Wortschatz- und Hörverstehenskompetenzen von
Französischlehrern und -studierenden
Christoph Bürgel (Osnabrück) / Dirk
Siepmann (Osnabrück)
Abstract (English)
This
paper presents a study designed to ascertain the real linguistic competence of
German teachers of French and Master students of French. The study has
initially been restricted to receptive lexical competence and listening
comprehension competence. The results reveal a disturbing picture, with the
majority of students being far from attaining competence level C1 / C2. The
teachers’ lexical competence and listening comprehension skills turned out to
be deficient as well.
Key
words: Language competence, lexical
competence, listening comprehension, students of French, teachers of French
Abstract (Deutsch)
Der Beitrag berichtet
von einer Studie zur Ermittlung der Sprachkompetenzen von
Französischstudierenden des Master of Education und gymnasialen
Französischlehrern. Die Studie beschränkt sich auf die rezeptive
Wortschatzkompetenz und die Hörverstehenskompetenz. Die Ergebnisse zeigen ein
ernüchterndes Bild: Die Mehrheit der Master-Studierenden ist vom
Kompetenzniveau C1 / C2 weit entfernt. Auch die Wortschatz- und
Hörverstehenskompetenz der Lehrer ist defizitär.
Stichwörter: Sprachkompetenz,
Wortschatzkompetenz, Hörverstehenskompetenz, Französischstudierende,
Französischlehrer
1 Einleitung
Im vorliegenden Beitrag wird von einer Studie zur
Ermittlung der Sprachkompetenzen von Französischstudierenden des Masters of
Education und gymnasialen Französischlehrern berichtet[1].
Dieser Sprachstandstest ist vor allem durch den zur Zeit defizitären
Forschungsstand zu Sprachkompetenzen von Französischstudierenden und -lehrern
motiviert. Das kurzfristige Ziel besteht deshalb darin, Daten zu
Sprachkompetenzen – und insbesondere zur Wortschatz- und Hörverstehenskompetenz
– der genannten Personengruppen zu erheben. Mittelfristig sollen weitere
fremdsprachliche Kompetenzen getestet werden, um langfristig verbindliche
Angaben und Ziele zu sprachlichen Mitteln und kommunikativen Fertigkeiten in
universitären Lehrplänen bzw. Prüfungsordnungen zu verankern.
Bei diesem Vorhaben gehen wir von der Prämisse aus, dass
die inzwischen recht vorbehaltlose Umsetzung des Gemeinsamen Europäischen
Referenzrahmens für Sprachen (GER) in Bildungsstandards und Lehrplänen zu einer
Überbetonung des
Fertigkeitsaspekts beim Fremdsprachenlernen führt. Wie Abel (1992: 8f; 2002:
14) bemerkt, bilden Lerner jedoch Fertigkeiten nur in dem Maße aus, in dem sie
über die erforderlichen sprachlichen Mittel verfügen. Auch oder gerade auf dem
höchsten Sprachlernniveau ist dieser Zusammenhang besonders evident. Nehmen wir
zum Beispiel einen Auszug aus einer Radiosendung, die bei uns als Hörverstehenstest fungiert hat. In
dieser Sendung wird eine fiktive Person namens Gilbert Létron erwähnt. Wem nun étron als lexikalische Einheit unbekannt
ist, dem wird die – zugegebenermaßen etwas grobe – humoristische Note, die sich
hinter dem Namen verbirgt, völlig entgehen.
Es
lässt sich daher nicht leugnen, dass wir mit einem rein strategieorientierten,
individualisierten Ansatz den Lernenden die Antwort auf die auch vom GER
(Europarat 2001: 6.4.7.2) aufgeworfene Frage schuldig bleiben, was und wie viel
an Wortschatz zu lernen ist:
Es muss möglich sein, dem Lerner des Französischen zu sagen, wie viele
Wörter [bzw. in produktiver Sicht: Kollokationen, d. Verf.) er zu lernen hat
und welche, um sich als kompetenter Rezipient [bzw. Produzent, d. Verf.) der
französischen Sprache fühlen zu dürfen. Denn Aussagen des Typs 'Du musst ein
Leben lang lernen!' sind didaktisch unbefriedigend und kaum geeignet, ihn zum
energischen und konzentrierten Lernen zu motivieren. (Hausmann 2005: 34)
Es steht außer Frage, dass die Wortschatzkompetenz oder –
linguistisch etwas weiter gefasst – die lexiko-grammatische Kompetenz die
Voraussetzung für den Erwerb und die Nutzung sprachlicher Fertigkeiten
darstellt. Gerade die in der Forschungsliteratur zur Interkulturalität immer
wieder hervorgehobenen Unterschiede
im Handeln und Denken – sieht man von kulturspezifischer Gestik und Mimik ab –
gehen auf "sozial berechenbare" (Feilke 1996: 262) Art und Weise mit
dem Gebrauch idiomatisch geprägter Kollokationen und Kolligationen (s. dazu
unten) einher. Korpusuntersuchungen zufolge liegt der idiomatisch geprägte Anteil
im Sprachgebrauch bei über 80% aller Äußerungen (Altenberg 1998: 102); eine
konkrete Demonstration dieses Umstands anhand eines Zeitungstextes und eines
Romanauszuges findet sich in Siepmann (2004: 107f). Idiomatisch geprägte
sprachliche Ausdrücke sind hörerseitig mit konventionellen sozialen
Hintergründen der Interpretation verknüpft; sprecherseitig ‚erschaffen' sie
gleichsam den situativen Kontext für die weitere Kommunikation (Feilke 1996:
154ff, 262f). Das Wissen, was der Kommunikationspartner meint, und die Fähigkeit,
im Sinne des Kommunikationspartners angemessen darauf zu reagieren, – also die kommunikativ-kulturelle
Kompetenz – ergeben sich also aus der Fähigkeit, Wortschatz-‚Figuren'
konventionelle ‚Hintergründe' der Interpretation zuschreiben zu können (Feilke
1996: 155).
Von den sprachlichen Fertigkeiten wiederum gilt das
Hörverstehen gemessen am zeitlichen Anteil an der Alltagskommunikation als die
wichtigste Einzelfertigkeit (45% der gesamten täglichen Kommunikation; Feyten
1991: 174; Grotjahn 2005: 115; Paschke 2001: 150). Der Lerner befindet sich im
Allgemeinen häufiger in Situationen, in denen er fremdsprachige Texte
dekodieren muss, als in solchen, in denen er sich selbst in der Fremdsprache
äußert (Abel 2002: 14). Wenn universitäre Sprachpraxislehre den Anspruch
erhebt, auf Kommunikation in Realsituationen vorzubereiten, dann ist also in
der Gewichtung des Sprachpraxisunterrichts dem Hörverstehen zunächst größeres
Gewicht einzuräumen.
Gleichzeitig kommt in der Genese der eigenen
Fremdsprachenkompetenz der Hörverstehenskompetenz die höchste Bedeutung zu: Wer
fremdsprachige Texte hörend verstehen kann, bekommt Input in einer natürlichen phonologischen
Segmentierung
geliefert, ohne den Sprachlernen nicht möglich ist:
Without understandable input at the right level, any learning simply cannot begin.
(Rost 1994: 141).
Mit einem guten Hörverständnis kann man sich die
fremdsprachige Welt eigenständig erschließen; man wird zu einem autonomen
Lerner. Für den Erwerb einer guten Hörverstehenskompetenz ist wiederum eine gut
ausgeprägte rezeptive Wortschatzkompetenz vonnöten. Daher stehen diese beiden
Kompetenzen in unserer Studie im Vordergrund.
