Wissenschaftlicher Sammelband, herausgegeben von Thomas Tinnefeld unter Mitarbeit von Ines-A. Busch-Lauer, Hans Giessen, Michael Langner, Adelheid Schumann. Saarbrücken: htw saar 2012. ISBN 978-3-942949-00-2.

Mighty Mahara? Zur Rolle des selbstorganisierten (Sprachen)Lernens im Kontext von Mahara-E-Portfolio
eine Forschungsprojektbeschreibung

Thomas Strasser / Gabriele Kulhanek-Wehlend / Harald Knecht (Wien, Österreich)


Abstract (English)
The aim of this research project is to put the focus on self-organised learning in student teacher courses and practical studies at Vienna University of Teacher Education. Based on theoretical approaches and the current academic discourse concerning blended learning settings using Mahara ePortfolios, student teachers should become initiators and organizers of their own reflected learning processes. Due to the fact that the major part of the student teachers (within the context of the research project) take English as their main subject, there is an explicit interest in analyzing the role of EFL-acquisition with the help of e-portfolios. Next to technical and administrative efforts, Mahara’s usability and methodological versatility is to be examined through continuous documentation and online-questionnaires.
Key words:  self-organised learning, blended learning, Mahara ePortfolio, EFL-acquisition


Abstract (Deutsch)
Ziel des Forschungsprojektes ist es, selbstorganisiertes Lernen in den Fokus der Ausbildung im Bereich der Schulpraktischen Studien von Lehramtsstudierenden zu setzen. Ausgehend von den theoretischen Überlegungen und dem wissenschaftlichen Diskurs über Blended-Learning-Settings mittels Mahara-E-Portfolios sollen Studierende zu Initiatoren und Organisatoren ihrer eigenen, reflektierten Lernprozesse werden. Da ein Großteil der Studierenden im Rahmen des Forschungsprojektes das Unterrichtsfach Englisch belegen, liegt ein explizites Forschungsinteresse in der Rolle des Fremdsprachenerwerbs von EFL-Studierenden mithilfe von E-Portfolios. Durch sorgfältige Dokumentation und Online-Umfragen sollen - neben dem technisch-administrativen Aufwand - die Verwendbarkeit und die methodisch-didaktische Vielseitigkeit von Mahara überprüft werden.
Stichwörter:    selbstorganisiertes Lernen, Blended Learning, Mahara-E-Portfolio, Englisch, Fremdsprachenerwerb




1   Ausgangslage und Forschungsinteresse

In Anbetracht der curricularen Neuausrichtung der Lehramtsausbildung in Österreich und deren bevorstehenden Inkrafttretens wird - sowohl im politischen als auch im akademischen Diskurs – bisweilen der Begriff Induktionsphase genannt (Himpsl-Gutermann & Bauer 2011). Diese Phase hat das Ziel, im Rahmen der Lehramtsausbildung neu

kommunikative Räume für die berufsbiographische Entwicklung zu schaffen, über die Möglichkeiten und Anreize für kollegiale Auseinandersetzung, Reflexion, Beratung und gegenseitige Stärkung erfolgen (Härtel 2010: 65).

Vor allem das Prinzip der Selbstreflexion sollte bei Lehramtsstudierenden im curricularen Kontext im Sinne einer Professionalisierungsinitiation bzw. Professionalisierungskontinuität manifestiert sein (Härtel 2010). Im vorliegenden Beitrag wird somit versucht, die methodische und curriculare Präsenz des Begriffes Selbstreflexion - aber auch jene des Begriffs selbstorganisiertes Lernen - in verschiedenen Blended-Learning-Settings unter Berücksichtigung von E-Portfolios zu analysieren, da dieser Terminus vitaler Bestandteil des hier präsentierten Forschungsprojektes ist. Da ein Großteil der Lehramtsstudierenden, die in den Schulpraktischen Studien der Pädagogischen Hochschule Wien (also die praktische, fachspezifische Ausbildung der künftigen Lehrer und Lehrerinnen an Praxisschulen) mit Mahara (als E-Portfolio-Anwendung)[1] arbeitet, das Unterrichtsfach Englisch belegt, soll in einem kurzen Exkurs die Rolle des fachspezifischen Fremdsprachenerwerbs (in diesem Falle Englisch, EFL) mit Hilfe von elektronischen Portfolios untersucht werden.

2 Die Konzeption schulpraktischer Studien an der Pädagogischen  Hochschule Wien

Die Gesellschaft der nächsten Jahre und Jahrzehnte
wird mehr denn je eine Lerngesellschaft sein.
 Für das Bestehen in dieser Gesellschaft wird es
 für jeden einzelnen Menschen von größter Bedeutung sein,
welche Qualität die Bildung hat, die er sich aneignet
(Schärer 2000: 11)

Eng mit dem Bestehen der Menschen in der Lerngesellschaft der Zukunft verbunden ist die Qualität der Lehrer/innen und - wiederum daran gekoppelt - die Qualität der Lehrerausbildung als „hauptsächlicher Bestimmungsfaktor für die Effektivität und die Effizienz eines Bildungssystems“ (Schärer 2000: 11). Bereits im Jahre 1992 wurde an der Vorgängerinstitution der Pädagogischen Hochschule Wien (PH Wien) die Schulpraktische Ausbildung durch Schulpraktische Studien ersetzt:

Mit dieser begrifflichen Änderung war (…) nicht nur ein Austausch von Bezeichnungen, sondern eine substantielle Veränderung intendiert, die Studierende als ‚lernende Subjekte’ in den Blickpunkt rückt und (…) reflektiertes Handeln in der Berufspraxis ermöglicht“ (Teml 2002: 21). 

Im Rahmen der Schulpraktischen Studien werden die Studierenden im Sinne einer möglichst umfassenden Berufsausbildung für die Tätigkeit als Unterrichtende und Erziehende qualifiziert. Die Schulpraktischen Studien begünstigen die Aneignung und Umsetzung von beruflichem Wissen und Können durch die Zusammenführung von Theorie und Praxis, fördern das Hineinwachsen der Studierenden in eine berufsspezifische Grundhaltung (Hornung-Prähauser & Wieden-Bischhof 2010: 247), unterstützen eine fortschreitende Professionalisierung auch im Verständnis eines beruflichen Selbstverständnisses und ermöglichen eine kohärente und kumulative Entwicklung der Kompetenzen der Studierenden und damit der zukünftig fertig ausgebildeten Lehrer:

Das Lehren ist ein Handwerk, das Lehrersein eine Existenzform. Das Handwerk ‚Lehren’, das man lernen muss, gedeiht umso besser (…), wenn die Existenzform ‚Lehrersein’ im doppelten Sinne wahrgenommen wird: erkannt und erfüllt. (…). Statt des Rufs nach mehr Praxisbezug hören Sie von mir den Ruf nach mehr Lebensbezug, oder besser (…) den Ruf nach mehr Leben (Hentig 2000: 70).

