Musik als Brücke zwischen den Kulturen -
Erfahrungen mit Musik im hochschulischen
Fremdsprachenunterricht
Ana Stipančević (Novi Sad,
Serbien)
Abstract (English)
In Serbia ,
above all, Northern Serbia , the German
language has a long tradition for this area was once under the dominance of the
House of Habsburg. German is taught at numerous elementary schools, grammar
schools and universities, but rarely are there learners who take a genuine
liking to German. This is all the more the case as a negative attitude towards
this language prevails in Serbia .
One of the reasons for this negative attitude has to do with old
cinematographic productions featuring partisans and Germans in which German is
often presented in an ordering tone. Even nowadays, as television rarely offers
the opportunity for listening to modern, authentic German, the media hardly
make any contribution to the distribution of the language in Serbia . Another
reason why German enjoys very little popularity among Serbian learners partly
boils down to the teachers whose teaching methods remain rather old-fashioned
and traditional. For the above reasons, the philosophical college of Novi Sad University has been making an attempt to integrate German pop music into language teaching so as to familiarize
students with the German language and culture and to enhance their motivation
to learn German. The paper presents a method appropriate for classroom work
with music as well as the research results of a one-year project aiming at the
integration of music in the teaching of German as a foreign language.
Key
words: University language teaching,
German as a Foreign Language, intercultural learning, music, media
Abstract (Deutsch)
In Serbien, vor allem in
Nordserbien, hat Deutsch eine lange Tradition, da dieses Gebiet einmal unter
der Herrschaft der Habsburger stand. An vielen Grundschulen, Gymnasien und
Hochschulen wird Deutsch unterrichtet, aber selten stößt man auf Lernende, die
Deutsch wirklich mögen. Es herrscht eine negative Einstellung dieser Sprache
gegenüber. Die Gründe dafür liegen in alten Filmproduktionen über Partisanen
und Deutsche, in denen die deutsche Sprache oft einen Befehlston hat. Dass das Deutsche
unter den Lernenden in Serbien so unbeliebt ist, ist teilweise aber auch die
Schuld der Lehrer und liegt an ihren altmodischen und traditionellen
Unterrichtsmethoden. Leider hat man im Fernsehen selten Gelegenheit, die
deutsche Sprache zu hören, so dass die Medien kaum einen Beitrag zur
Verbreitung des Deutschen in Serbien leisten können. Aus diesem Grund wurde an
der Philosophischen Fakultät der Universität Novi Sad bei den DaF-Lernern der
Versuch unternommen, deutsche Popmusik in den Unterricht einzubauen, um den
Lernenden die deutsche Sprache und Kultur näher zu bringen und ihre Lust auf die
Erlernung des Deutschen zu fördern. Im Beitrag werden methodische
Vorgehensweisen vorgestellt, die sich für die Arbeit mit Musik gut eignen,
sowie die Ergebnisse der einjährigen Arbeit mit Musik im DaF-Unterricht.
Stichwörter: Hochschulischer
Fremdsprachenunterricht, Deutsch als Fremdsprache, interkulturelles Lernen,
Musik, Medien
1 Kulturbegriff
Kultur wird als kollektive Programmierung des Geistes bezeichnet, die
die Mitglieder einer Gruppe oder Kategorie von Menschen von einer anderen
unterscheidet. Kultur ist erlernt, sie leitet sich aus unserem sozialen Umfeld
ab, nicht aus unseren Genen (Kumbier & Schulz von Thun 2011: 10). Durch die
Globalisierung der Wirtschaft, durch Ein- und Auswanderung und durch den
Tourismus wird man vor allem in Deutschland mit anderen Kulturen und fremden
Umgangsformen konfrontiert. Deshalb spricht man oft über interkulturelle
Kommunikation und Konflikte, die entstehen können, wenn zwei verschiedene
Kulturen und Welten aufeinander prallen (Kumbier & Schulz von Thun 2011:
11). Es stellt sich die Frage, wie zwei Kulturen – wie z. B. die deutsche und
die serbische Kultur –, die fast keinen Kontakt miteinander haben und selten
aufeinander stoßen, miteinander verbunden werden können. Zum besseren
Verständnis der für diese Distanz existierenden Gründe wird im nächsten
Abschnitt zunächst näher auf die deutsch-serbischen Beziehungen in
Vergangenheit und Gegenwart eingegangen.