Wie oben bereits erwähnt, wurden zwei Gruppen von
Probanden untersucht:
A) 46 Französisch-Masterstudierende einer niedersächsischen
Universität im Zeitraum von 2009-2011 (2009: 14, 2010: 11, 2011: 21 (davon drei
Muttersprachler)) und
B) 15 Französischlehrer (davon zwei Muttersprachler) im Jahr 2009 an zwei
niedersächsischen Gymnasien.
Beiden Gruppen wurden je ein Wortschatztest und ein
Hörverstehenstest vorgelegt.
2 Der Test der rezeptiven Wortschatzkompetenz
2.1 Wortschatz zum Verstehen – wie viel und
welcher?
Beim Lehren und Testen von Wortschatz lautet die zentrale
Frage: Wie viele und welche Wortschatzeinheiten[2] muss der Lerner kennen, um einen gesprochenen oder
geschriebenen Text verstehen zu können (Hausmann 2005; s. obiges Zitat)? Wenn
Autoren von Grundwortschätzen suggerieren, dass man bereits mit einem relativ
geringen Wortschatz von 2000-3000 Wörtern 80% eines Durchschnittstextes "verstehen" könne, so handelt es
sich um eine Milchmädchenrechnung.
Gemeint ist eben, dass mit einem solchen Wortschatzumfang 80% der Wörter eines
durchschnittlichen Textes bekannt sind. Da damit jedoch jedes fünfte Wort
unbekannt bleibt, wäre es wohl vermessen, von einem wirklichen Textverständnis zu sprechen. Das
Textverständnis hängt an den Wörtern, die nicht so häufig vorkommen.
Die neuere Lese- und Wortschatzforschung zeigt (zumindest
für das Englische), dass ein zufriedenstellendes Leseverständnis die Kenntnis
von 98-99% der Wörter eines Textes voraussetzt (Carver 1994; Hu & Nation
2000). Auf der Grundlage dieser empirisch gewonnenen Erkenntnis kann man mit
Hilfe repräsentativer Korpora
der geschriebenen und gesprochenen Sprache ermitteln, wie viele Wörter bzw.
Wortfamilien notwendig sind, um Texte einer bestimmten Textsorte zu verstehen.
Relativ gesicherte Erkenntnisse liegen insbesondere zum Verständnis
schriftlicher Texte vor. So weist Nation (2006) mit Hilfe des British National Corpus nach, dass ein
98%-iges Verständnis verschiedener schriftlicher Texte einen Wortschatz von 8000-9000 Wortfamilien[3] (d.h. ca. 28.000-34.000 Wörter) voraussetzt. Milton & Hopkins (2006) gehen von 4500-5000
Wortfamilien als Voraussetzung für
das Erreichen des C2-Niveaus aus; dieser Wert dürfte jedoch bei genauerer
Betrachtung der Deskriptoren als zu gering einzustufen sein.
Für das Hörverstehen lassen sich nach bisheriger
Datenlage etwas geringere Wortschatzumfänge ansetzen. Auf der Grundlage einer
Analyse des Wellington Corpus of Spoken
English, das Radiosendungen mit Hörerbeteiligung, Interviews und Gespräche
zwischen Familienmitgliedern und Freunden umfasst, kommt Nation (2006) zu dem
Schluss, dass dem Lerner mindestens 6000 Wortfamilien bekannt sein müssen, um
ein 98%-iges Verständnis alltäglicher Konversation zu erreichen. Aus anderen
Studien geht jedoch hervor, dass ein gutes Hörverständnis offenbar bereits bei
einer Kenntnis von 90-95% der Wörter eines Textes erreicht wird (Bonk 2000; Schmitt
2008), was einem Wortschatzumfang von 800-2000 Wortfamilien bzw. 1400-4000 Einzelwörtern entspricht. Weitere
empirische Forschung wird nötig sein, um in dieser Frage Klarheit zu erlangen.
Fest steht allerdings, dass ein sehr umfangreicher
Wortschatz notwendig ist, um eine gute rezeptive Kompetenz in einer
Fremdsprache zu erreichen. Zu diesem Schluss kommt auch Hausmann (2002, 2005)
in seinen chrestolexikographischen Überlegungen, die er an einigen
Textbeispielen illustriert. Er weist nach, dass man mit den 3500 Wörtern des français fondamental bereits ein recht
gutes Verständnis eines Le Monde-Textes
erlangen kann; die Bände 1-4 des Klett-Lehrwerks Découvertes dagegen bieten einen für diesen Zweck viel zu geringen
Wortschatz, der banale Wörter des Grundwortschatzes wie panier, pareil, parfait oder douleur ausklammert. Mit der Kenntnis der 22.000 Wörter des
PONS-Lernwörterbuchs erreicht man ein vollständiges Textverständnis. Diesen
Wortschatzumfang setzt Hausmann dementsprechend als vertretbares Ziel für das
Staatsexamen an.
Hausmann (2002) geht jedoch über die angelsächsische
Forschung insofern hinaus, als er zeigt, dass die (rezeptive) Kenntnis von
20.000-22.000 Wörtern das Erlernen von nur 10.000 Wörtern voraussetzt, da der
restliche Wortschatz entweder interlingual oder intralingual transparent ist.
2.2 Begründung des Testformats
Aus Hausmanns Überlegungen folgt für die hier
durchgeführte Überprüfung der rezeptiven Wortschatzkompetenz: Es sollte nur
getestet werden, was aus der Perspektive des deutschen Lerners des
Französischen weder interlingual, noch intralingual erschließbar ist; als
erschließbar und damit transparent gelten Wörter wie balcon (vgl. dt. Balkon) oder inutile,
inutilement, utilité, inutilité, utiliser, die
allesamt auf das Adjektiv utile
zurückgeführt werden können. Daher beschränkt sich unser französischer
Wortschatztest für deutsche Lerner auf den um das transparente Wortgut verminderten und damit Lernschwierigkeiten
bereitenden Wortschatz, den Hausmann (2005) ermittelt hat.
Als "realistisches Mindestkriterium" für den
rezeptiven französischen Wortschatz, den es mit Abschluss des Lehramtsstudiums
zu beherrschen gilt, veranschlagt Hausmann (2005: 32) 20.000 Wörter.
Dieser Wortschatzumfang, der sich aus Erfahrungen
mit angemessen selektiven Lernwörterbüchern im bayerischen Staatsexamen ergibt, eröffne dem Lerner
einen potentiellen Wortschatz von ca. 30.000 Einheiten. Von den 20.000 im
Staatsexamen vorausgesetzten Wörtern braucht der Lerner aufgrund interlingualer
und / oder intralingualer Durchsichtigkeit jedoch nur ca. 50% – laut Lübke 1984 sogar noch weniger – bewusst zu erlernen. Die
somit verbleibenden ca. 10.000 opaken Einheiten teilt Hausmann in drei Niveaus
auf (die verbleibenden 1500 Einheiten sind Redewendungen des Grund- und Aufbauwortschatzes):
- Grundwortschatz / Schulniveau (ca. 2150 opake Wörter)
- Aufbauwortschatz / Zwischenprüfung (oder Bachelorabschluss) (ca. 3200
opake Wörter)
- Ausbauwortschatz / Studienabschluss (oder Masterabschluss) (ca. 3200
opake Wörter)
Der von uns durchgeführte Wortschatztest übernimmt diese
Einteilung in drei Niveaustufen, so dass die Studierenden und Lehrer auf allen
drei Niveaus mit einem Umfang von jeweils 36 Items
getestet werden. Die Entwicklung des
Testformats ist ausführlich in Siepmann & Holterhof (2007)
dargestellt.
Das gewählte Testverfahren besteht in der Übersetzung von
in Sätzen kontextualisierten Wörtern.
