitete Sprechen kann das laute Vorlesen eines vorbereiteten, geschriebenen Textes oder aber das Aufsagen eines auswendig gelernten Textes sein. Zur Kategorie der unvorbereiteten mündlichen Kommunikation zählen das Gespräch, d.h. die spontane mündliche Kommunikation zwischen zwei oder mehr Teilnehmern, und der Monolog, bei dem man über längere Zeit allein vor einer Gruppe von Teilnehmern spricht.

Obwohl ein Vortrag inhaltlich erst nach längerer intensiver Vorbereitung mündlich kommuniziert wird, wird er üblicherweise monologisch vorgetragen. Vom Vorlesen wird in der Industrie immer abgeraten, da die Lebhaftigkeit der Darstellung darunter leidet. Außerdem wird durch das Vorlesen das Tempo oft erhöht. Deshalb ist es wichtig, Studierende darauf hinzuweisen, dass der Vortrag spontan klingen sollte, obwohl ihm in der Regel eine gründliche Vorbereitung vorausgegangen ist. Der Vortragende muss also lernen, so spontan wie möglich das zu beschreiben, was er nach intensiver Vorbereitungsarbeit auf seinen PowerPoint-Folien zeigt. Vorgelesen werden meistens nur Passagen, deren genauer Wortlaut von Bedeutung ist, wie beispielsweise Definitionen oder Regelformulierungen wie in Richtlinien oder Normen.


4.3  Der Vortragsstil

Der optimale Vortragsstil wird Lernenden oft vermittelt, indem aufgelistet wird, welche Verhaltensweisen einerseits wünschenswert und andererseits zu vermeiden sind, damit beim Vortrag das Interesse der Zuhörer erhalten bleibt :


Wünschenswert

Nicht wünschenswert


Das Publikum begrüßen

Vorlesen


Sich vorstellen

Die Verwendung von Vulgarismen


Das Thema vorstellen und die Vortragsstruktur beschreiben (Gliederung)

Die häufige Verwendung von „gefüllten“ Pausen (ugh, äh, mmm)



Blickkontakt zum Publikum aufrechterhalten


Bestimmte Gestik (Hände in den Taschen)


Information „spontan“ vortragen

Folien mit zu vielen Informationen


Logische Übergänge zwischen Teilthemen


Folien mit komplizierten Grafiken


Folieninhalte mit der gesprochenen Rede koordinieren


Schriftgröße von Folientexten zu klein

Folien nummerieren

Demonstrationen oder Videos, die nicht funktionieren


Tab. 1: Wünschenswertes und Nicht-Wünschenswertes im Vortrag

Dieser Aspekt des Vortragens scheint die Hauptschwerpunktsetzung der Schulungsindustrie bzw. in Lernhilfen für deutsche Fach- und Geschäftsleute zum Thema englischsprachige Vorträge (Powell 2011; Grussendorf 2009) zu sein.


4.4 Die Anwesenheit internationaler Zuhörer

Der entscheidende Grund, warum deutsche Fachleute überhaupt Vorträge in englischer Sprache halten müssen, ist der, dass Zuhörer im Publikum anwesend sind, die nicht über ausreichende Deutschkenntnisse verfügen, um dem jeweiligen Vortrag in deutscher Sprache zu folgen. Die Fremdsprache Englisch wird somit von deutschen Fachleuten als lingua franca eingesetzt.

Die Zuhörer im Publikum können sehr unterschiedliche Beherrschungsstufen des Englischen aufweisen. Sie können Kollegen, Kunden oder Lieferanten sein und Englisch als Muttersprache, Erstsprache, Zweitsprache oder auch als Fremdsprache verwenden. Auch der Erfahrungshorizont eines Zuhörers bezüglich der Vielfalt des Englischen und der Kultur, aus der dieser stammt, spielen im Verständigungsprozess eine wichtige Rolle. Um eine reibungslose Kommunikation auf beiden Seiten zu erreichen, ist dieser Aspekt genauso wichtig wie die Fähigkeit des oder der deutschen Vortragenden, sich erfolgreich zu verständigen.