1.1 Die deutsch-serbischen Beziehungen in der Vergangenheit
Die deutsch-serbischen Beziehungen haben eine lange Geschichte. Zur
ersten Begegnung zwischen Deutschen und Serben kam es durch die Donauschwaben.
Der Sammelbegriff Donauschwaben
bezieht sich auf Deutsche, die in die Gebiete der Pannonischen Tiefebene
entlang der Donau eingewandert sind. Die Ansiedlungen beschränkten sich auf
habsburgische Militärbezirke. Nach dem Zerfall der österreichisch-ungarischen
Monarchie wurden die Siedlungsgebiete der Deutschen dreigeteilt. Ein Teil
verblieb bei Ungarn, der zweite Teil wurde Rumänien zugeteilt und der dritte
Teil Jugoslawien[1].
Was heutzutage als Reste der deutschen Kultur in Serbien bezeichnet werden kann, sind neben einigen Bauwerken noch
eine Reihe von Germanismen, die vor allem in Nordserbien unter der älteren
Generation gebraucht werden. Beispiele für diese sind Haustor (haustor), Einfahrt (ajnfort), frühstücken (fruštukovati), Strudel (štrudla), Liegestuhl (ligenštul).
Im Zweiten Weltkrieg wurde Serbien durch Deutschland okkupiert, und
viele Donauschwaben flüchteten nach Deutschland. Die
Okkupation Serbiens durch die Deutschen ist zum Thema vieler serbischer Filme
geworden und hat das Bild von Deutschland und den Deutschen nachhaltig geprägt.
Deutsche wurden meistens als böse dargestellt, während die serbischen
Partisanen verherrlicht wurden. Durch diese Filme haben viele Menschen deutsche
Wörter gelernt, doch diese entstammen zum größten Teil dem Wortfeld Krieg, wie beispielsweise Halt, Ausweis, nicht schießen. Außerdem
herrscht in diesen Filmen im Allgemeinen ein Befehlston vor, der sich grob und
aggressiv anhört, so dass man die deutsche Sprache auch heute noch mit Krieg
und Aggressivität in Verbindung bringt.
1.2 Die deutsch-serbischen Beziehungen heute
Heutzutage wird der Kontakt zur deutschen
Kultur – abgesehen von den Gastarbeitern und Flüchtlingen – meist durch die
Erlernung des Deutschen als Fremdsprache hergestellt. An vielen Grundschulen,
Gymnasien und Hochschulen wird Deutsch unterrichtet. Die Schüler / Studierenden
zeigen beim Lernen der deutschen Sprache aber meist keine besondere Motivation.
Viele empfinden diese Stunden als eine Tortur. Wenn sich jemand dennoch dafür
entscheidet, Deutsch freiwillig zu lernen, tut er es nicht selten aus
beruflichen Gründen. Entweder hat er vor, in Deutschland zu arbeiten, oder er
möchte Kontakte zu deutschen Unternehmern aufnehmen. Nur selten stößt man
jedoch auf Lernende, die Deutsch wirklich mögen.
Neben den bereits erwähnten Auswirkungen der deutsch-serbischen
Geschichte und ihrer Verarbeitung in serbischen Filmen haben jedoch noch
weitere Faktoren zur Entwicklung dieser Abneigung gegenüber der deutschen
Sprache beigetragen. Dass Deutsch unter den Lernenden in Serbien nicht
besonders beliebt ist, ist teilweise auch die Schuld der Lehrer und liegt an
ihren veralteten und traditionellen Methoden beim Unterrichten. Nicht selten
hört man, dass jemand Deutsch zwölf Jahre lang in der Schule gelernt hat und
trotzdem kaum mehr als einen Satz auf Deutsch bilden kann. Viele behaupten auch,
dass sie die Grammatik zwar gut beherrschen, Deutsch aber trotzdem nicht
sprechen können.