Gründe, die für dieses Verfahren sprechen, sind:
- Kontextbasierung: Die Wörter werden in authentischen Kontexten dargeboten, so dass eine
Anlehnung an realistische Kommunikationssituationen erfolgt (Erschließung von Wörtern
beim Lesen authentischer Texte);
- Realitätsnähe: Die Übersetzung ist eine realitätsnahe Aufgabe, die
häufig von Fremdsprachenlernern verlangt wird;
- Leichte Erstellbarkeit: Im Gegensatz zu Multiple-Choice-Tests, bei
denen sich u.a. die Auswahl geeigneter Distraktoren häufig als schwierig
erweist, erfordert der
Übersetzungstest lediglich die Ermittlung und Auswahl von authentischen Beispielen mit
Hilfe eines Konkordanzprogramms;
- Hohe Eigenleistung der Testpersonen: Es erfolgt keine Antwortvorgabe;
- Leichte Überprüfbarkeit;
- Praktikabilität
Demzufolge ist Nation (1990: 81) beizupflichten, wenn er
zu dem Schluss gelangt, dass die Übersetzung zielsprachlicher Wörter in die Muttersprache
der Testperson das beste
Verfahren zur Ermittlung der rezeptiven Wortschatzkompetenz
darstellt, insbesondere auf dem Niveau des Grundwortschatzes, der auch in der
Muttersprache leicht abrufbar ist. Im Gegensatz beispielsweise zu
Multiple-Choice-Items, deren Lösung aus mehreren Optionen gewählt wird, besteht
hier lediglich die Möglichkeit, die Bedeutung eines Wortes aus dem Kontext zu erschließen – jedoch keine hohe
Wahrscheinlichkeit, die richtige Antwort zu erraten, wenn das Wort für die
Testperson vollständig unverständlich ist. Dies bedeutet, dass die Kontexte, in
die die Testwörter eingebettet sind, sorgfältig ausgewählt werden müssen; es
ist eine mühselige Gratwanderung zwischen Disambiguierung und kontextueller
Indizierung zu absolvieren. Das Verfahren ist im Prinzip das genaue Gegenteil
der Vorgehensweise bei der Erstellung von Beispielen für Lernerwörterbücher, da allzu prototypische und erklärende Kontexte
herausfallen. Die Sätze zeigen das Wort also in einer durchaus natürlichen,
jedoch kollokativ nicht "verräterischen" Umgebung; die Erschließung
der jeweils zutreffenden Lesart des Wortes soll möglich sein, nicht aber das
Erraten der Bedeutung mit Hilfe des Kontextes ohne jegliches Vorwissen. Damit
wird zum einen die Forderung erfüllt, dass die Testpersonen sich in sinnvoller
Weise mit dem Kontext auseinandersetzen (Read 2000: 162f), da sie
Entscheidungen über die Wortart und den allgemeinen Bezug eines Wortes treffen
müssen. Im folgenden Beispiel muss potager als Substantiv identifiziert werden:
Ce
potager est le plus grand du pays. [4]
Zum anderen wird entgegen einer weitverbreiteten
Vorgehensweise (vgl. zum Beispiel die 1995-Version des TOEFL-Tests) in
der Testliteratur verhindert, dass niedrigfrequente Wörter, deren Kenntnis ja
getestet werden soll, allein durch den Kontext erschlossen werden können, wie
etwa im folgenden Beispiel:
Many of the computing
patterns used today in elementary arithmetic, such as those for performing long
multiplications and divisions, were developed as late as the fifteenth century.
Two reasons are usually advanced for this tardy development, namely, the
mental difficulties and the physical difficulties encountered in such work.
The word 'tardy' in line 3 is closest in meaning to
(A)
historical
(B)
basic
(C)
unusual
(D)
late
Ein solches Vorgehen mag dann sinnvoll sein, wenn die
Fähigkeit der Lerner, Ratestrategien zum Einsatz zu bringen, getestet werden
soll; im vorliegenden Fall geht es jedoch darum zu überprüfen, ob die
Testpersonen ein Wort bereits kennen, bevor sie ihm im Testkontext begegnen.
Alternative Verfahren wie der Ja / Nein-Test oder
Einsetztests haben gegenüber dem
Übersetzungsverfahren entscheidende Nachteile. Eine einfache Ja /
Nein-Markierung kann dem komplexen Phänomen des Wortwissens nicht gerecht werden, da überhaupt kein Urteil über
den Grad der Kenntnis möglich ist (Wesche & Paribakht 1996: 14).
Trotz der genannten Vorteile wird in der
Forschungsliteratur bisher jedoch ein Manko des gewählten Testformats
übersehen. Bei der Durchführung des Tests wurde deutlich, dass auf höheren
Niveaus Probleme dadurch auftreten können, dass Wortbedeutungen zwar durchaus
vage bekannt sind und definitorisch umrissen werden können, aber einzelnen
Probanden dennoch kein muttersprachliches Äquivalent für das jeweilige Item einfällt.
Für die Weiterentwicklung des Testformats ist daher in Erwägung zu ziehen, dass
auch Definitionen oder Illustrationen (ausnahmsweise) als zusätzliche
Antwortmöglichkeit zugelassen werden.
2.3 Auswertung und
Benotung
Pro gelöstem Item wird ein Punkt vergeben. Auf jeder
Niveaustufe sind 36 Items zu lösen, d.h. insgesamt 108.
Alle Testitems werden gleich gewichtet, d.h. es wird ein Punkt für die korrekte
Beantwortung eines Items vergeben; der maximal zu erreichende Wert beträgt also 108 Punkte.
Das der Bewertung zu Grunde liegende Kriterium ist
ausschließlich die Adäquatheit der Übersetzung des Wortes unter
Berücksichtigung des jeweiligen Kontextes; orthographische Mängel sollten nicht
ausschlaggebend sein. Es handelt sich bei der Testaufgabe schließlich nicht um
ein Diktat oder einen Aufsatz, das bzw. der ganzheitliche
Sprachkompetenz misst, sondern es soll untersucht werden, ob der Testperson die Bedeutungen der
lexikalischen Einheiten bekannt sind.
2.3.1 Korrelation:
Gewusste Items – Kompetenz
Bei der primär interessierenden Frage nach der
Korrelation zwischen der Beherrschung
der Testitems und den einzelnen Wortschatzniveaus (Grund-, Aufbau- und Ausbauwortschatz) handelt es sich um ein
nicht-triviales statistisches Problem. Nation (1990: 76) schlägt zur Berechnung
des Wortschatzumfangs, basierend auf Wörterbüchern bzw. -listen, folgende
Formel vor:
WU = (NR
x NL) / NI
WU = Wortschatzumfang
NR = Anzahl
der richtigen Antworten
NL = Anzahl
der Wörter der Liste/des Wörterbuchs
NI = Anzahl
der Testitems
Beispiel: 108 Testitems; 80 richtige
Antworten; 8550 Wörter (Wortlisten 1, 2 und 3)
Rechnung: (33 x
2150 + 30 x 3200 + 17 x 3200) / 36 = 6148,61
Diese Formel beruht jedoch auf der irrigen Annahme, dass
alle getesteten Wörter die gleiche Auftretenswahrscheinlichkeit haben. Bei
einer zufälligen Auswahl besteht
jedoch die Gefahr, dass beispielsweise bevorzugt Items des niedrigfrequentesten Bereichs zur
Auswahl kommen. Eine solche Auswahl ist genauso wahrscheinlich wie jede andere – ebenso wie beim Lotto zum
Beispiel die Zahlenfolge 1, 2, 3, 4, 5, 6 mit gleicher Wahrscheinlichkeit wie
jede andere auftreten kann. Da jedoch die Frequenz als signifikanter Prädiktor
der Performanz der Testpersonen gelten kann (Perkins & Linnville 1987),
würde eine rein willkürliche Auswahl zu wenig validen Ergebnissen führen –
daher wurden Wörter zu gleichen Anteilen aus
verschiedenen Frequenzbereichen ausgewählt, also je 36 Items pro
Wortschatzniveau, wodurch die oben vorgestellte Formel eine höhere Aussagekraft
erhält.