In konkreten Situationen, in denen englischsprachige Vorträge im Beruf gehalten werden, sind mindestens zwei Zuhörerkonstellationen zu unterscheiden: eine eher inländische und eine ausländische. Bei Vorträgen, die an einem deutschen Standort des Unternehmens oder aber bei einem Kunden in Deutschland gehalten werden, sind die meisten Zuhörer in der Regel deutschsprachig und nur wenige nicht deutschsprachig. Bei solchen an einem ausländischen (besonders außereuropäischen) Standort des Unternehmens oder aber bei einem Kunden im Ausland ist dies meist umgekehrt. Hier stellt die Zahl der nicht deutschsprachigen Zuhörer die Mehrheit dar, während deutschsprachige Zuhörer in der Minderzahl sind. Bei der inländischen Situation neigen mehr deutsche Fachleute dazu, deutsche Wörter und Wendungen in ihren Vorträgen zu verwenden, was vielleicht darauf zurückzuführen ist, dass man die Anwesenheit der wenigen internationalen Gäste leicht vergessen kann. Wenn man sich aber selbst in der Minderheit befindet, werden von deutschen Fachleuten so gut wie keine deutschen Wörter verwendet. Offenbar sind sich Vortragende in dieser Situation der Internationalität eher bewusst. Im Falle der hier analysierten Teilnehmergruppen werden deutsche Wörter und Wendungen nicht selten verwendet, was vermutlich eine Folge der Simulierung im Unterricht ist. Ganz gleich, ob in Deutschland oder im Ausland – die Verwendung deutscher Wörter und Ausdrücke wird höchstwahrscheinlich bei nicht deutschsprachigen Zuhörern Verständnisschwierigkeiten verursachen.


4.5 Visuelle Medien

PowerPoint-Folien stellen oft die schriftliche Komponente des Vortrags dar, die in dieser Situation zwar eine wichtige, aber zugleich sekundäre Rolle einnimmt. Wie bei der Erstellung anderer schriftsprachlicher Texte sollten alle Folien und Animationen gründlich überprüft und optimiert werden, bevor der Vortrag gehalten wird. Die Gestaltung der PowerPoint-Folien eines Vortrags wird in der Literatur der Schulungsindustrie ausführlich behandelt. Sie sollen als stichwortartige Zusammenfassungen der wichtigsten Gedankengänge des jeweiligen Vortrags dienen. Die in Form von Spiegelstrichen dargestellten Informationen und die verwendeten Grafiken sollen so kurz und einfach wie möglich sein. Da sich die Verwendung von Grafiken mit deutschen Benennungen bisweilen nicht vermeiden lässt (wie z.B. bei Software-Benutzeroberflächen), sollten die Vortragenden den internationalen Zuhörern hier Übersetzungshilfen anbieten, indem sie explizit auf Folienelemente hinweisen und englische Entsprechungen in ihren Vortrag einbauen.


5 Sprachliche Merkmale in von Studierenden gehaltenen  englischsprachigen Vorträgen

Die vielen Strategien und Empfehlungen aus dem Bereich der Vortragstechnik bilden zwar eine wichtige Komponente eines jeden Vortragskurses, mindestens ebenso wichtig ist jedoch die Kompetenz des Vortragenden in der Fachfremdsprache Englisch.

Beim Sprechen werden Wörter in hoher Geschwindigkeit aneinandergereiht (etwa 6 bis 9 Wörter pro Sekunde) und in der Regel rasch wieder vergessen. Das, was Zuhörer sich merken, ist eine Art Gesamtbedeutung eines Gedankengangs, die von den Zuhörern verarbeitet und von ihnen entweder verstanden wird oder nicht. Deshalb ist die Fähigkeit, sich erfolgreich zu verständigen, die zentrale Anforderung einschlägiger Lehrveranstaltungen. Ein englischsprachiger Vortrag gilt in Deutschland auch dann als gelungen, wenn diese Verständigung durch die Verwendung eines vereinfachten Sprachsystems und eines auffälligen Akzents zustande kommt - wie dies häufig geschieht, wenn mittels einer lingua franca kommuniziert wird.