Das Problem besteht u.a. darin, dass junge Leute nicht die Möglichkeit
haben, authentisches Deutsch zu hören. Sehr wenige können sich eine Reise nach
Deutschland leisten, wo man die Sprache und Kultur am besten erleben kann. Auch
wenn fast jeder Serbe heute einen Kabelanschluss hat, kann man in Serbien fast
nur inländische und englische Sender empfangen. Deutsche Sender gibt es kaum,
so dass das Deutsche sich in Serbien nicht einmal mit Hilfe der Medien
verbreiten kann. Dies führt dazu, dass der Kontakt zur deutschen Sprache
hauptsächlich durch den Lehrer vermittelt wird und es deshalb auf dessen
methodische Kompetenzen ankommt. Nur wenn der Lehrer sich bemüht, den Lernenden
nicht nur Grammatik und Wortschatz zu vermitteln, sondern vor allem das
Interesse an der deutschen Sprache und Kultur zu wecken, hat das Deutsche bei
den jungen Leuten eine Chance. Die Arbeit mit Musik kann helfen, dieses
anspruchsvolle Unterfangen umzusetzen.
2 Die Bedeutung der Musik bei der Erlernung
einer Sprache
Die Kommunikation mit Hilfe von Sprache ist nur eine der
Interaktionsmöglichkeiten, die bei Begegnungen zwischen Angehörigen
verschiedener Kulturen vollzogen wird (Schatt 2000: 3). Auch Gestik, Mimik und
Musik sind Medien, durch welche Absichten, Meinungen, Urteile, Emotionen, also
Haltungen ausgedrückt bzw. wahrgenommen werden. Die interkulturelle
Musikerziehung verweist auf die Vernetzung zwischen Musik und sozialen Systemen
oder sozialen Erfahrungen: Lieder sind in einer bestimmten gesellschaftlichen
Situation entstanden und sagen etwas über die Zeit und sozialen Umstände aus.
Sie sind dadurch als ein Stück Landeskunde anzusehen.
Musik kann uns verzaubern. Wenn wir Musik hören, fühlen wir uns
plötzlich bewegt, wir haben Lust zu tanzen oder zu singen (Schütz 1997: 4). Die
Ursache für unser Bewegtsein bleibt meist unbewusst. Wir erleben etwas auf
körperlicher, emotionaler und geistiger Ebene, aber wir können es nicht
hinreichend erklären. Dieses Potenzial der Musik ist nicht nur im
Musikunterricht erkannt worden, sondern auch im Sprachunterricht – und zwar im
Mutter- und im Fremdsprachenunterricht.
2.1 Der Unterricht Deutsch als Muttersprache (DaM) / Deutsch als Zweitsprache
(DaZ)
In Deutschland war man lange Zeit der Auffassung, dass Kinder mit
Deutsch als Zweitsprache – insbesondere, wenn sie in Deutschland geboren sind –
die Mehrheitssprache am besten dadurch lernen, dass man sie von Anfang an in
deutsche Regelklassen einschult, damit sie die neue Sprache durch den Zwang zu
ihrer Nutzung erwerben (Belke 2007: 5). Die mit dieser Auffassung verbundenen
Erwartungen haben sich nicht erfüllt. Gerade die sprachlichen Fähigkeiten
werden in vielsprachigen Klassen unzureichend entwickelt (Belke 2007: 5).