Bereits in einigen, im Jahre 2007 durchgeführten Tests
(Siepmann & Holterhof 2007) erwies sich die Grundannahme als richtig, dass
die frequenteren Wörter der Sprache Lernern eher bekannt sind als die weniger
frequenten. Die Zahl der richtigen Antworten nahm mit höherer Niveaustufe (d.h.
mit sinkender Wortfrequenz) beständig ab. Daraus ließ sich umgekehrt schließen,
dass die Wortschatzauswahl auf den drei Hausmannschen Frequenzniveaus im Großen
und Ganzen fehlerfrei zu sein scheint (vgl. zu möglichen Ausnahmen aufgrund des
Gebrauchs veralteter Frequenzlisten Siepmann & Holterhof 2007).
2.3.2
Ergebnisse der Studierenden und Lehrer im Vergleich
Bei den Studierenden wurden die Tests jeweils am Ende des
zweiten Mastersemesters durchgeführt (2009: 14 Studierende, 2010: 11 und 2011:
21 (davon drei Muttersprachler)).[5] Die
Lehrertests fanden im Jahre 2009 statt. Bei den Teilnehmern wurden keine
weiteren Daten (Alter, Geschlecht, Lernerfahrungen) erhoben; dies soll jedoch
in der Hauptuntersuchung nachgeholt werden. Die Ergebnisse sind in folgender Tabelle
zusammengefasst:
Probanden Ergebnisse
Ergebnisse
|
Studierende (2009-2011)
|
Lehrer (2009)
|
Durchschnittlich gelöste Items von insgesamt 108
|
28
|
59
|
Durchschnittliche
Anzahl der rezeptiv beherrschten opaken Wörter
|
1901
|
4489
|
Bestes
Ergebnis Items (Wörter)
|
48 (3363)
|
79 (6001)
|
Schlechtestes
Ergebnis Items (Wörter)
|
18 (1133)
|
34 (2264)
|
Tab.1:
Testergebnisse – Rezeptive Wortschatzkompetenz
Ein Vergleich der durchschnittlich gelösten Items zeigt,
dass die Lehrer mehr als doppelt so viele Items lösen konnten wie die
Studierenden. Damit ergibt sich, dass der durchschnittliche Studierende am Ende
des zweiten Mastersemesters ca. 1900 von 10.000 opaken Wörtern kennt, während der
durchschnittliche Lehrer ca. 4490 opake Wörter rezeptiv beherrscht. Die Lehrer
verfügen also über einen mehr als doppelt so großen Wortschatz wie die
Studierenden. Ein Vergleich der bei den Studierenden erhobenen Daten aus den
Jahren 2009-2011 zeigt, dass die Ergebnisse eine hohe Stabilität aufweisen:
2009: 28, 2010: 28 und 2011: 29 gelöste Items.
Bei beiden Gruppen zeigt sich eine breite
Leistungsstreuung: Der leistungsschwächste Studierende
kennt nur 18 von 108 Items (= 1133 opake Wörter), der kompetenteste 48 (= 3363
opake Wörter). Bei den Lehrern konnte der leistungsschwächste 34 Items (= 2264)
und der kompetenteste 79 Items (= 6001) lösen. Damit kennt der
leistungsschwächste Lehrer immer noch fast doppelt so viele Wörter wie der
leistungsschwächste Studierende.
Vor allem die Werte der Studierenden sind in zweierlei
Hinsicht alarmierend: Zum Einen ist erst ein
geringer Teil des bis Ende des Masterstudiums zu lernenden Wortschatzes von
insgesamt 10.000 opaken Wörtern rezeptiv verfügbar. Zum Anderen zeigt ein
Vergleich der Studierenden mit von uns im Jahr 2009 getesteten gymnasialen
Französischlernern am Ende von Jahrgangsstufe 10 (Bürgel & Siepmann 2010),
dass die fünf besten von 123 getesteten Schülern über einen etwas größeren
Grundwortschatz verfügen (ca. 1400 opake Wörter) als die drei
leistungsschwächsten Französischstudierenden (ca. 1200 opake Wörter). Zudem ist
die zu beobachtende Leistungsstreuung bei den Studierenden insofern interessant, als sie zeigt, dass ein
abgeschlossenes Bachelorstudium, bei dem die Studierenden standardisierte
Sprachpraxiskurse absolvieren, völlig unterschiedliche Resultate zeitigt.
Der Vergleich der drei Wortschatzniveaus ist in Tabelle 2
dargestellt:
Probanden
Durch-
schnittlich
gelöste
Items
von je 36
|
Studierende
(2009-2011)
|
Lehrer
(2009)
|
Grundwortschatz (Abitur)
|
22 (61,1 %)
|
32 (88,8 %)
|
Aufbauwortschatz (Bachelor)
|
6 (16,6 %)
|
21 (58,3 %)
|
Ausbauwortschatz (Master)
|
1 (2,7 %)
|
8 (22,2
%)
|
Tab. 2:
Vergleich der Ergebnisse auf den drei Wortschatzniveaus
Wie aus der Tabelle ersichtlich, erweist sich die
Grundannahme als richtig, dass die frequenteren Wörter der Sprache
Nicht-Muttersprachlern eher bekannt sind als die weniger frequenten; die Zahl
der richtigen Antworten nimmt mit sinkender Wortfrequenz beständig ab. Dabei
sind jedoch erhebliche Leistungsunterschiede bei den Probandengruppen zu
beobachten: Die Studierenden kennen im Schnitt nur 61,1 % des
Abiturwortschatzes, die Lehrer 88,8 %. Mit einer Ausnahme beherrscht keiner der
Lehrer den gesamten Grundwortschatz. Eine genauere Durchsicht der Studierenden-
und Lehrerantworten hat gezeigt, dass mehr als drei Viertel der Studierenden
die Wörter le coude, verser, renoncer und dépouiller
nicht kennen. Einem kleineren Teil der Lehrer bereiteten die Wörter scrutin,
coude und dépouiller
Probleme. Erschreckend ist, dass sechs Studierende bereits auf dem
Abiturwortschatzniveau mangelhafte Leistungen zeigen; sie beherrschen weniger
als die Hälfte des Wortschatzes, der theoretisch mit dem Abitur erworben sein
sollte. Ernüchternd sind ebenso die Ergebnisse beim Aufbauwortschatz: Hier
kennen die Studierenden im Schnitt nur 16,6 % der Wörter; die Lehrer dagegen
58,3 %. Mit einer Ausnahme befinden sich sämtliche Studierende hier bereits im
ungenügenden Bereich; bei den Lehrern sind es zwei von 13. Kein einziger
Studierender konnte auch nur die Hälfte lösen, während die Lehrerschaft (mit
einer Ausnahme) mindestens die Hälfte der Items auf diesem Wortschatzniveau
kennt. Beim Ausbauwortschatz beherrscht keiner der Studierenden und Lehrer das
Niveau wenigstens zur Hälfte. 28 Studierende kennen sogar kein einziges Wort
des Ausbauwortschatzes. Interessant ist, dass der beobachtete Leistungsunterschied zwischen
Studierenden und Lehrern ebenfalls bei den Muttersprachlern gegeben ist. Auf
allen drei Wortschatzniveaus beherrschen die muttersprachlichen Lehrer mehr
Items als die muttersprachlichen Studierenden
(Grundwortschatz: 17 vs. 33, Aufbauwortschatz:
4 vs. 26, Ausbauwortschatz: 2 vs. 19).[6]
2.4
Zusammenfassung
Aus der Zusammenschau der Daten lässt sich folgern, dass
die rezeptiven (!) Wortschatzkenntnisse von Französischstudierenden und
gymnasialen Französischlehrern zu gering sind, um französische Zeitungs- und
Romantexte ohne umfangreiche Konsultation von Wörterbüchern zu erschließen. Zu
bedenken ist weiterhin, dass die Auswahl der Lehrerprobanden möglicherweise ein
zu positives Bild der
Gesamtsituation in Deutschland zeichnet, da die Hälfte der ausgewählten Lehrer an einem
bilingualen Gymnasium mit Französisch tätig ist; es steht zu vermuten, dass
sich das Gesamtbild bei Einbeziehung einer größeren Zahl von Gymnasien und
Realschulen eher verschlechtern würde. Auffallend ist jedoch das im Vergleich
zu den praktizierenden Lehrern wesentlich schlechtere Abschneiden der Studierenden.