Bei den meisten Studierenden ist die zu erwartende Niveaustufe bereits hoch genug - B2 oder C1 des Gemeinsamen Europäischen Referenzrahmens für Sprachen (GER) -, um die Mindestanforderungen der Verständigung zu erfüllen. Viele Studierende weisen bereits eine Kompetenz auf, die derjenigen vieler praktizierender Fachleute entspricht. Bei näherer Betrachtung ist jedoch bei nahezu allen Studierenden festzustellen, dass in ihren Redebeiträgen zahlreiche und unterschiedliche Abweichungen von Standardformen des Englischen vorhanden sind. Ob eine Abweichung zu einem Missverständnis führt, lässt sich letzten Endes nur im Kontext entscheiden. Auch der Erfahrungshorizont des Zuhörers spielt beim Verstehen abweichender Einheiten eine wichtige Rolle. Es gibt Abweichungen, die vermutlich selten potentielle Verständnisschwierigkeiten bei den Zuhörern verursachen würden, und solche, die mit hoher Wahrscheinlichkeit falsch verstanden werden. Obwohl viele Abweichungen individuell sein können, gibt es etliche vorhersagbare und systematisierbare Elemente. Bei der Systematisierung werden Abweichungen hier entsprechend der klassischen strukturalistischen Sprachebenen geordnet (Phonetik und Phonologie, Morphologie, Syntax und Lexik). In der Dokumentation werden auf jeder dieser Ebenen alle potentiellen Missverständnisse gekennzeichnet. In den Besprechungen mit Studierenden wird stets zwischen schwerwiegenden und nicht schwerwiegenden Abweichungen unterschieden. Besonders bei der Lautung sind sich die meisten Studierenden der Einzelheiten ihrer Aussprache nicht bewusst, und die gründliche Beschreibung ihrer mündlichen Leistung wird im Allgemeinen sehr positiv aufgenommen.

Im Folgenden soll ein erster Katalog der Abweichungen exemplarisch vorgestellt werden. Er enthält die bisher festgestellten, wichtigsten sprachlichen Merkmale, die in studentischen Vorträgen häufig vorkommen.


5.1 Lautliche Aspekte

In einem Vortrag hängt die erfolgreiche Verständigung letzten Endes nicht von Strategien ab, die zu einer die Zuhörer fesselnden Darbietung führen, sondern - viel grundlegender - von den Lauten selbst. Auch bei einer dem muttersprachlichen Niveau nahen Verwendung der Morphologie, Syntax und Wortwahl wird ein Vortrag trotzdem nicht verstanden, wenn die Aussprache des Vortragenden zu weit von einer Standardaussprache abweicht. Deshalb muss der Dozent eingehende Kenntnisse der Phonetik und Phonologie besitzen und ebenfalls in der Lage sein, Studierenden diese lautlichen Abweichungen verständlich zu erklären. Auf dieser Ebene sind die meisten systematisierbaren Abweichungen zu finden, die Interferenzen im fachfremdsprachendidaktischen Sinne darstellen. Hinzu kommt, dass im lautlichen Bereich die meisten Abweichungen zu verzeichnen sind, die zu Verständigungs-problemen führen können. Das weite Spektrum der Kompetenzstufen reicht einerseits von der sporadischen bis hin zur konsequenten Verwendung von gewissen Abweichungen und andererseits von einem auffälligen, leicht störenden deutschen Akzent bis hin zu längeren Redebeiträgen mit unverständlicher Lautung.

Lautliche Abweichungen in Vorträgen lassen sich im Wesentlichen in fünf Gruppen unterteilen:
  • Konsonanten
  • Vokale
  • Wortbetonung
  • Initialwörter   und
  • einzelne Wörter.
Nahezu alle Merkmale in diesem Bereich sind auf Interferenzen aus dem Deutschen zurückzuführen.


5.1.1  Lautsubstitution: Konsonanten

Die stereotypischen Merkmale eines deutschen Akzents im Englischen (vgl. Tab. 2, 1-4) treten sowohl bei Studierenden als auch bei vielen Fachleuten in der Industrie deutlich seltener auf, als dies von Muttersprachlern des Englischen gemeinhin angenommen wird. Dieser Aspekt lässt sich möglicherweise auf die mehrjährige Schulbildung im Fach Englisch zurückführen. Die von Swan (1987: 32) festgestellte häufige Substitution des Halbvokals [w] durch den labiodentalen Reibelaut [v] beispielsweise konnte in der bisherigen Analyse von Studentenvorträgen nicht bestätigt werden. Im Gegenteil ist die umgekehrte Substitution viel häufiger: valve beispielsweise wird oft als [wɛlf] oder [wa:lv] ausgesprochen. Auch die interdentalen Reibelaute [θ] und [ð] (wie z.B. in think bzw. then) werden von den meisten bisher beobachteten Studenten beherrscht. Die Substitutionstendenzen in 5-15 (vgl. Tab. 2) sind allgemein viel häufiger als die Konsonanten, die in englischsprachigen Ländern als typisch deutsch gelten.