Kinder mit Deutsch als Zweitsprache haben bis weit in die Sekundarstufe hinein
Probleme mit der Grammatik und mit der Schriftsprache. Das hat die PISA-Studie
auf dramatische Weise deutlich gemacht (Belke 2007: 5). Hinzu kommt, dass bereits
bei einem Anteil von etwa 20% an Zuwanderkindern das Lernniveau in der gesamten
Klasse – also auch für deutschsprachige Schüler – deutlich sinkt (Belke 2007:
5). Aus diesem Grunde wurden sprachdidaktische Konzepte entwickelt, die sich
für Kinder mit Deutsch als Muttersprache und Deutsch als Zweitsprache dafür eignen,
ihnen ihr Sprachkönnen bewusster zu machen und dessen Entwicklung
voranzutreiben. Die Arbeit mit Liedern hat sich als gute Technik zur Aneignung
grammatischer Strukturen erwiesen (Belke 2007: 5). Durch das Singen werden den
Schülern die korrekten sprachlichen Formen leicht eingängig. Auf diese Weise ist der Grammatikunterricht nicht
mehr langweilig, sondern macht sowohl Lehrern als auch Schülern Spaß.
2.2 Der Unterricht Deutsch als Fremdsprache (DaF)
Aus der Sicht der Musikpsychologie erscheint ein integratives Konzept
von Musik und Fremdsprache besonders förderlich. Es werden sieben grundlegende
Funktionen beschrieben, die der Musik im Fremdsprachenlernprozess zukommen
(nach Quast 1996: 107):
- physiologische Funktion: Musik fördert die Behaltensleistung
- psychohygienische Funktion: Musik erzeugt Entspannung
- emotionale Funktion: Musik als Auslöser von Gefühlsprozessen
- sozialpsychologische Funktion: Musik stärkt die Gruppendynamik
- kognitive Funktion: Musik als Mittel zur Förderung von Bewusstseinsprozessen
- suggestive Funktion: Musik als Mittel zur Förderung unbewussten Lernens
- kommunikative Funktion: Musik als Auslöser von Prozessen der Informationsvermittlung
Grundsätzlich bietet Musik – und dies unabhängig von der Stilrichtung – die Chance, die Erlernung einer Fremdsprache mit positiven Assoziationen zu
verbinden und nicht nur mit negativen wie Mühe, Frustration oder dem Gedanken
an Klausuren (Balzer 1999).
3 Kriterien
zur Auswahl von Liedern und Vorschläge der
Didaktisierung
Die Auswahl von Liedern für den Unterricht muss folgenden Kriterien
entsprechen: Die Lieder müssen Spaß machen und motivieren, ihre Themen müssen
den Schülern, ihrem Alter und Sprachstand entsprechen, und sie müssen mit einem
geeigneten Rhythmus und deutlicher Aussprache vorgespielt werden. Außerdem
können sie einen Refrain und auch landeskundliche Aspekte enthalten (Rodriguez
Cemillan 2000). Durch die Arbeit mit der Musik können alle vier kommunikativen
Fertigkeiten gefördert werden: das Hör- und Leseverstehen ebenso wie die
mündliche und die schriftliche Sprachproduktion.
3.1 Übungen zum Hörverstehen
Da bekannt ist,
dass es ohne Hören kein Sprechen
gibt, bildet das Hörverstehen die Grundlage des Sprechens, der mündlichen
Kommunikation überhaupt. Wenn Lehrer die neue Sprache benutzen, funktioniert
das Hörverstehen ja meist recht gut. An ihre Sprechweise sind die Schüler
gewöhnt, und die Lehrenden nehmen Rücksicht auf die beschränkten
Sprachkenntnisse der Lernenden. Trifft man aber auf andere Sprecher der
Fremdsprache – sei es bei einer persönlichen Begegnung, auf Tonträgern, im
Radio oder am Telefon –, dann kann es leicht geschehen, dass man nach wenigen
Worten den Anschluss verliert und am Ende nichts mehr versteht (Solmecke 1992:
7). So ein Hörverstehen, bei dem man nichts versteht, zerstört die Motivation,
sich weiter mit gesprochenen fremdsprachlichen Texten auseinanderzusetzen. Es
werden also auch bei der Arbeit mit Liedern besondere didaktische Verfahren benötigt,
um das Verständnis zu erleichtern (Dahlhaus 1994: 76). Zu diesen
didaktischen Verfahren gehören alle Arten der Vorbereitung und Vorentlastung,
wie z.B. die Erstellung von Assoziogrammen und die Arbeit mit Bildern ebenso
wie mit Wort- und Satzkarten. Die didaktische Arbeit darf auf der anderen Seite
das Lied nicht zerstören und es für Übungszwecke ausschlachten. Was schön am
Lied ist – das Hörerlebnis – muss auch im Unterricht schön bleiben (van Eunen
1992: 39).