Dies könnte ein
Indiz für den weiteren Ausbau der Fremdsprachenkompetenz während der Dienstzeit
sein; möglich wäre allerdings auch, dass die ältere Generation über bessere
Wortschatzkenntnisse verfügt. Diese und weitere Hypothesen wären in der
Hauptuntersuchung zu prüfen.
Für die Hochschullehre ist daher zu empfehlen, zu Beginn
des Französischstudiums zunächst
eine Konsolidierung des Grundwortschatzes vorzunehmen, da selbst dieser nicht
vollständig von praktizierenden Französischlehrern und in noch geringerem Maße
von Französischstudierenden beherrscht wird. Im Bachelorstudium sollte sich eine gezielte Einführung in den
Aufbauwortschatz des Niveaus 2 anschließen. Im Masterstudium kann dann der Aufbauwortschatz
des Niveaus 3 in Angriff genommen werden.
3 Test der
Hörverstehenskompetenz
Über welche Hörverstehenskompetenz sollen
Französischstudierende und -lehrer verfügen? Für die Master-Studierenden lassen
sich die Zulassungsordnungen zum Lehramts-Master und für die Lehrer die Masterprüfungsordnungen verschiedener
deutscher Universitäten zu Grunde legen. Während Zulassungsvoraussetzung zum
Master in den meisten Fällen das C1-Niveau ist, sehen die Masterprüfungsordnungen vor, dass
Französischstudierende nach Studienabschluss eine Vertiefung desselbigen oder sogar das C2-Niveau des GER erreichen
sollen. Der GER unterscheidet beim Hörverstehen von Radiosendungen und
Tonaufnahmen zwar nicht zwischen C1- und C2-Niveau, legt aber auf dem Niveau
der kompetenten Sprachverwendung die folgenden Fertigkeiten fest:
Kann ein breites
Spektrum an Tonaufnahmen und Radiosendungen
verstehen, auch wenn nicht unbedingt Standardsprache gesprochen wird; kann
dabei feinere Details, implizit vermittelte Einstellungen oder Beziehungen
zwischen Sprechenden erkennen. (Europarat 2001: 73).
Welche Konsequenzen ergeben
sich aus diesen Kompetenzbeschreibungen für die Entwicklung eines
Hörverstehenstests? Mit der Forschung (ALTE 2005, Modul 2: 8; Bachman & Palmer 1996:
44ff; Brown & Hudson 2002: 30ff; Buck 2001: 94ff) unterscheiden wir drei zu berücksichtigende
Dimensionen: Textquellen,
Testfokus und Testformat.
3.1 Textquellen
In der oben zitierten
Kompetenzbeschreibung wird dem Verstehen von authentischen Hördokumenten, d.h. solchen, die aus 'echten' Kommunikationszusammenhängen stammen
und nicht aus didaktischen Gründen manipuliert wurden, große Bedeutung
beigemessen. Damit orientieren sich die Kompetenzvorgaben an
natürlich-sprachlichen und realitätsnahen Hörverstehenssituationen – und das zu
Recht: Durch die kompetente Bewältigung solcher Situationen verschafft sich der
Fremdsprachenlerner einen Zugang zur Zielsprachenkultur und kann sich so die
zielsprachige Welt selbstständig erschließen.
Will man also testen, ob
Studierende und Lehrer über eine Hörverstehenskompetenz
verfügen, die es ihnen ermöglicht, authentische Hörsituationen zu bewältigen, wird man Tests an
authentischen Hörsituationen ausrichten müssen bzw. versuchen,
[...] durch Textauswahl
und angemessene Aufgabenstellung möglichst viele Elemente einer authentischen
Verstehenssituation einzubringen. (Solmecke 2000: 5).
Da auf C1/C2-Niveau das
Verstehen von Radiosendungen explizit gefordert
wird, ergibt sich zwangsläufig, dass wir für die Lehrertests Ausschnitte aus Radiosendungen zu
Grunde legen. Deshalb stellen Ausschnitte aus Radiosendungen von Radio
France Internationale und France Info die Hörtextgrundlage der Tests
dar. Die Tatsache,
dass wir bei unserem Hörverstehenstest nicht auf Tests wie DELF/DALF oder
DIALANG zurückgegriffen haben, erklärt sich dadurch, dass in diesem
didaktisierte Hördokumente verwendet werden. Da aber die
Kompetenzbeschreibungen explizit das Verstehen von authentischen Hördokumenten
vorgeben, haben wir einen eigenen Hörverstehenstest mit authentischen Hörtexten
entworfen.
In der Forschung zu Hörverstehenstests
besteht weitgehend Konsens darüber, dass folgende Parameter bei der Auswahl von
authentischen
Hördokumenten berücksichtigt werden
müssen: Text- bzw. Diskurstypen,
Dokumentlänge, Interaktion der Sprecher, Themen / Inhalte, Sprachstruktur der
Texte (Komplexität des Satzbaus,
Wortschatz) und Sprechgeschwindigkeit (Bachman & Palmer 1996: 52f; Buck
2001: 85ff, 168ff; ALTE 2005, Modul 3: 4ff).
Im Rahmen der Hörtextauswahl
sollte eine angemessene Anzahl verschiedener Text- bzw. Diskurstypen
herangezogen werden, um die potentielle Breite zielsprachiger Manifeste
widerzuspiegeln. Deshalb haben wir Diskurstypen wie Interviews, Nachrichten,
Meldungen sowie Unterhaltungs- und Wissenschaftssendungen
verwendet. Kennzeichnend für die ausgewählten Hörszenarien ist, dass sie
monologischer und dialogischer Natur sind, verschiedene Diskursformen abdecken
(erzählend, beschreibend, erklärend) und unterschiedliche Sprechertypen
(Geschlecht, Alter, Rollen) aufweisen. Da
man in authentischen Situationen nicht nur kurze, sondern auch längere Texte
bzw. Radiosendungen hört, müssen verschiedene Text- bzw. Hörlängen
berücksichtigt werden. Deshalb umfassen die Lehrertests neun Kurztexte zwischen
30 und 60 Sekunden, einen mittellangen Text von ca. 2½ Minuten und zwei Langtexte
von 5 Minuten (Les grosses têtes) und 13 Minuten (Wissenschaftssendung)
– somit eine Gesamtlänge von ca. 24 Minuten.
Den Tests liegen neben
Kurznachrichten bzw. faits divers (zum Beispiel zu den Themen
Klimaerwärmung, Gewalt an quebecischen Schulen, Concours Lépine, Ankündigung eines Konzerts) eine
Unterhaltungssendung (Les grosses têtes [RTL]) und eine Wissenschaftssendung (Tous addicts: les
nouvelles dépendances du XXIe siècle aus
der Sendereihe "Connaissances" [Europe 1]) zu Grunde.