Missverständnisse in diesem Bereich können entstehen, wenn sich die abweichende Aussprache derjenigen eines anderen englischen Wortes annähert. Dies ist besonders bei der Übertragung der Auslautverhärtung auf das Englische (vgl. Tab. 2, 12-15) der Fall. Viele Wortpaare werden von den Lernenden im Auslaut nicht unterschieden, was – je nach Zusammenhang – durchaus Verständigungsschwierigkeiten verursachen kann. Daher ist es sehr wichtig, Studierende auf diese Erscheinung im deutschen Phonemsystem aufmerksam zu machen. Andere häufige Substitutionen (Tab. 2, 5-11) würden vermutlich nur selten zu Kommunikationsproblemen führen, klingen aber für angelsächsische Ohren sehr fremd.

1. [θ] → [s]
think (vs. sink), thought (vs. sought), thickening (vs. sickening)
2. [ð]→ [z] or [d]
the, then, this, other (vs. udder)
3. [r] → [R]
problem; improvement, really red
4. [w] → [v]
we, when, want
5. [v] → [w]
valve; invisible; supervisor; available
6. [ʤ] → [ʧ]
Java, job (vs. chop), edge (vs. etch), badge (vs. batch)
7. [ʒ] → [ʃ]
measure, measurement
8. [ʤ] → [g]
generate, digital, algebra, homogenic (statt homogeneous)
9. [kʃ→ [kʧ]
selection, inspection, fraction, friction, structure, architecture
10. [ŋg] → [ŋ]
single, finger, longer
11. V + [ʔ] + V*
come ( )in ( )and ( )enjoy
(*Kehlkopfverschlusslaut an der Morphemgrenze)
12. [b] → [p]
job (vs. chop)
13. [d] → [t]
bad (vs. bat, bed); pad (vs. pad, pet); node (vs. note)
14. [g] → [k]
bug (vs. buck); blog (vs. block)
15. [v] → [f]
save (vs. safe); reverence (vs. reference)

Tab. 2: Konsonantische Lautsubstitutionen


5.1.2  Lautsubstitution: Vokale

Im Falle der Vokale sind bedeutend weniger Interferenzfälle zu verzeichnen, da sich hier die Phonembestände der beiden Sprachen stärker ähneln. Die meisten Abweichungen in diesem Bereich (vgl. Tab. 3) würden vermutlich nur selten zu Missverständnissen führen. Die abweichende Aussprache der Diphthonge ist ohnehin in regionalen Erscheinungsformen des Englischen vorhanden. Die häufige Verwendung des hohen Hintervokals /u:/ statt Englisch /uw/ (wie z.B. in solution) oder /a:/ anstelle von / ʌ/ (vgl. die in ganz Nordamerika übliche Aussprache von clock vs. cluck, die bei den meisten deutschen Lernenden als /a/ zusammenfallen) ist zwar auffällig, beeinflusst jedoch die Verständigung kaum. Am schwerwiegendsten ist die Substitution des [æ]-Vokals durch [e], da im Englischen diese Laute bedeutungsunterscheidend sind, was dazu führt, dass zwei verschiedene englische Aussprachen zusammenfallen können. Besonders dann, wenn dieser Lautersatz zusammen mit der Auslautverhärtung auftritt, ist ein Missverständnis unausweichlich (vgl. pad vs. pet), es sei denn, dass der Kontext bzw. die verwendeten visuellen Medien eindeutige Verständigungsmöglichkeiten bieten. Die hyperkorrektive Verwendung von [æ] statt [ɛ] ([mænz helθ] für men’s health) kommt ebenfalls gelegentlich vor und kann bisweilen störend wirken:

1. [æ] → [ɛ]
lag, Apple, after that; maximum, pad (vs. pet)
2. [uw] → [u:] oder [ü:]
solution, who, too, through
3. [ʌ]→ [a:] oder [ɔ]
but, under; company, among
4. [ɪ] → [i:]
bit (vs. beat); video, Linux
5. [ou] → [o:] oder [ɔ]
coat, bone
6. [a‛u] → [au]
house, about, how
7. [eɪ] → [e:]
made, way

Tab. 3: Vokalische Lautsubstitutionen


5.1.3  Abweichende Betonung

Im lautlichen Bereich hat sich bisher gezeigt, dass die abweichende Wortbetonung (vgl. Tab. 4) oft Kommunikationsschwierigkeiten verursacht. Abweichende Betonung kann bisweilen zu einer Verwechslung mit einem anderen Wort führen (personal decision vs. personnel decision). In vielen Fällen jedoch rühren Verständigungsschwierigkeiten daher, dass im phonologischen System keine Struktur vorhanden ist, die als Muster dient, das die Erkennung der gemeinten Form ermöglicht (wie z.B. [və.‘rɛn.ti:] für warranty). Da sich die Anfangsbetonung von Wörtern wie report, police oder hotel einer regionalen Aussprache (in diesem Fall Southern US English) annähert, die viele Muttersprachler kennen, ist ein Muster vorhanden, wodurch die Kommunikation aufrechterhalten wird. Betonungsverschiebungen treten sehr häufig zusammen mit der abweichenden Aussprache von Vokalen auf, wie beispielsweise im Falle von determine [‘dɛt.ər.maɪn], analysis [ɛn.ə.‘laɪ.səs], und variable [və.‘raɪ.ə.bəl]. Diese kombinierten Abweichungen wirken meist kommunikationsstörend.
Obwohl die sogenannte schwebende Betonung auch im Deutschen existiert, ist die gleich starke Betonung zweier Bestandteile eines Kompositums im Englischen viel häufiger, und dies wird von deutschen Lernenden sehr oft unterlassen (Kaluza 1921: 63; Digeser 1978: 175 ff). Das Fehlen der schwebenden Betonung fällt englischen Muttersprachlern zwar auf, führt jedoch kaum zu Verständnisschwierigkeiten:

1.    Linksverschiebung des  Haupttons
display, array, report, detect, Excel, request, personnel, determine, components, parameter, variety, engineer, Nobel
2.    Rechtsverschiebung des Haupttons auf die letzte Silbe
menu, transfer (rate); tolerance, amperes, atom, purchase/purchased; colleagues
3.    Rechtsverschiebung des Haupttons auf die vorletzte / drittletzte Silbe
interesting, development, cylinder, monitoring, capacitive, periphery, peripheral, category, analysis/analyses, variable, homogenizer, paradigm, warranty
4.    Unterlassung der schwebenden Betonung
(20) years old; family business; (the) world war; Nobel prize; rotary table, plastic box, thirteen, afternoon

Tab. 4: Abweichende Betonungsmuster


5.1.4  Initialwörter

Die meisten Initialwörter in der Technik bestehen aus den ersten Buchstaben von englischen Begriffen, die im Deutschen als deutsche Buchstaben ausgesprochen werden (z.B. CD [tse:.de:]). Auch lexikalisierte Initialwörter, bei denen die Buchstaben als Wort ausgesprochen werden (vgl. NASA), werden im Deutschen oft nach deutschen phonologischen Regeln ausgesprochen (vgl. dt. [’na:.za:], engl. [‘næs.ə]). Diese deutsche Aussprache wird von vielen Studierenden auf das Englische übertragen, was bei Muttersprachlern des Englischen ohne ein unterstützendes Schriftbild auf der PowerPoint-Folie schnell zu einem Missverständnis führen kann. Beispiele hierfür sind: CAD, RFID, VPN, PDF, LED, DVD, FIFO, ISO, GUI, RAM und Ph.