Keine pädagogischen Kochrezepte und keine unreflektiert übernommenen Theorien, sondern kritische Untersuchungen der Schulwirklichkeit bestimmen das Handeln. Studierende sollen dabei:
  • die Initiatoren und Organisatoren ihrer eigenen Lernprozesse sein,
  • zur kompetenten Bewältigung aller Aufgabenfelder des Lehrberufs qualifiziert werden,
  • Einblick in die schulische Alltagsarbeit gewinnen,
  • mehr Sensibilität für erzieherische und unterrichtliche Prozesse bekommen,
  • den Berufsalltag in seiner gesamten Vielfalt erleben,
  • eigenständige Lösungen zu unterrichtlichen und erzieherischen Problemen finden   und
  • ihre Berufseignung (Stress, Belastungen) permanent überprüfen können.

Die Schulpraktischen Studien stellen die Auffindung, Erprobung und Reflexion praktikabler Wege unter dem Aspekt größtmöglicher Selbstverantwortung der Studierenden in den Mittelpunkt. Zentrales Ziel ist es, die berufliche Handlungskompetenz der Studierenden im learning by reflective doing professionell aufzubauen und langfristig und zielgerichtet zu fördern.

In den Schulpraktischen Studien sollen Studierende:
  • sich mit Fragen des Lehrens und Lernens in der Schule auseinandersetzen,
  • Handlungskonzepte für Schule und Unterricht anbahnen und reflektieren,
  • sich für die Tätigkeit als Unterrichtende und Erziehende qualifizieren,
  • Unterricht beobachten, analysieren, planen, durchführen und auswerten,
  • schrittweise in eine berufsspezifische Grundhaltung hineinwachsen  und
  • die Basis schaffen, sich beruflich lebenslang weiterzubilden und zu entwickeln.

Kompetenz umfasst das, was ein Mensch wirklich kann und weiß, das heißt alle Fähigkeiten, Wissensbestände und Denkmethoden, die ein Mensch in seinem Leben erwirbt und zur Verfügung hat. In den Curricula der PH Wien wird durch eine Vernetzung systematischen Bildungs- und Begründungswissens mit reflektiertem Erwerb von Handlungsstrategien ein wissenschaftlicher Habitus angestrebt. Professionelle Handlungskompetenzen von Lehrern erfordern motivationale, volitionale und soziale Bereitschaften und Fähigkeiten, die nicht unmittelbar herstellbar sind.

Die Schulpraktischen Studien stellen zentrale Lernorte für Studierende dar. Dies ist evident. Zu untersuchen und festzumachen ist, wie und was in Praktika gelernt wird (vgl. Hascher 2011: 9).
Es bedarf der kontextsensitiven Theorieentwicklung, wie in Praktika gelernt wird und anhand welcher Kriterien ein erfolgreiches Praktikum gemessen werden kann. (Hascher 2011: 13)
Fortschritte und Entwicklungen, die Studierende im Laufe einer Veranstaltung – oder auch während eines längeren Studienzeitraums  machen, werden nicht nur dokumentiert, sondern sind für alle am Prozess Beteiligten durch die Verwendung eines e-Portfolios langfristig nachvollziehbar. Auch den Studierenden sind oft die eigenen Vorgehensweisen und Fortschritte nicht explizit bewusst, die langfristige Reflexion ihres individuellen Lernprozesses hilft ihnen auf diese Weise, Schwachstellen systematisch zu verbessern, Stärken auszubauen und Erkenntnisse auszuwerten. Die Ergebnisse weisen in erster Linie nicht auf die Mängel und Defizite hin.

3 Zur Verschränktheit von Regelunterricht, E-Portfolios und selbstorganisiertem Lernen in den Schulpraktischen Studien: die Bedeutung von Blended Learning

Grundsätzlich kann festgehalten werden, dass sich das Forschungsprojekt im Rahmen der Schulpraktischen Studien (Präsenz- und Online-Phasen) am aktuellen Forschungsstand im Bereich Blended Learning orientiert (Köhne 2005, Reinmann-Rothmeier 2003, Strasser 2011):
Blended Learning (engl. blender = Mixer) ist ein integriertes Lernkonzept, das die heute verfügbaren Möglichkeiten der Vernetzung über Internet und Intranet in Verbindung mit ‚klassischen’ Lernmethoden und –medien in einem sinnvollen Lernarrangement optimal nutzt (Sauter 2002: 66).
"Wörtlich übersetzt bedeutet Blended Learning vermischtes Lernen" (Strasser 2011: 37). Beim Blended Learning spielt die Verteilung bzw. Mischung eine relevante Rolle (Strasser 2011: 23): „Angesagt ist ein bunter, fein auf die Lernenden abgestimmter Methodenmix (Volkmer 2003: 19).“ Ferner konstatiert Strasser in Anlehnung an Köhne (2005):
Der allgemeine Methodenmix als solches kann durchaus als standardisierter Ansatz in der Didaktik angesehen werden und stellt auch in der Melange aus E-Learning-/Präsenzunterricht nichts Revolutionäres dar (Strasser 2011: 23).
Ausgehend vom jeweiligen Blickwinkel des Betrachters ist Blended Learning „[E]ine Bezeichnung dafür [ist], dass man traditionelle Methoden und Medien mit den Möglichkeiten des E-Learnings kombiniert“ (Reinmann-Rothmeier 2003, S. 30). Darüber hinaus „[…] beschreibt [Blended Learning] einen Ansatz, der E-Learning mit dem klassischen Lehr- und Lernrepertoire ohne Technikeinsatz ‚mischt’“ (Reinmann-Rothmeier 2003: 30).

Um den Begriff Blended Learning im Rahmen der Schulpraktischen Studien in einem methodisch-stringenten Kontext zu verankern, bedarf es zuallererst einer Bestimmung unterschiedlicher Einsatzszenarien (Strasser 2011: 24). „Grundsätzliche Überlegungen sind zum Beispiel, in welcher Sozialform der Blended Learning-Prozess initialisiert wird (Einzel-, Partner- und Gruppenlernen)“ (Strasser 2011: 24f).