3.1.1 Übungen vor dem Hören
Vor dem ersten Anhören des Liedes kann ein
Schlüsselwort aus dem Text vorgegeben und ein Assoziogramm erstellt werden, in
dem die Schüler oder Studierenden ihre eigenen Vorstellungen, Erfahrungen und
ihr Vorwissen zum Ausdruck bringen (Dahlhaus 1994: 68). Eine andere
Möglichkeit, in das Thema des Liedes einzusteigen, ist die Arbeit mit Wortkarten.
Die Schüler bzw. Studierenden erhalten auf den Karten Schlüsselwörter aus dem
Liedtext und konzipieren damit eine Geschichte. Über Bilder können die Lerner
ebenso auf das Lied eingestimmt und zur Mitarbeit motiviert werden. Das Ziel
dieser Übungen ist es, die Lerner auf den Hörtext vorzubereiten, ihn sprachlich
vorzuentlasten und eine Erwartungshaltung aufzubauen.
3.1.2 Übungen während des Hörens
Gewöhnlich wird das ganze Lied vorgespielt,
damit die Lernenden einen ersten Eindruck dessen bekommen. Wichtig ist es
dabei, dass sie vor dem ersten Anhören des Liedes einen Hörauftrag bekommen. Er
kann darin bestehen:
- Wort- oder Satzwiederholungen zu identifizieren,
- auf Orte, Personen oder den Refrain zu achten und / oder
- aufzuschreiben, was man verstanden hat.
Neben diesen Aufgaben bieten sich andere Arten von Aufgabenstellungen
zur Überprüfung des Hörverstehens an. Diese sind:
- die Ergänzung der Lückentexte,
- die Korrektur eines inkorrekten Liedtextes: Die Schüler bekommen einen sprachlich falschen Text, den sie während des Hörens des Liedes korrigieren sollen, oder auch
- das Textpuzzle: Der Lehrer gibt eine ungeordnete Reihenfolge von Strophen oder Versen / Sätzen vor und lässt sie in die richtige Reihenfolge bringen (Rodriguez Cemillan 2000).
3.2 Übungen zum Leseverstehen und zur mündlichen
Sprachproduktion
Nachdem der
Hörtext angehört wurde, erfolgt das Leseverstehen. In dieser Phase werden
unbekannte Wörter erklärt und es wird aus dem Wortschatz ein Glossar gebildet
(Rodriguez Cemillan 2000). Teile des Liedes können gelesen werden, und es kann
über den Inhalt (Thema, Personen und Handlung) diskutiert werden. Auf diese
Weise wird nicht nur das Leseverstehen geübt, sondern auch die mündliche Sprachproduktion. Hier können
handlungsorientierte Techniken eingesetzt werden, wie z.B. die Transformation
des Liedes in Minidialoge, Rollenspiele oder Sketche. Dabei können die
Lernenden ihrer Kreativität freien Lauf lassen.
3.3 Übungen zur
schriftlichen Sprachproduktion
In dieser Phase
werden produktionsorientierte Techniken eingesetzt, wie beispielsweise die
Erstellung eines Parallelliedes. Die Lernenden können eine Geschichte zum Thema
des Liedes schreiben, einen fiktiven Brief an den Sänger verfassen, einen
Kommentar oder eine Kritik schreiben oder das Lied weiterdichten (Rodriguez
Cemillan 2000).
4 Der Einsatz von Musik im hochschulischen Fremdsprachenunterricht
Dass sich auch im hochschulischen Deutschunterricht erfolgreich mit
Musik arbeiten lässt, soll abschließend an einem Kursbeispiel deutlich gemacht
werden. Dabei werden methodische Vorgehensweisen präsentiert, die sich für die
Arbeit mit Musik eignen, sowie die
Ergebnisse eigener einjähriger Arbeit mit Musik im DaF-Unterricht erläutert.