5.1.5  Einzelne Wörter

Es gibt eine Reihe einzelner Wörter, die sich zwar nicht systematisieren lassen, die aber von nicht wenigen Studierenden häufig mit abweichender Aussprache verwendet werden. Die Ursache für diese Abweichungen lässt sich nicht immer eindeutig ermitteln. Einige Abweichungen lassen sich auf ähnliche Formen im Deutschen zurückführen, während andere gegebenenfalls mit anderen englischen Formen verwechselt werden. Zu den häufigsten Beispielen dieser Kategorie gehören: automobile [ɔ.to:.‘mo:.baɪl], routing [‘ru:t.ɪŋ], router [‘ru:t.ǝr], project [‘pro:.dʒɛkt]; failure [fɛɪ.lǝr], und stirrer [‘sti:.rǝr].


5.1.6  Vermischung britischer und amerikanischer Aussprache

Aufgrund des überwiegend britisch geprägten Schulwesens in Deutschland sowie des Einflusses des Amerikanischen Englisch (AmE) in vielen technischen Bereichen und sozialen Domänen der heutigen Gesellschaft kommt es bei sehr vielen Studierenden und Fachleuten in der Industrie zu einer häufigen Vermischung von britischer und amerikanischer Aussprache. Die überwiegende Mehrheit der bisher beobachteten Vortragenden hat das amerikanische Englisch als Vorbild ausgewählt und versucht, diese Aussprache zu imitieren. Gleichgültig jedoch, ob man BrE oder AmE als nachahmenswertes Vorbild ausgewählt hat, werden Elemente beider Hauptvarietäten vermischt. Besonders häufig treten das britische Merkmal [a:] (das sogenannte broad a) gegenüber dem nordamerikanischen Englisch (NAmE) [æ] (dem sogenannten flat a) und - besonders am Wortende - die NAmE Aussprache des postvokalischen r-Lautes gegenüber der r-Losigkeit in den meisten britischen Erscheinungsformen gemeinsam auf:
BrE [a:] in can’t, sample, fast, (for) example, passed
NAmE [-(Vokal) + r/] in converter, actuator, simulator, core, bore

Bemerkenswert ist, dass diese und andere Vermischungen den meisten Studierenden unbewusst sind. Daher ist hier unbedingt eine systematische Sensibilisierung vonnöten.


5.2  Morphologische Aspekte

Obwohl im morphologischen Bereich viele vorhersagbare Abweichungen zu verzeichnen sind, verursachen nur die wenigsten von ihnen Verständnisprobleme. Zu den bisher ermittelten Strukturen gehören vor allem Abweichungen bei Substantiven (Numerus), Verben (Tempus, Aspekt), Adjektiven / Adverbien, Relativpronomen und Präpositionen (vgl. Tab. 5). Die häufige Verwendung von where als abweichendes Relativpronomen lässt sich wahrscheinlich auf die regionale Verbreitung von wo als Relativpronomen in ostfränkischen Dialekten des Deutschen, zu denen der Raum Nürnberg gehört (Fleischer 2005), zurückführen. Weiterhin fällt auf, dass bei der Beschreibung vergangener Tätigkeiten und Zustände viele Vortragende das erste Verb im Präteritum verwenden, jedoch bei einigen oder gar allen Folgeverben der Darstellung eine Präsens- bzw. Grundform benutzen. Durch die mehrfachen Markierungen der zeitlichen Verhältnisse in der gesprochenen Sprache führt diese Vereinfachung jedoch meist nicht zu Missverständnissen.


5.3 Syntaktische Aspekte

Abweichende syntaktische Strukturen zählen in den bisher bewerteten Vorträgen zu den eher seltenen sprachlichen Abweichungen. Dies liegt jedoch keinesfalls daran, dass Lernende die Grundlagen der englischen Syntax besser beherrschen als andere strukturalistische Systemebenen. Im syntaktischen Bereich fällt bei Studierenden insgesamt vielmehr ein vereinfachter Satzbau mit überwiegend einfachen Sätzen auf. Syntaktische Komplexität wird meist durch Koordinierung erreicht und seltener durch unterordnende Konjunktionen oder Relativsätze. Infinite Verbformen als Satzglieder und in Nebensätzen fehlen fast vollständig oder werden abweichend gebraucht. Hinzu kommt, dass der von den Vortragenden verwendete Satzbau individuell sehr verschieden sein kann. Dies hat zur Folge, dass sich syntaktische Merkmale  bisher  nur