Schließlich muss der
sprachliche Schwierigkeitsgrad der Hördokumente den Kompetenzniveaus
entsprechen. Dass es sich bei dieser Zuordnung um ein äußerst delikates Problem
handelt, ist von verschiedenen Seiten betont worden (ALTE 2005, Modul 3: 4;
Meißner 2006: 275). Für das C1/C2-Niveau wurden Dokumente mit normalem
Sprechtempo, normaler bis erhöhter Satzkomplexität und nicht nur mit
alltagsbezogenem, sondern auch fach- und themenspezifischem Wortschatz
herangezogen. Doch das C1/C2-Niveau sieht außerdem vor, dass nicht-standardsprachliche
Äußerungen verstanden werden müssen. In diesem Zusammenhang hat Meißner (2006: 261) zu Recht darauf
hingewiesen, dass für die Ausbildung des Hörverstehens in einer angemessenen
Bandbreite der hinreichende Kontakt mit Varietäten entscheidend ist:
Wer nur einen eng
gefassten lautlichen Standard dekodieren kann, ist nicht in der Lage, dem
sozialen Anspruch zu genügen, den die ganz unterschiedlichen Redeweisen
innerhalb einer Sprachgemeinschaft an ihn stellen. (Meißner 2006: 261)
Diesem Aspekt wurde bei den
Lehrertests durch Hördokumente mit afrikanischem und einem leichten
quebecischen Akzent Rechnung getragen.
3.2 Testfokus
Das C1/C2-Niveau des GER sieht vor, dass Hörer feinere
Details und implizit vermittelte Einstellungen oder Beziehungen zwischen
Sprechenden erkennen sollen, d.h. es ist vor allem auch das schlussfolgernde
bzw. inferentielle Verstehen zu testen. Ein Blick in die Testliteratur zeigt,
dass dieser Verstehensoperation zwar große Bedeutung beigemessen wird, ohne
dass jedoch der Inferenzbegriff systematisch
in den Blick kommt (Buck 2001; Grotjahn 2005; Solmecke 2000). In der neueren
Forschung zur Textlinguistik und Argumentationstheorie ist von verschiedenen Seiten (McElholm 2002:
211ff; Eggs 2000, 2009; Bürgel 2006: 53ff, 2008a, 2008b) gezeigt worden, dass
beim Textverstehen das ganze Ensemble von mehr oder weniger unbewusst und
automatisch vollzogenen deduktiven, abduktiven, induktiven und analogischen
Inferenzen relevant wird. Da anzunehmen ist, dass diese Inferenzen auch dem Verstehen
von Hörtexten zu Grunde liegen, müssen Items zu eben diesen
Verstehensoperationen gestellt werden. Ein Beispiel für eine abduktive
Hörverstehensinferenz ist das folgende Item zum Kommentar einer Journalistin
zum Kyoto-Protokoll:
Comment peut-on qualifier le propos de la journaliste sur
le protocole de Kyoto?
A. Il est
alarmant.
B. Il est
rassurant.
C. Il est
critique.
D. Il est
provocant.
Der Hörer muss die Wortwahl und paralinguistischen Mittel
(z.B. Prosodie, Intonation) der Sprecherin interpretieren und einer im Item
vorgeschlagenen Haltung zuordnen. Logisch gesehen, setzt das Verstehen dieser
implizit vermittelten Haltung eine abduktive Inferenz (Peirce 1965, II: 374; Eggs
1994: 47ff; Bürgel 2006: 37ff) voraus, da hier von Indizien auf eine bestimmte
Disposition geschlossen wird.
Doch dass beim Verstehen eines
Hördokuments auch immer Weltwissen und kulturspezifisches Wissen relevant wird, zeigt
folgende Sequenz aus der Komiksendung Les grosses têtes, in der der Gast
gefragt wird, wo er seine Lebensgefährtin Clarisse kennen gelernt hat:
Où est-ce que vous avez rencontré Clarisse?
Oh, bah, à une soirée tout à fait correcte, tout à fait chic, c'était au
collège Gabriel, elle s'appelle Laval, son nom de famille n'est pas parfait, je
l'avais rencontrée à Vichy.
Diesen Wortwitz wird man nur
dann verstehen können, wenn man über das kulturspezifische Wissen verfügt, dass
Pierre Laval einer der politischen Hauptakteure
des Vichy-Regimes war – ein Umstand, der allen Muttersprachlern durch den
Geschichtsunterricht und vielen Nicht-Muttersprachlern durch die Behandlung des
Themas im Französisch-Oberstufenunterricht und der universitären Landeskunde wohlbekannt ist. Um den
kulturspezifischen Wissensbereich beim Hörverstehen
zu berücksichtigen, haben wir folgendes Item entworfen:
Sur quels
mots repose le jeu de mots de la fin ?
A. Vichy-Laval
B. Marne la Vallée-Vichy
C. Levallois-Laval
D.
Vichy-L’Oréal
3.3 Testformat
In der Literatur zu
Hörverstehenstests werden beispielsweise die folgenden Überprüfungstätigkeiten
vorgeschlagen: Antworten auf Fragen zum Hörtext (auch in der Muttersprache),
Lückentext, Inhaltsangaben, Richtig-Falsch-Antworten, Zuordnung zu Bildern oder
Multiple-Choice (Buck 2001: 61ff; Cheng 2004: 544ff; Segermann 2003: 297; Weir
2005: 132ff). Der Nachteil der drei erstgenannten Verfahren besteht darin, dass
über das zu testende Hörverstehen hinaus weitere Variablen intervenieren, die aber nicht im Testfokus
stehen: orthografisches, lexikalisches und grammatisches Wissen.
Richtig-Falsch-Antworten, bei denen nur zwischen zwei Antworten zu wählen ist,
weisen eine zu hohe Ratequote auf. Bei Bildern besteht die Gefahr darin, dass
sie einen Sachverhalt (Handlung oder Zustand) nicht exakt repräsentieren und er
deshalb nicht klar identifiziert werden kann. Demgegenüber bietet das
üblicherweise in Hörverstehenstests verwendete Multiple-Choice-Verfahren trotz der möglichen
Rateanfälligkeit, die jedoch durch vier Auswahlantworten erheblich gemindert
werden kann, den Vorteil der Objektivität und Praktikabilität bei der
Auswertung[7]. Doch das wesentliche
Argument für dieses Verfahren liegt – vielleicht mag es überraschen – in seiner
'Realitätsnähe'. Nehmen wir eine Gesprächssituation zwischen
einem Muttersprachler und einem Fremdsprachenlerner.
Wenn Letztgenannter die Äußerungen seines Gesprächspartners nicht verstanden
hat, so ist anzunehmen, dass der Muttersprachler sie auf Nachfrage mithilfe
bestimmter Kommunikationsstrategien wiederholen wird: Vereinfachung oder
Reduktion der Satzstruktur, Paraphrasen, Wiederholung von Kerninformationen
oder Formen der Verallgemeinerung und Verdichtung von Inhalten (Bürgel 2006).
Es sind genau diese Kommunikationsstrategien, die nicht nur in authentischen
Gesprächssituationen, sondern auch in Multiple-Choice-Tests verwendet werden:
Die Gestaltung der Auswahlantworten folgt genau diesen Prinzipien der
wiederholenden und verdichtenden Kommunikation.
Die besondere Herausforderung
für Testautoren besteht darin, bei der Erstellung der Items eine Reihe von
Gütekriterien zu berücksichtigen: Sie sollen eine relevante Information testen,
nicht voneinander abhängig und nicht allein mit Weltwissen lösbar sein,
erwartbare Verstehenshypothesen darstellen sowie ein kohärentes Ganzes bilden. Der letztgenannte Aspekt bedeutet, dass
die Auswahlantworten gleich
plausibel, aber klar und eindeutig unterscheidbar sein und eine ähnliche Länge
bzw. Komplexität aufweisen müssen (ALTE 2005, Modul 3: 12). Das folgende Item
zu einer Sequenz aus dem Hördokument
"Tous addicts: les
nouvelles dépendances du XXIe siècle" mag den Versuch illustrieren,
diese Gütekriterien zu berücksichtigen.