Ferner ist die „[…] Übermittlungsform, das heißt die Art und Weise, wie Lehrer bzw. Tutor und Schüler miteinander interagieren, ein Variationspotenzial" (Köhne 2005: 11). „Als Übermittlungsform wird zwischen selbstgesteuertem, lehrerzentriertem oder tutoriell betreutem Lernen unterschieden“ (Köhne 2005: 11).

Vor allem der Bereich des digitalen, selbstorganisierten Lernens stellt für die Lehrerausbildung eine große Herausforderung dar, da neue Kulturtechniken erarbeitet und vermittelt werden. Durch diese neuen Techniken „[…] entwickeln sich neue Formen von Kontrolle und Selbstkontrolle“ (Meyer et al. 2011: 11). Hornung-Prähauser & Wieden-Bischof konstatieren:
Selbstorganisiertes Lernen wird als Strategie zur Umsetzung des von der EU geforderten „Lebenslangen Lernens“ angesehen und ist damit eine Herausforderung für den tertiären Bildungssektor (Hornung-Prähauser & Wieden-Bischof 2010: 247).
Selbstorganisiertes Lernen zeigt:
  • die Entwicklung zu einem mündigen Menschen, der Selbstbestimmung, Selbstverantwortung und Autonomie im Lernen entwickelt;
  • die Entwicklung von Handlungskompetenz bzw. Selbstständigkeit im Denken und Handeln (z.B. einschätzen können, wo welches Wissen zu finden ist und welches Wissen für welche Aufgabe gebraucht wird; Wichtiges von Unwichtigem unterscheiden können; Zusammenhänge herstellen und Unterschiede erkennen können);
  • die Entwicklung von Lernkompetenz (als Vorbereitung auf ein langes Berufsleben);
  • die Unterstützung der sozialen Kompetenz (Dimai 2005: 15 in: Hornung-Prähauser & Wieden-Bischof 2010:  247).


Ein evidentes Medium für die Entfaltung  des selbstverantwortlichen und selbstbestimmten Lernens (Reinmann 2011: 34) - vor allem bei den reflexiven Prozessen im Rahmen der Schulpraktischen Studien - ist das Prinzip des ePorfolios. Ein Querschnitt durch die bestehende wissenschaftliche Literatur konstatiert grundsätzlichen Konsens bei einem gewissen Mehrwertpotenzial von E-Portfolios:

E-Portfolios können die selbstbestimmte, selbstgesteuerte und eigenverantwortliche Kompetenzentwicklung der Lernenden unterstützen […] (Mayrberger 2011: 35f).

Die Etablierung einer forschungstechnischen Perspektive - also die Beforschung von selbstgesteuerten Lernprozessen vor allem im stark reflektiven Kontext der Schulpraktischen Studien der PH Wien - erscheint in Anbetracht unterschiedlicher Expertenmeinungen als durchaus legitim:

Es wird in Zukunft immer wichtiger werden, LernerInnen zu befähigen ihren eigenen Lernprozess selbst zu steuern. Autonome LernerInnen brauchen dazu Fertigkeiten auf einer Meta-Ebene; sie müssen Lernen lernen (Baumgartner 2008: 88).

Sowohl auf der offiziellen Homepage des Betreibers einer E-Portfolio-Anwendung (www.mahara.org) als auch in unterschiedlichster Forschungsliteratur wird der selbstgesteuerte Lernprozess unterstrichen:

Die E-Portfolio-Idee bietet Schülern, [Studierenden] wie Lehrern die Möglichkeit, einen […] kompetenzorientierten und individuellen Lernweg zu beschreiten (Hilzensauer & Buchberger 2008: 116).


4   E-Portfolio-Anwendungen und die Entscheidung für Mahara

Die international anerkannten E-Portfolio-Experten Baumgartner und Himpsl geben im Kontext einer E-Portfolio-Typisierung folgenden Überblick:
1.    Reflexionsportfolio (Bildungsportfolio):
•            Lernportfolio: Dieser Portfoliotyp ist auf die (innere) Entwicklung der Portfolioersteller ausgerichtet. Wesentlich für die Einteilung in diese Kategorie sind zwei Eigenschaften: Eigentümer und Ersteller sind identisch, und die Intentionen für die Führung dieses Portfolios sind hauptsächlich intrinsisch motiviert, werden also von den Eigentümern (Individuum oder Gruppe) festgelegt. Ein Kennzeichen des Lernportfolios ist es, dass die Aufgabenstellungen und Übungen selbst generiert werden. Reflexionen finden meist als Selbstevaluierungen statt.
•            Beurteilungsportfolio: Zwar hat dieser Portfoliotyp viele Ähnlichkeiten mit dem Lernportfolio, unterscheidet sich von diesem jedoch in zwei wesentlichen Eigenschaften: Das Portfolio wird speziell als Instrument zur Beurteilung von einer (Bildungs-)Institution verwendet und sowohl die Lernaufgabe als auch die Beurteilungs- und Bewertungskriterien werden von außen vorgegeben.
2.    Entwicklungsportfolio: So wie das Lernportfolio ist dieses ein Portfoliotyp, der den eigenen Entwicklungsprozess reflektiert. Zum Unterschied vom Lernportfolio zielt dieser Typ jedoch auf die Entwicklung der beruflichen Karriere (Laufbahn) ab und ist daher auf die äußere Entwicklung orientiert.
3.    Präsentationsportfolio: Dieser Grundtyp dient in erster Linie der Außendarstellung und ist naturgemäß auf Produkte orientiert (Baumgartner et al. 2009: 3f).

Das Hauptaugenmerk in diesem Forschungsprojekt wird auf das so genannte Entwicklungs- bzw. Reflexionsportfolio gelegt, da im Rahmen der Schulpraktischen Studien vor allem der Entwicklungsprozess und dessen Reflexion bei Studierenden im Vordergrund stehen.

Aus dem in kurzen Zügen abgerissenen Forschungsstand zu Blended Learning-Szenarien und E-Portfolios wird ersichtlich, dass die Verknüpfung von digitalen, fachspezifischen und hochschulcurricularen Anforderungen notwendig ist und somit ein geeignetes Medium zur Erleichterung dieses Fusionsprozesses gefunden werden muss. Hier bietet sich Mahara als Blended-Learning-Tool im schulpraktischen Kontext an. Mahara als E-Portfolio dient zur „[…] Erfassung und Beschreibung von Fähigkeiten in verschiedenen Kompetenzfeldern […] und unterstützt bei der „Erfassung von Lernfortschritten“ (Hascher 2007: 297ff. in: Hornung-Prähauser 2010: 249).