1. Substantive (Numerus)
150 euro; 10 megabyte; 200 megawatt; there are software (that can perform this function); (we performed some) testings (on this); (general) informations; equipments; my wage is also an important criteria.
1. Substantive (Genitiv)
the book from Ivar Jacobson; the boss of him; based on the script of the professor; and I talked to the colleague of them
2. Verben – Tempus/ Aspekt
we buyed it; that’s why I choosed the topic; we choose this because (= we chose this); I’ve done this in 1999; we have to measure the pressure in the line (= had to measure)
3. Adverbien/ Adjektive
it is practical impossible; this is the normally voltage; fluid can be easier evaporated
4. Relativpronomen
software where you can program the controls; I will show you a tool where we validate and test methods; workpieces who have been identified; steam boiler who works with diesel oil; name where the developer can work efficiently with that
5. Präpositionen
on the picture, example for this; in the Internet; overview over the unit; communicating over this interface, on this university

Tab. 5: Morphologische Abweichungen

schwer systematisieren lassen. Zu den häufigsten Merkmalen zählen abweichende Wortstellungstendenzen (It can be charged every day at home. We have also different function blocks), morphosyntaktische Abweichungen (The government doesn’t allow to publish government critical articles) und syntaktischer Transfer aus dem Deutschen (What means kernel?; If you would use this, it would be too complex; All that what I just talked about was in Java).


5.4 Lexikalische Aspekte

Die bisher festgestellten lexikalischen Abweichungen betreffen weitgehend wörtliche Übersetzungen aus dem Deutschen - wobei die Gruppe der sogenannten falschen Freunde eine Untergruppe bildet - und die Verwendung deutscher Wörter. Die lexikalischen Einheiten, die im Vortrag am häufigsten unübersetzt bleiben, haben tendenziell einen starken kulturellen Bezug. Seltener ist die Nicht-Übersetzung von Wörtern lateinischen oder griechischen Ursprungs. Vermutlich nehmen bei dieser Gruppe viele Vortragende an, dass ein deutsches Fremd- bzw. Fachwort auch im Englischen genauso heißen müsse.
Eine weitere Kategorie der lexikalischen Abweichung ist die Stilmischung (Tab. 6, 6). Damit ist die Neigung vieler Studenten gemeint, in dieser eher formellen Situation umgangssprachliche Formen (einschließlich Vulgarismen) zu verwenden. Hier besteht die dringende Notwendigkeit, die Studenten über die Angemessenheit bzw. Unangemessenheit bestimmter Lexik aufzuklären, damit sie im Beruf eventuelle Fauxpas vermeiden können.

1. Wörtliche Übersetzungen
street (< Maschinenstraße), script (< Skript); 7l/100 km[1] (= 33.6 mpg), kettle (< (Druck)kessel); (during my internship) I should create a database (= had to create; my job was to create)
2. falsche Freunde
actual (< aktuell)
3. Verwendung von deutschen Wörtern
natrium (< Natrium); kalium (< Kalium)
4. Verwendung von deutschen Wörtern (kulturbezogen)
Gymnasium, Abitur, Diplom, Bundeswehr, Wöhrder See, GSO, Obi, Prof. Dr. Schmidt, Betriebsrat, Praktikum
5. Andere
electrical department (< Fakultät Elektrotechnik)
6. Stilmischung
We got the solution right here; these guys were really cool; They can sell bullshit if they want.

Tab. 6: Lexikalische Abweichungen


6   Bewertung der Vorträge              

Die Bewertung der Vorträge ist natürlich eine recht subjektive Aufgabe. In konkreten Situationen zeigen muttersprachliche Fachleute im Allgemeinen eine sehr hohe Toleranz für Abweichungen, solange diese Abweichungen nicht zu sehr vom Inhalt ablenken oder zu Missverständnissen führen. In der pädagogischen Situation in Deutschland neigen zahlreiche Dozenten jedoch dazu, alle Abweichungen ungleich strenger zu bewerten, da diese im Mittelpunkt des Interesses stehen. Bei der Bewertung der mündlichen Leistungen im Rahmen sprachpraxisbezogener Lehrveranstaltungen auf Fachhochschulniveau sollten Sprachdozenten eine Kompromisslinie zwischen dem toleranten Muttersprachler einerseits und dem strengen Lehrer im Klassenzimmer andererseits anstreben.