Quel était
le rapport de Marylin aux enfants ?
A. Elle détestait qu’il y ait des enfants sur
le plateau de tournage.
B. Elle aimait par-dessus tout les petites
filles.
C. Elle ne pouvait se passer du contact avec
eux.
D. Les
enfants hyperactifs lui plaisaient particulièrement.
Dieses Item will das Verstehen
der Hauptinformation – die thematisierte Beziehung Marylin Monroes zu Kindern –
testen. Mit Alltagswissen wird man dieses Item nicht eindeutig lösen können, sind
doch alle Antworten plausibel. Vielleicht würde man zu A tendieren, doch
genauso gut ist B möglich - oder doch eher C und warum nicht D? Darüber hinaus
beziehen sich alle vier Antworten auf unterschiedliche Aspekte und weisen eine
ähnliche Satzlänge und -komplexität auf.
Der Multiple-Choice-Test umfasste 33 Testitems. Für die Kurzdokumente wurden
ein bis zwei Fragen, für die mittellangen Dokumente
vier bis fünf Fragen und für die Langdokumente sechs bis acht Fragen gestellt.
Auf jede Frage folgten vier Auswahlantworten, wobei die jeweils Richtige
anzukreuzen war.
Damit die Probanden nicht
individuelle Hörziele verfolgen, sondern ihr Hörinteresse auf einen bestimmten
Aspekt fokussieren, sollten sie vor jeder Präsentation eines Hördokuments die
entsprechenden Items lesen. Doch wie oft sollte man den Hörverstehenstext
präsentieren? Diese Frage wird in der Testpraxis und -literatur unterschiedlich
beantwortet. Roux (1997: 101) plädiert im Sinne des Kriteriums der
Authentizität dafür, die Texte nur einmal zu präsentieren:
Combien de fois faire écouter le document? Il
est clair que si l’on cherche à placer l’apprenant dans une situation la plus
proche possible de l’authentique, on devrait se limiter à une seule écoute.
Dagegen spricht
sich Bolton (1996: 47) für ein zweimaliges Hören aus, um der Inauthentizität
der Hörsituation in Tests entgegenzuwirken. Dieser Dissens spiegelt sich auch in der
Testpraxis wider: Während die Hördokumente beim DIALANG-Sprachtest nur einmal
vorgespielt werden, ist bei den Tests des IQB (Tesch, Leupold & Köller
2008) eine zweimalige Präsentation vorgesehen. Für die letztgenannte Variante spricht,
dass die Hörtestsituation aufgrund von Faktoren wie Stress oder vorgegebener
Hörziele (die sich die Probanden erst zu eigen machen müssen) schwieriger ist
als das Hörverstehen in authentischen Situationen. Da ein doppeltes Hören
diesen erschwerenden Faktoren entgegenwirken kann, haben wir uns dafür
entschieden, die Dokumente jeweils zweimal - mit einer Pause von ca. 5 Sekunden - vorzuspielen.
3.4 Auswertung:
Ergebnisse der Studierenden und Lehrer im Vergleich
Zur Auswertung der Hörverstehenstests wurde ein
Punktesystem angewendet, um eine exakte und differenzierte Bewertung zu
sichern. Jede richtige Antwort wurde mit einem Punkt versehen, wobei alle
Testitems gleich gewichtet wurden. Üblicherweise
werden 80% richtig gelöster Aufgaben als Indikator für die Beherrschung einer bestimmten
Niveaustufe angesehen (Burwitz-Melzer & Quetz 2006: 364).
Die Ergebnisse des
Hörverstehenstests sind in Tabelle 3 dargestellt, wobei die Muttersprachler
hier nicht berücksichtigt werden:
Probanden
Ergebnisse
|
Studierende
(2009-2011)
|
Lehrer
(2009)
|
Durchschnittlich
gelöste Items von insgesamt 33 Items
|
22
(66,8 %)
|
26 (79,7 %)
|
Bestes
Ergebnis
|
27
(81,8 %)
|
32 (97,0 %)
|
Schlechtestes
Ergebnis
|
11
(33,3 %)
|
21 (63,6 %)
|
Tab. 3: Ergebnisse
des Hörverstehenstests
Ein Vergleich der Ergebnisse zeigt, dass die Lehrer im
Durchschnitt über eine bessere Hörverstehenskompetenz verfügen als die
Studierenden. Während bei den Studierenden nur zwei von 43 (ohne
Muttersprachler), d.h. 4,6 % den Schwellenwert von 80 % für das C1/C2-Niveau
erreichen, sind es bei den Lehrern immerhin acht von 13 (60 %). Auch bei den
Extremwerten schneiden die Lehrer besser ab. Der kompetenteste Lehrer konnte
fast alle Items lösen; der kompetenteste Student erreichte nur knapp den
Schwellenwert von 80 %. Der leistungsschwächste Lehrer liegt immerhin noch im
ausreichenden Bereich, während sich sechs Studierende im mangelhaften Bereich
bewegen. Bei den Muttersprachlern fällt auf, dass keiner von ihnen alle Items
richtig gelöst hat[8].
Aus den Ergebnissen lässt sich
folgern, dass die Hörverstehenskompetenz fast aller von uns getesteten
Französischstudierenden und einem Großteil der Französischlehrer zu gering ausgeprägt ist, als dass sie ein
breites Spektrum an französischsprachigen
Tonaufnahmen und Radiosendungen im Detail verstehen könnten.
Neben dem Stand der
Kompetenzen konnte ebenso eine Korrelation zwischen der Grundwortschatz- und
Hörverstehenskompetenz ermittelt werden, die in Abbildung 1 exemplarisch am
Beispiel der Studierenden dargestellt ist:
Trotz einiger Abweichungen
zeigt sich, dass die Fähigkeit, die Fremdsprache differenziert zu
verstehen, primär davon abhängt, wie viele lexiko-grammatische Einheiten dem
Lerner zur Verfügung stehen. Damit bestätigt die ermittelte Korrelation
die seit Ende der 1970er Jahre vorliegenden, zahlreichen empirische Befunde,
die eine direkte Relation von Wortschatzkompetenz und anderen sprachlichen
Kompetenzen (Pike 1979, Steltmann 1979, Meara & Jones 1990: 1) nachweisen.
Der im deutschen Diskurs offenbar in Vergessenheit geratene Zusammenhang
zwischen Wortschatzkompetenz und Hörverstehen ist auch in einer rezenten Studie
noch einmal empirisch belegt worden (Stæhr 2009).