Seit dem WS 2010 / 2011 arbeiten ausgewählte Gruppen im Rahmen der Schulpraktischen Studien mit Mahara, um unterschiedliche Aspekte von dessen Kompetenzorientiertheit zu ermitteln. Sämtliche Impressionen zur Implementierung und Rezeption der Software werden von Lehrenden dokumentiert und in intensiven Reflexionsphasen diskutiert. Ferner haben  bereits hausinterne Fortbildungen für Praxislehrer und Praxisbetreuer stattgefunden, die das Ziel verfolgten, diverse Implementierungsprozesse und eine gewisse positive Rezeption zu forcieren. Auch die Studierenden des 1. Semesters absolvierten gezielte Schulungen zu Mahara, um mit den konzeptionellen und technischen Basics ausgestattet zu werden.

Die Entscheidung für Mahara als geeignete E-Portfolio-Software für die PH Wien ergibt sich aus einer Expertenbewertung in Baumgartner (2009), bei der folgende Kriterien zur Evaluation verwendet wurden, die auch für die Schulpraktischen Studien eine große Bedeutung haben:
  • ·   Sammeln, Organisieren und Selektieren[2]


Einfacher Dateiimport (*), Komfortabler Datenimport (#), Suchen, Sequenzieren und Filtern (#), Annotationen zu Daten (#), Aggregieren (Integration von externen Daten über Feeds) (+), Versionskontrolle von Dateien (#)

  • ·  Reflektieren, Prüfen, Nachweisen und Planen           
Vorlagen zur Reflexion (#), Vorlagen für Kompetenzen (#), Vorlagen für Evaluation - Selbstbeurteilung, Fremdbeurteilung (#), Vorlagen für Ziele, die persönliche Entwicklung und Karriereplanung (#), Vorlagen für Feedback - Ratschläge, Tutoring, Mentoring (#)

  • ·  Darstellen und Publizieren

Zugriffskontrolle durch den User - owner, peers, authority, public (*), Anpassung der Darstellung: Layout (#), Anpassung der Darstellung: Farben, Schriften, Design (#), Veröffentlichung mehrerer Portfolios bzw. unterschiedlicher Sichten (#)
  • ·   Administrieren, Implementieren, Adaptieren

Entwicklungspotential des Anbieters/der Anbieterin, Unternehmensprofil (#), Technische Voraussetzungen (#), Authentifizierung und Benutzerverwaltung (#), E-Learning-Standards (#), Migration/Archivierung/Export (*)

  • ·   Usability

Bedienoberfläche (*), Syndizieren (#), Zugänglichkeit, Barrierefreiheit (*), Orientierung/Einschulung/Hilfen (#), Externe und interne Benachrichtigungsfunktion (#), Austauschbare, anpassbare benutzer/innendefinierte Vorlagen (#) Persönliche Archiv- bzw. Exportfunktion (*)  (Baumgartner et al. 2009: 8f).

Diese fünf Kategorien stellen die essenziellsten Eigenschaften von E-Portfolios dar. In der folgenden Tabelle (Baumgartner et al. 2009: 10) ist die Leistungsfähigkeit von Mahara klar ersichtlich, das in allen Kategorien ausschließlich ein empfehlenswert bzw. sehr empfehlenswert erzielt:

5   Das Forschungsprojekt

Ausgehend von dem Forschungsinteresse, sich der Induktionsphase in der Lehramtsausbildung neu von Seiten des selbstorganisierten Lernens zu nähern und dabei die methodische und curriculare Einbettung der Selbstreflexion zu analysieren, wurden die Ziele des Forschungsprojektes[3] auf den Bereich des Blended-Learning-Settings unter Verwendung von Mahara-E-Portfolios gelegt.

Das Forschungsinteresse lag dabei in der Frage, ob mit Hilfe von E-Portfolios ein Mehrwert in der Ausbildung von Lehramtsstudierenden, vor allem im Bereich der Schulpraktischen Studien, erzielt werden kann (Strasser 2011: 15). Dabei stand die Frage nach dem notwendigen Aufwand, dem zu erzielenden Nutzen und deren Verhältnis zueinander - sowohl für Studierende als auch für Lehrende - im Vordergrund.

Die Zielsetzungen des Forschungsprojektes waren in vier Abschnitte eingeteilt, die singulär thematisch einen spezifischen Forschungsfokus konstatierten, jedoch kohärent an das Themenfeld des Folgesemesters anknüpften.

Das Hauptaugenmerk im 1. Semester lag auf der Erhebung der technischen Implementierungsprozedur von Mahara im Rahmen der Schulpraktischen Studien und der grundsätzlichen valutativen Rezeption bei den Studierenden und Lehrenden.

Diesbezüglich wurden für das 1. Semester zwei Ziele und, auf diese bezogen, die folgenden Forschungsfragen festgelegt.

  • ·  Die Dokumentation des technischen und administrativen Vorlaufes hinsichtlich der Implementierung der Software am Institut für Schulpraktischen Studien:
    • Welche administrativen Herausforderungen werden im Zuge der Implementierung im 1. Semester Schulpraxis von Mahara erkannt?
    • Welche fördernden bzw. hemmenden Faktoren gibt es bei der technischen Implementierung?
  • Die Erhebung der Akzeptanz von Mahara bei den Studierenden und Lehrenden mittels Online-Umfragetool und anschließender Auswertung:
    • Wie wird Mahara von den Studierenden auf allgemein-rezeptorischer Ebene (subjektiver Eindruck von Mahara) in Bezug auf folgende Faktoren hin angenommen (Akzeptanz)?
      • Einführung durch die Lehrenden
      • Nutzerfreundlichkeit der Anwendung
      • Nutzung zur internen Kommunikation und Kollaboration mit anderen Studierenden
      • Förderung des selbstgesteuerten Lernens
o   Wie bewerten die Studierenden den Einsatz von Mahara im schulpraktischen Kontext, vor allem in Bezug auf die Anwendbarkeit des Portfolios für selbstreflexive Prozesse?

Neben einer interpretativen Analyse der Umfrage wird in der weiteren Folge ein anwendungsorientiertes Handbuch zur didaktischen Implementierung von Mahara für den Einsatz in den Schulpraktischen Studien erstellt. Dieses Handbuch versteht sich als Nachschlagewerk, bei dem Tipps und Tricks zur technischen und didaktischen Implementierung von Mahara im Rahmen der Schulpraktischen Studien für Lehrende und Studierende zur Verfügung gestellt werden[4].