Bei der Bewertung werden sowohl Aspekte des Vortragsstils als auch sprachliche Aspekte berücksichtigt. Dabei ist das Bewertungskriterium der potentiellen Verständigungsschwierigkeiten zentral. Vor allem gelten eine extrem abweichende Aussprache bzw. Betonung oder die Verwendung deutscher Begriffe als schwerwiegende Fehler. Abweichungen, die lediglich einen deutschen Akzent verraten, werden zwar bei der Bewertung berücksichtigt, fallen aber nicht entscheidend ins Gewicht.

Die Endnote setzt sich aus den drei Komponenten Fachvortrag, nicht fachlichem Vortrag und Diskussionsbeteiligung zusammen, wobei der Fachvortrag die höchste Gewichtung hat. Wenn zusätzliche Hörverständnisübungen oder eine dritte Vortragsrunde durchgeführt werden, kann die Gewichtung entsprechend anders gestaltet werden.


7   Abschließende Bemerkungen

Ziel des hier vorgestellten Konzepts zur Gestaltung einer Lehrveranstaltung zum Thema englischsprachige Vorträge im Beruf war es, einen Beitrag zur dringend notwendigen Ausweitung des fachorientierten Fremdsprachenunterrichts an der Hochschule zu leisten. Im Fach Technisches Englisch darf die mündliche Kommunikation – besonders die im GERS genannte Fähigkeit des zusammenhängenden Sprechens – nicht vernachlässigt werden. Es hat sich gezeigt, dass Sprachdozenten den Studierenden mit Hilfe der Ergebnisse der zur Vortragstechnik und Fehleranalyse bzw. Interferenzforschung durchgeführten Forschung wichtige Grundlagen für diese anspruchsvolle berufliche Aufgabe vermitteln können. Besonders durch die systematische Behandlung von Abweichungen, die in den Vorträgen der Studierenden vorkommen, können Dozenten Studierende auf allgemeine und individuelle Fehler hinweisen, damit sie sich diese bewusst machen, um sich der gewünschten Standardvarietät noch weiter anzunähern.

Die Sprachwirklichkeit gestaltet sich oft anders als die Theorie, und Sprachdozenten sollten sich darüber im Klaren sein, dass die weltweit gleiche Verwendung muttersprachlicher Standardformen nicht für jede berufliche Situation angenommen werden darf. Indem in einem Vortragskurs wie dem hier beschriebenen die Sprachstrukturen der Standarderscheinungsformen des muttersprachlichen Englisch als Vorbild verwendet werden, nimmt man bei der Simulierung der Sprachwirklichkeit fälschlicherweise an, dass alle systematisierbaren und individuellen Abweichungen, die bei deutschen Lernenden auftreten, von allen Englischsprachigen weltweit im gleichen Maße als verständlich oder unverständlich aufgenommen werden. Bei der heutigen globalen Verbreitung des Englischen jedoch werden deutsche Fachleute im Beruf mit einer zunehmend größeren Vielfalt sprachlicher Realisierungsformen des Englischen konfrontiert, die die bekannten Unterscheidungen zwischen den muttersprachlichen Varietäten bei weitem übersteigen. Hier können Sprachdozenten Studierende lediglich auf die große Vielfalt aufmerksam machen, ihnen jedoch gleichzeitig versichern, dass aufgrund der noch höheren Anzahl der Gemeinsamkeiten, die man weltweit erwarten kann – wie z.B. in der Fachlexik, im grammatischen System und in der Schrift – die Kommunikation mittels der lingua franca Englisch in den allermeisten Fällen erfolgreich bleibt.




Bibliographie


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Grussendorf, Marion (2007). Presenting in English. Berlin: Cornelsen Scriptor.

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Kaluza, Max (1921). Englische Phonetik mit Lesestücken. Berlin: de Gruyter.

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Kushner, Malcolm (2004). Presentations for Dummies. Hoboken, NJ: John Wiley & Sons.

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Weinreich, Uriel (1953). Languages in Contact. Findings and Problems. New York: Publications of the Linguistic Circle of New York.




[1] Der in Liter auf 100 Kilometer ausgedrückte Spritverbrauch wird im Englischen als miles / gallon (mpg) berechnet.