3.5 Zusammenfassung
Der in der Literatur
zum Fremdsprachenlernen vorherrschende Konsens, dass sich die
Hörverstehenskompetenz nicht automatisch beim Sprachenlernen einstellt, lässt sich
empirisch bestätigen. Will man das Hörverstehen von Französischstudierenden nachhaltig
ausbilden, so bedarf es in universitären Veranstaltungen zur Sprachpraxis einer
systematischen Schulung von Hörverstehensstrategien (Bächle 2007: 14ff; Bahns
2006; Berne 2004; Rampillon 2003) auf der Grundlage von authentischen
Hördokumenten. Zwar steht – wie Bausch, Christ & Krumm (2003: 480)
feststellen –
eine systematische Erforschung und curriculare
Entwicklung von Sprachprogrammen für angehende Fremdsprachenlehrer (...) noch
aus (Bausch, Christ & Krumm 2003: 480),
doch legen die
Ergebnisse unserer Studie nahe, dass in das Hochschulcurriculum entsprechende
Sprachtests integriert werden müssten, welche die einzelnen kommunikativen Fertigkeiten auf den vorgesehenen
Niveaustufen valide testen. Aber eine Beschränkung auf diese Fertigkeiten würde
sicherlich zu kurz greifen, da die Hörverstehenskompetenz in enger Abhängigkeit
zur Wortschatzkompetenz steht. Aus unserer Studie geht indes deutlich hervor,
dass die Wortschatzkenntnisse von Französischstudierenden und -lehrern in
erheblichem Maße defizitär sind. Deshalb sollte ein verpflichtender
Mindestwortschatz im Hochschulcurriculum beziffert, beschrieben und verankert
sowie im Rahmen von Bachelor- und Masterprüfungen valide getestet
werden. Die Verankerung und
Konkretisierung von sprachlichen
Mitteln und zu erreichenden kommunikativen Fertigkeiten in universitären Studien- und
Prüfungsordnungen erscheint vor allem vor dem Hintergrund der geringen
Kenntnisse und Fertigkeiten von Französischstudierenden (Pütz 2008: 371f)
sinnvoll und notwendig, geht es doch darum, dass eine "breite und praktische Kenntnis der Zielsprache" eine wesentliche "Grundlage
für die Professionalität der Lehrenden" ist
(Meißner, Königs, Leupold, Reinfried & Senger 2001: 217, vgl. ähnlich auch Schröder 2002: 15; Christ
2002: 51). Defizitäre Kenntnisse der Studierenden führen dazu, dass sie als
Lehrer sprachlich wenig flexibel sind und dadurch den Anforderungen an den
heutigen Französischunterricht nicht
gerecht werden. Das führt wiederum zu einer defizitären Ausbildung der
Französischlerner oder gar zum Qualitäts- und Ansehensverlust des Faches (auch
Wernsing 2009).
4 Ausblick
An die hier vorgestellte Studie soll sich eine
Hauptstudie zu Sprachkompetenzen
von Französischlernern, -studierenden und -lehrern anschließen. Ziel ist es, anhand einer
großen Stichprobe der genannten Personengruppe repräsentative Leistungsdaten zu
erfassen, um auf dieser Grundlage zuverlässige Aussagen über deren
Sprachkompetenzen im Französischen machen zu können. Zu diesem Zweck sollen
nicht allein unabhängig konzipierte normative Tests verwendet werden – die
trotz aller testtheoretischen Begründbarkeit letztlich methodische Artefakte
darstellen –, sondern – und hier liegt u.a. das Innovationspotential der Studie
– ebenfalls Produktionsdaten,
die einem authentischen Kommunikationskontext entstammen. Die Tests beziehen sich auf curriculare Schwerpunkte
der schulischen und universitären Fremdsprachenvermittlung: die rezeptive und
produktive Wortschatzkompetenz, die Hör- und Leseverstehenskompetenz sowie die
Sprechkompetenz.
Insgesamt sind die Ziele der
Studie auf drei verschiedenen Ebenen anzusiedeln: auf der empirischen, der
bildungspolitischen und der disziplinpolitischen.
Auf der empirischen Ebene soll folgenden Forschungsfragen nachgegangen werden:
(1) Über welches
Kompetenzniveau verfügen Französischlerner, -lehrer, und -studierende in den
untersuchten Teilfertigkeiten?
(2) Wie
gestaltet sich der Zusammenhang zwischen sprachlichen Teilfertigkeiten?
(3) Wie
entwickeln sich die Sprachkompetenzen von Französischlehrern im Laufe der
Dienstzeit?
Auf bildungspolitischer Ebene
zielt die Studie auf eine Überprüfung des Realitätsgehalts der
Bildungsstandards sowie der schulischen und universitären Curricula ab und gibt
ggf. Impulse für deren Weiterentwicklung. Zudem soll eine Grundlage für die
Entwicklung von fremdsprachlichen Kompetenzmodellen bereitgestellt werden, die Teilkompetenzen und Niveaus deutlicher
und empirisch gesicherter beschreiben und abbilden, als dies bisher der Fall
war.
Auf disziplinpolitischer Ebene
wird in der Studie angestrebt, Stärken und Schwächen des Lernens und Lehrens
des Französischen auf schulischer und universitärer Ebene aufzudecken, zu einer
Diskussion der Probleme des Französischunterrichts und ggf. zur Revision von
Unterrichtsmaterialien und der Unterrichtsgestaltung anzuregen.
Die geplante Studie ist somit
in mehrfacher Hinsicht innovativ:
1) Sie setzt traditionelle
Testverfahren in Bezug zu authentisch erhobenen Sprachdaten.
2) Sie
verspricht detaillierte Ergebnisse und Rückmeldungen über die tatsächlichen Sprachkompetenzen
von Französischlernern, -lehrern und -studierenden jenseits aller ideologischen
Verlautbarungen und möglichen Fehlinterpretationen des GER.
3) Sie
gibt Aufschluss über die Korrelation von sprachlichen Teilkompetenzen,
insbesondere der zur Zeit vernachlässigten Wortschatzkompetenz, im Verhältnis zu den rezeptiven und
produktiven Fertigkeiten des Hörens, Lesens und Sprechens.
4) Sie
verspricht klare Empfehlungen für die Aufgaben- und die Curriculumentwicklung mit dem Ziel der Qualitätssteigerung im Fach
Französisch an Schule und Universität: valide, breit einsetzbare Testverfahren
für Schule und Universität, eine bessere sprachpraktische Ausbildung der Lehrer
im Sinne der Kompetenzorientierung (z.B. Unterrichtsgespräch), eine Bezifferung
des Umfangs an Wortschatzeinheiten (nicht: Wörtern) und Einordnung derselben in
ein gestuftes Kompetenzmodell, das sich an das internationale Projekt Cambridge English Levels anlehnt.
5) Vor
allem aber ist zu erwarten, dass die Studie zu einer grundlegenden Reflexion
der strukturell problematischen Lehrerbildung anregen und die
berufsvorbereitende Ausbildung verbessern wird.
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[1] Die für die
Untersuchungen verwendete Grundlagenforschung wird hier der Einfachheit halber
wie in Bürgel & Siepmann (2010) referiert.
[2] Wie in der Einleitung erläutert,
versteht man einen Text eigentlich erst dann, wenn einem sämtliche lexiko-grammatischen Konstruktionen des
Textes bekannt sind. Die eigentliche Grundlage für die Verstehensforschung
sollte also die Einheit Konstruktion sein. Bisher geht man jedoch der
Einfachheit halber von Wörtern aus.
[3] Unter einer Wortfamilie
versteht man eine Reihe von Wörtern, die sich um denselben Wortstamm gruppieren
und ein gemeinsames lexikalisches Morphem enthalten, z.B. paraître,
apparaître, apparition, parution und apparence.
[4] Beispiel
aus privatem Literaturkorpus.
[5] Die Muttersprachler werden aus
naheliegenden Gründen in der Auswertung nicht berücksichtigt.
[6] Das nicht perfekte Abschneiden der Muttersprachler ist auf die Verwendung
des Übersetzungsverfahrens zurückzuführen. Nach eigenen mündlichen Angaben nach
Durchführung des Tests waren einer muttersprachlichen Lehrerin alle 108 Items
bekannt, der anderen ein Item des Niveau 3 unbekannt.
[7] Um mit dem Aufgabenformat der
Vierfach-Wahl nicht das Gedächtnis der Probanden zu überfordern, haben wir die Auswahlantworten so kurz wie
möglich gehalten.
[8] Das von den Muttersprachlern
erzielte Ergebnis wirft die Frage auf, ob das Hörverstehen auf höchstem
Sprachniveau so stark von kognitiven Faktoren abhängig ist, dass auch diese
Gruppe unter Umständen Fehlleistungen produziert. Eine umfangreichere
Vergleichsstudie wäre nötig, um in diesem Bereich genauere Aussagen machen zu
können.