Der Fokus im 2. Semester wurde auf die Darstellung der didaktischen Vielseitigkeit von Mahara-Applikationen gelegt. Ferner wurde versucht, kontrastive Evaluierungsprozesse hinsichtlich der didaktischen Effektivität der einzelnen Tools (z.B. Forum, Gruppen, Nachrichtenfunktion, Artefakte) herauszuarbeiten.

Dafür wurden als Ziele - und im Weiteren folgende Fragen - formuliert.
  • Die Erfassung der methodisch-didaktischen Vielseitigkeit von Mahara durch Analyse der curricularen Anwendungen durch Lehrende:
    • Welche Mahara-implementierten Tools können zu Didaktisierungsprozessen hinsichtlich Lehrveranstaltungsdesign und selbst-reflektierten Prozessen von Studierenden / Lehrenden förderlich sein? Konkret wird unter anderem untersucht, inwieweit Foren für gruppendynamische Übungen bei den unterschiedlichen Schulpraxisgruppen eingesetzt werden und in welcher Weise das Mahara-interne Feedbackmodul für die Schulpraktische Lehrveranstal-tung effizient eingesetzt werden kann bzw. ob und in welcher Weise Mahara-interne Tools für Studierende und Lehrende förderlich sind.
    • Gibt es einen expliziten Mehrwert durch Reflexionsprozesse mit Mahara?
·    Eine kontrastive Analyse der Anwendungsmöglichkeiten von Mahara-Tools bei Studierenden aller Studiengänge.

o        Welche Mahara-implementierten Tools werden von den Studierenden im selbst-reflexiven Performanzbereich bevorzugt? Was unternehmen Studierende innerhalb von Mahara, um ihre Reflexionen zu dokumentieren und zu analysieren?

Als Folgeaufgabe wird aufgrund der methodisch-didaktischen Vielseitigkeit von Mahara eine hausinterne Fortbildung für Lehrende an der Pädagogischen Hochschule Wien durchgeführt.

Das 3. Semester wird auf analytischer Ebene die Rolle der curricular geforderten Kompetenzorientiertheit bei Studierenden und Lehrenden im Kontext von Mahara erfassen.

Für das 3. Semester wurden die folgenden Forschungsziele und Forschungsfragen entwickelt.

  • Vorrangig ist dabei die Erfassung des unterstützenden Charakters von Mahara. Dabei werden Studierende mittels Interviews zu einer Selbsteinschätzung hinsichtlich der Entwicklung ihrer curricular-manifestierten Kompetenzen - vor allem der im Curriculum der PH Wien vorgesehenen Methodenkompetenz - befragt.
    • Inwieweit unterstützt Mahara aus der Sicht der Studierenden aller Studiengänge der Schulpraktischen Studien die Entwicklung ihres professionellen Habitus unter Berücksichtigung der curricular-manifesten Kompetenzen (d.h. im Curriculum der PH Wien festgelegte Kompetenzen)?
    •  Inwieweit unterstützt Mahara aus der Sicht der Lehrenden in den Schulpraktischen Studien die Entwicklung der Studierenden aller Studiengänge im Hinblick auf die Entwicklung des professionellen Habitus auf der Basis der curricular-manifesten Kompetenzen?
  • Erhebung der Fremdeinschätzung bezüglich der Kompetenzentwicklung bei Studierenden durch Lehrende der Schulpraktischen Studien durch Interviews.
Die aus den Auswertungen gewonnenen Ergebnisse bzw. Erkenntnisse können als Folgeaufgabe zu einer Erweiterung bzw. Veränderung des Kompetenzkataloges[5] führen.
Das 4. Semester wird vor allem auf disseminativer Ebene fungieren. Gewonnene Forschungseinsichten bezüglich der Vor- und Nachteile von Mahara werden im schulpraktischen Einsatz im Rahmen einer offenen Mahara-Instanz für die Öffentlichkeit (Pädagogische Hochschulen österreichweit, Fachhochschulen, Universitäten) präsentiert. Dadurch soll ein wissenschaftlich-reflektierter Diskurs (Erfahrungsaustausch, Expertisen) angeregt werden.

Zum Ziel wurde die Konzeption und das Design einer frei zugänglichen Mahara-Instanz zur Präsentation der Forschungsergebnisse, von Empfehlungen zur technischen und didaktischen Implementierung der Software im tertiären Ausbildungsbereich und zur Forcierung des wissenschaftlich multiplizierenden bzw. reflektiven Diskurses erklärt.

Die sich aus dem Diskurs möglicherweise entwickelnden Desiderata bezüglich eines didaktischen Erweiterungspotenziales der Software im schulpraktischen Ausbildungsbereich werden als Folgeaufgaben bearbeitet.

Während der Projektplanung wurden bereits die zu erwartenden, fördernden bzw. hemmenden Faktoren zur Zielerreichung mitbedacht. Dabei wurde zwischen externen Faktoren - Personen und Komponenten - unterschieden, welche nicht unmittelbarer, direkter und fixer Teil des Forschungsprojektes sind, und internen Faktoren, welche unmittelbarer, direkter und fixer Teil des Forschungsprojektes sind.

Gerade für das 1. und 2. Semester besteht die Gefahr einer technischen Überforderung bei der Anwendung der didaktischen Tools von Mahara. Derartige technische Probleme können selbstverständlich auch innerhalb der Projektgruppe auftreten. Zudem kann es beim Auftreten von Mahara-internen Fehlern zu anstrengenden und langwierigen Fehlerbehebungsprozessen kommen. Des Weiteren können bereits bestehende Ressentiments, Ängste sowie der Unmut des Kollegiums und der Studierenden gegenüber der Software und digitalen Lernumgebungen im Allgemeinen bzw. die nunmehrige Notwendigkeit der Anwendung von Mahara ebenfalls als Hemmfaktoren auftreten.

Als unterstützend für die Ziele des 1. Semesters hingegen kann sich das Interesse der Pädagogischen Hochschule Wien an den Erfahrungsberichten zur technischen Vereinfachung und zu technischen Problemen bei den Implementierungsprozessen der Software auswirken. Eine zu erwartende Kosten- und Zeitersparnis durch den Wegfall der Druckkosten der Praxismappe[6], die Entlastung der Lehrenden durch den Wegfall der Praxismappe und die Steigerung der technischen Expertise in der Projektgruppe zum Einsatz von Mahara werden ebenfalls als fördernde Faktoren erwartet.

Während des 2. Semesters können bei den Studierenden über den als nützlich zu erfahrenden Austausch von Arbeitsunterlagen und die Erkenntnis eines Professionalisierungsfortschrittes sowie durch eine kontinuierliche, strukturierte digitale Dokumentation fördernde Faktoren entstehen. Intern wiederum führen die gesammelten Erfahrungen hinsichtlich der Effizienz im Umgang mit den didaktischen Tools im praktischen Setting ebenfalls zu fördernden Einflüssen.
Durch die Verbindung von Theorie mit der Praxis ist gerade bei den Studierenden die Schaffung einer gesteigerten Motivation möglich. Ein hemmender Faktor könnte hingegen sein, dass die Studierenden möglicherweise keinen Mehrwert in deren Kompetenzerweiterung erkennen. Ursache hierfür könnte eine ungenügende Behandlung des Themas der Entwicklung der Kompetenzen mittels E-Portfolios bzw. einer Vernachlässigung des Einsatzes von Mahara im Allgemeinen sein.

Bei den Lehrenden würde sich ein Erkennen von Synergieeffekten zu den curricular geforderten Kompetenzen durch den Einsatz von Mahara fördernd, hingegen eine Negierung von digitalen Medien als essentiellem Punkt in der Curricularverordnung hemmend auswirken.
Für das Projektteam ist eine Bewusstseinsbildung der hohen Relevanz von digitalen Medien - speziell von E-Portfolios - im Rahmen der Curricularverordnung und, daraus folgend, eine intensive Auseinandersetzung und die Entwicklung einer Expertise zu erwarten. Als hemmend könnte sich jedoch - entgegen den theoretischen Erkenntnissen der Bedeutung von digitalen Medien für das Curriculum - die praktische Ernüchterung erweisen, dass Neue Medien zwar teilweise gefordert, jedoch von den Lehrenden noch immer nicht in ihren Lehrveranstaltungen und von den Studierenden noch immer nicht im schulpraktischen Kontext eingesetzt werden.



6 Steigerung der Sprachenkompetenz von EFL-Studierenden mit Mahara


6.1 Wissenschaftliche Verankerung der E-Portfolio-Arbeit beim Fremdsprachenlernen


Eine Anzahl von 62 Studierenden (Studienjahr 2011/2012), die mit der elektronischen E-Portfolio-Software im Rahmen der Schulpraktischen Studien an der PH Wien arbeiteten, belegten das Erstfach Englisch (Lehramt für Haupt- und Mittelschulen). Es bestand somit ein explizites Forschungsinteresse daran, bei angehenden Lehrern die Rolle des Fremdsprachenerwerbs bzw. der Steigerung der Fremdsprachenexpertise im persönlichen und unterrichtstechnischen Kontext genauer zu beobachten. Grundsätzlich kann davon ausgegangen werden, dass ein reger wissenschaftlicher Diskurs zur E-Portfolio-Arbeit durchaus evident ist (z.B. Baumgartner 2008, Meyer et al. 2011).

Im Bereich des Fremdsprachenerwerbes konstatiert Bellingrodt:
Auch für das fremdsprachliche Lernen existieren inzwischen elektronische Modelle. Deren praktischer Einsatz wurde zwar vereinzelt erprobt, bislang aber nicht empirisch untersucht. Die Entwicklung dieser Modelle wird zudem meist von denselben oben genannten pädagogisch-didaktischen Argumenten getragen; einen möglichen Mehrwert, der sich speziell für den Bereich des fremdsprachlichen Lernens ergibt, gilt es also erst noch zu identifizieren (Bellingrodt  2011: 18).
In dem Forschungsprojekt der Pädagogischen Hochschule Wien wird somit unter anderem versucht, die fremdsprachliche Komponente der E-Portfolio-Arbeit im Rahmen der Schulpraktischen Ausbildung zu betonen. Die folgenden Best-Practice-Beispiele sollen unterschiedliche Strategien gesteuerter und selbstorganisierter Prozesse zur Sprachkompetenzoptimierung bzw. –remedialisierung bei Lehramtsstudierenden mit dem Erstfach Englisch darlegen. Grundlage für die Didaktisierung der Sprachenlernprozesse bilden die tasks aus Murphys Mahara Cookbook 1.4. (2011).

6.2  Best Practice

6.2.1  Das „A Thought a Day“-Journal

Mahara bietet die Möglichkeit zur Implementierung von Internettagebüchern in Form von Blogs. Im Rahmen der E-Portfolio-Arbeit werden die Studierenden dazu eingeladen, einen Gedanken des Tages zu posten:

With this recipe, we will use a journal to create a Daily Reflection book-like journal (Murphy 2011: 47).

In Abb. 2 ist ersichtlich, dass Studierende innerhalb des Blogs über gewisse Themen reflektieren sollen.

Im Vordergrund steht hierbei nicht eine aufgabenspezifische Reflexion, die auf das Berufsbild Pädagoge beschränkt ist, sondern vielmehr die produktive fremdsprachliche Fähigkeit des Schreibens im informellen Kontext. Eine Aufgabe besteht darin, dass Studierende im Laufe ihres Studiums kontinuierlich sämtliche formellen und informellen reflexiven Vorgänge, Überlegungen bzw. Prozesse im Kontext eines zeitgeistigen Blogs – also einer Technologie, die grundsätzlich einen aktuellen modus operandi zur Informations- bzw. Gedankenverarbeitung darstellt  verarbeiten und auf Englisch publizieren. Durch die bewusste restriktionsfreie Vorgabe des eigentlichen Reflexionsprozesses im Segment des Blogs können sich Studierende auf die sprachliche Komponente des Eintrages konzentrieren. Hinsichtlich der Komponente der Rückmeldung bzw. Feedbackgebung zum Inhalt und zur Sprache des Blogs, bietet die Kommentarfunktion des Blogs eine einfache Möglichkeit, den aus diskursiver Sicht monodirektionalen Prozess des Verfassens eines Blogeintrages auf eine multilaterale Ebene zu heben, da Kommilitonen in der weiteren Folge den originär verfassten Eintrag kommentieren und Rückmeldungen dazu abgeben  können. Ein  weiteres  erklärtes  Ziel



des Blogs in Mahara ist es, dass Studierende bereits nach einer minimalen Anzahl an Blogeinträgen - im Idealfall nach einigen Semestern - eine informelle Reflexions- und Sprachentwicklungs-Chronologie darüber erhalten, welche (un)gesteuerten Gedanken – auf Englisch formuliert - sie sich im Laufe ihrer Studienzeit gemacht haben.

6.2.2  Kommunikation und Feedback in Gruppen

Die Gruppenfunktion in Mahara bietet eine gute Möglichkeit, sich z.B. innerhalb eines Forums mit peer groups über fachspezifische bzw. persönliche Themen auszutauschen. Der Fachbereich Englisch teilt jedes Semester sogenannte Mahara-Peer-Groups ein, d.h. die Studierenden arbeiten für ein Semester im Team zusammen, um gemeinsam Unterrichtsstunden zu planen oder sich über fachdidaktische Texte auszutauschen. Auch für das Forum innerhalb der Gruppe steht für den Fachbereich - neben der fachspezifischen Diskussion - vor allem die sprachlich-produktive und rezeptive Performanz im Vordergrund:


Im Rahmen einer Mahara-Peer-Group erhalten die Studierenden unterschiedliche fachbezogene Arbeitsaufträge. Im konkreten Beispiel wurde den Studierenden ein Link zu einem in englischer Sprache verfassten fachdidaktischen Artikel zur Verfügung gestellt, den sie im Selbststudium genau lesen und interpretieren sollten. Basierend auf ihrem methodischen Zugang, sollten mindestens drei Argumente in sprachlich kohärenter und weitestgehend korrekter Form im Forum platziert werden, um einen fachspezifischen Diskurs innerhalb der peers zu initiieren, welcher mit Hilfe der Reply-Funktion durch eine gegenseitige Feedbackgebung bzw. Konterkarierung der jeweiligen Argumente elaboriert wurde. So gesehen lag der Fokus dieser Aufgabe auf folgenden Komponenten:
  • Fremdsprachliche Rezeption und Produktion (Lektüre und Erarbeitung eines englischsprachigen fachdidaktischen Textes bzw. Artikulation von sprachlich-kohärenten Argumentationslinien in der Fremdsprache im fachdidaktischen Kontext);
  • Entwicklung von argumentativen Diskursstrategien im fremdsprachlichen Kontext (d.h. kohärent und fachlich stringent auf die Meinung anderer eingehen);
  • Pflege einer unterstützenden Feedback-Kultur in der Fremdsprache (Wertschätzung der Argumentationslinien der peers);
  • Möglichkeit der sprachlichen Remedialisierung bzw. Korrektur der peers oder des Professors (durch Hinweise auf sprachliche Defizite im Forum oder idealerweise durch die private messaging-Funktion auf Mahara).

Der Mehrwert im Sinne einer Elaboration bzw. Professionalisierung der produktiven und rezeptiven fremdsprachlichen Kompetenz mit Hilfe des Forums ist auf Grund der oben genannten Aspekte evident. Die Arbeit mit Mahara-Foren beinhaltet die folgenden Möglichkeiten:
flexible, kontextbasierte Ergänzung, Austausch und Verwendung der Portfolioinhalte für verschiedene Zwecke. [...] [und eine] Initiierung und Dokumentation von Gruppenlernprozessen durch die Nutzung von webbasierten Kommunikationstools und kollaborativen Lernumgebungen (Hornung-Prähauser & Wieden-Bischof 2010: 249).

7   Resümee und Ausblick

Die Pädagogische Hochschule Wien befindet sich hinsichtlich einer stringenten, studienübergreifenden Implementierung von E-Portfolios im Studienbetrieb in der Startphase. Grundsätzlich kann davon ausgegangen werden, dass für den Einsatz digitaler Portfolio-Arbeit folgende Überlegungen zu treffen sind, die hier in Form von Fragen formuliert werden:
  • Eignet sich mein Studienfach- / Wissensgebiet für offene Portfolioarbeit?
  • Wann ist der richtige Zeitpunkt im Studienverlauf für die Arbeit mit E-Portfolios (deutlicher Mehrwert für meine Zielgruppe)?
  • Welche Vorerfahrung in der methodischen Portfolioarbeit haben die akademischen E-Portfolio-AnwenderInnen? (Wie gut sind sie z.B. im Reflexionsprozess mit den Regeln des "Feedback Geben und Empfangen" vertraut?)
  • Welche E-Portfolio-Software und Ausgabemedien sind für meine Zielgruppe geeignet? Wie ist das Verhältnis zwischen IT-Kompetenzen und dem sich rasch entwickelnden E-Portfolio Softwaremarkt und / oder Open Source Bereich?
  • Welche Strategie hat die durchführende Institution zur Sicherung der E-Portfolio-Daten? (Hornung-Prähauser / Wieden-Bischof 2010: 252).

Im Hinblick auf eine grundsätzliche Beantwortung dieser Fragen konstatieren Hornung-Prähauser & Wieden-Bischof:

Antworten auf diese Fragen zu finden, ist sehr wichtig für eine Verbreitung des E-Portfoliokonzeptes, das über den Status von Pilotprojekten hinausgeht. (Hornung-Prähauser & Wieden-Bischof 2010: 252)

Das PH-interne Forschungsprojekt versteht sich als Pilotprojekt, jedoch konnten im Zuge intensiver Arbeiten mit Mahara grundsätzliche Antworten auf einige der oben formulierten Fragen gefunden werden. Die Begründung der Wahl der Studienfächer, in denen die Studierenden mit Mahara arbeiten sollten, war zu Beginn des Forschungsprojektes eine pragmatische. Es wurde eine Gruppe von freiwilligen, den Neuen Medien aufgeschlossenen Professoren unter der Leitung eines Mitarbeiters mit einschlägiger Expertise in digitalen Lerntechnologien mit der E-Portfolio-Arbeit betraut. Es ergab sich somit ein Pool aus vier Professoren, die in den Lehramtsstudien Volksschule Gegenstand Deutsch und Mathematik und Hauptschule Englisch und Geschichte mit Mahara arbeiten[7]. Da die Pädagogische Hochschule Wien eine langjährige Tradition im Bereich der professionalisierten Reflexion pflegt, konnten Hornung-Prähausers (2010: 252) Aspekte des „Feedback Gebens und Empfangens“ auch in Mahara auf authentische Art und Weise implementiert werden. In der Frage des richtigen Zeitpunktes des Beginns mit der E-Portfolio-Arbeit im Studienbetrieb entschied sich die Pädagogische Hochschule dafür, im Sinne einer frühestmöglichen Dokumentation (d.h. elektronische Speicherung der Artefakte) sämtlicher Professionalisierungsmaßnahmen und der Pflege einer additiven, digitalen Reflexionskultur im Blended Learning-Kontext (d.h. Reflektieren zusätzlich zu den Präsenzveranstaltungen) erst nach Absolvierung mehrstündiger Workshops zur Bedienung von Mahara für Studierende und Professoren in den ausgewählten Studienbereichen schon ab dem 1. Semester zu beginnen. Neben der kontinuierlichen Arbeit mit E-Portfolios im Studienbetrieb, vor allem zur Elaboration eines Reflexions- und Entwicklungsportfolios, sollen halbjährliche messmethodische Erhebungen (z.B. Fragebögen, Experteninterviews) wissenschaftliche Einsichten vor allem im Bereich der Allgemeinrezeption (Studierende, Lehrende) und der kohärenten Didaktisierungsmöglichkeiten (z.B. didaktische Einsatzmöglichkeiten von Gruppen, Blogs, Foren, Dateienverwaltung, Plänen) von Mahara liefern. Ein weiteres erklärtes Ziel des Forschungsprojektes ist es, die gewonnenen Einsichten und Best Practice-Beispiele für den tertiären Bildungsbereich zu disseminieren. Erfahrungsberichte und zahlreiche Publikationen im Bereich der E-Portfolios (Meyer et al. 2011, Sauter 2002, Baumgartner 2008, Baumgartner et al. 2009) werden dabei zur Gewährleistung wissenschaftlicher Stringenz herangezogen.



Bibliographie


Baumgartner, Peter (2008). Eine neue Lernkultur entwickeln: Kompetenzbasierte Ausbildung mit Blogs und E-Portfolios. In: Hornung-Prähauser, Veronika /  Luckmann, Michaela (Hrsg.). Selbstorganisiertes Lernen im Internet. Einblick in die Landschaft der webbasierten Bildungsinnovationen. Innsbruck: Studienverlag, 88-92.

Baumgartner, Peter / Himpsl, Klaus / Zauchner, Sabine (2009). Einsatz von E-Portfolios an (österreichischen) Hochschulen. Teil 1. (Hrsg.) v. bmwf. Wien. Online verfügbar unter http://www.peter.baumgartner.name/schriften/publications-de/schriften/publications-de/pdfs/e-portfolio-projekt-zusammenfassung.pdf.

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      http://bmwf.gv.at/fileadmin/user_upload/paedagoginnenbildung_neu/labneu_endbericht.pdf.

 Hascher, T. (2011). Vom Mythos Praktikum ... und der Gefahr verpasster Lerngelegenheiten. In: Journal für Lehrerinnen- und lehrerbildung 3 / 2011, 8-15.

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Köhne, Sandra (2005). Didaktischer Ansatz für das Blended Learning: Konzeption und Anwendung von Educational Patterns. Dissertation zur Erlangung eines Doktors der Wirtschaftswissenschaften. Universität Hohenheim. Hohenheim. Online verfügbar unter http://opus.ub.uni-hohenheim.de/volltexte/2006/123/pdf/Koehne_EducationalPatterns.pdf (03.01.2012).


Mayrberger, Karin (2011). Selbstbestimmung und Selbststeuerung. In: Meyer, Torsten / Mayrberger, Stephan / Münte-Goussar, Kerstin / Schwalbe, Christina (Hrsg.). Kontrolle und Selbstkontrolle. Zur Ambivalenz von E-Portfolios in Bildungsprozessen, 35-36.

Meyer, Torsten / Mayrberger, Kerstin / Münte-Goussar, Stephan / Schwalbe, Christina (Hrsg.) (2011). Kontrolle und Selbstkontrolle. Zur Ambivalenz von E-Portfolios in Bildungsprozessen.

Murphy, Ellen Marie (2011). Mahara 1.4 cookbook. Over 50 recipes for using Mahara for training, personal, or educational purposes. Birmingham, U.K: Packt Pub.

Reinmann, Gabi (2011). Selbstbestimmung und Selbststeuerung. In: Torsten Meyer / Mayrberger, Kerstin / Münte-Goussar,  Stephan / Schwalbe, Christina (Hrsg.). Kontrolle und Selbstkontrolle. Zur Ambivalenz von E-Portfolios in Bildungsprozessen, 34-35.

Reinmann-Rothmeier, Gabi (2003). Didaktische Innovation durch Blended Learning: Leitlinien anhand eines Beispiels aus der Hochschule. Bern: Huber.

Sauter, Werner / Sauter, Annette (2002). Blended Learning: Effiziente Integration von E-Learning und Präsenztraining. Neuwied: Luchterhand.

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Teml, H. (2002). Von der Schulpraktischen Ausbildung zu den Schulpraktischen Studien. In: Klement, K.  / Lobendanz, A. / TEML, H. (Hrsg.): Schulpraktische Studien. Innsbruck, 9-32.

Volkmer, R. (2003). Blended Learning: Synergieeffekte durch den richtigen Methoden- und Medienmix. In: Wissensmanagement 1, 19-21.





[1] V gl. www.mahara.org; 23.10.2012.
[2]  Legende: * äußerst wichtig, # sehr wichtig, + wichtig
[3]  PH-internes Forschungsprojekt; Laufzeit: 4 Semester; Beginn: WS 2012/12. Titel: Die Rolle des kompetenzorientierten Lernens im Kontext der ePortfolioarbeit am Beispiel der Schulpraktischen Studien an der Pädagogischen Hochschule Wien – Mahara als technischer Hindernislauf oder supportive methodische Perspektive?
[4]  Das Handbuch ist erhältlich unter: mahara.phwien.ac.at. (31.10.2012).
[5]  Der Kompetenzkatalog – also die Auflistung der im Rahmen der Schulpraktischen Studien an der PH Wien zu erwerbenden Kompetenzen (vereinfacht formuliert) - ist erhältlich unter: http://www.phwien.ac.at/fileadmin/Benutzerdateien/Menuepunkt_Ausbildung/Menuepunkt_Ausbildung_SPS/A-Z/Kompetenzenkatalog.pdf; 31.10.2012.
[6]  Die Praxismappe ist eine ausgedruckte Sammlung der im Rahmen der Schulpraktischen Studien zu erbringenden Leistungen (z.B. Reflexionen und fachspezifische Aufgaben)
[7]  Diese Daten beziehen sich auf den Zeitpunkt der Erstellung des vorliegenden Artikels (Januar 2012). Mittlerweile verwenden 14 Professoren (Bereiche Volksschule, Hauptschule und Sonderschule) und etwa 180 Studierende Mahara im Rahmen der Schulpraktischen Studien (Stand 31.10.2012).