In den Vordergrund dieser Beschäftigung mit der Musik wurde nicht die Erlernung
des Deutschen, sondern das Erleben des Deutschen gestellt. Das
heißt, dass man sich nicht darauf beschränkt, durch Lieder neuen Wortschatz
einzuführen, sondern durch das Singen die deutsche Sprache und Kultur zu
erleben. Das erscheint als ein erster
Schritt in Richtung auf eine Verbindung zwischen der deutschen und serbischen
Kultur und als ein Weg zum Abbau von Vorurteilen gegenüber der deutschen
Sprache.
Die Teilnehmer des zu beschreibenden DaF-Kurses waren Studierende der
Philosophischen Fakultät der Universität Novi Sad (Serbien) aus den
Fachbereichen Anglistik, Geschichtswissenschaften, Journalistik, Pädagogik,
Philosophie, Psychologie, Romanistik, Slawistik und Sozialwissenschaften. Alle
Studierenden hatten Deutschkenntnisse auf dem Sprachniveau A1 des Gemeinsamen
Europäischen Referenzrahmens. Das gesamte Projekt dauerte zwei Semester.
4.1 Liederauswahl
Zuerst wurden diejenigen Lieder bearbeitet, bei denen die beste
Aussicht darauf bestand, dass sie den Lernenden gut gefallen würden, also
solche Lieder, die Spaß machen, einen angenehmen Rhythmus haben und sprachlich
gut verständlich sind. Später wurde die Auswahl der Lieder den Studierenden
überlassen, indem ihnen fünf Lieder vorgespielt wurden und sie sich durch
Abstimmung für eines davon entschieden. Gegenstand der Beschäftigung waren vor
allem Pop- und Rockmusik, aber auch deutsche Schlager, die bei den
Lernenden überraschenderweise sehr gut ankamen.
4.2 Methodisches Vorgehen
Die Beschäftigung mit der Musik erfolgte immer in den letzten 15
Minuten einer 90-minütigen Unterrichtsstunde, wenn die Konzentrationsfähigkeit
der Studenten gemeinhin abnahm. Die Kurse fanden zweimal pro Woche statt, und
jedes Lied wurde vier Wochen lang bearbeitet, im Durchschnitt also jeweils zwei
Zeitstunden lang. Dabei war wichtig, dass Kontinuität im Musikhören erzielt
wurde, so dass sich die Hörkompetenz bei den Studierenden langsam entwickeln
und die Lernenden sich das jeweilige Lied gut merken konnten. Im Folgenden soll
die Behandlung der Musik in den acht 15-minütigen Zeiteinheiten betrachtet
werden.
In der ersten Zeiteinheit wurde ein Assoziogramm zum Thema des Liedes
erstellt. Den Studierenden wurde dadurch die Möglichkeit gegeben, ihre eigenen
Erfahrungen, Wünsche und Gedanken zum Thema des Liedes einzubringen
(Koppensteiner 2001: 57). Im Assoziogramm wurden auch Schlüsselwörter eingeführt, die den Text
des Liedes sprachlich vorentlasteten. Da alle Teilnehmer des Kurses geringe
Deutschkenntnisse hatten, bestand der erste Hörauftrag darin, die Wörter aus
dem Assoziogramm herauszuhören. Auf diese Weise wurde die Aufmerksamkeit beim
Hören in eine bestimmmte Richtung gelenkt (Dahlhaus 1994: 16).
In der zweiten Zeiteinheit – bzw. beim zweiten Hören – bekamen die
Lernenden einen neuen Hörauftrag in Form eines Lückentextes. Die Wörter, die
ergänzt werden sollten, waren Schlüsselwörter, aber auch Wörter, die die
Lernenden schon kannten. Auf diese Weise wurde geprüft, ob die Lernenden
bereits bekannte Wörter in einer authentischen Situation identifizieren
konnten, wenn das Sprechtempo nicht auf ihren Kenntnisstand abgestimmt war. Die
Ergebnisse haben gezeigt, dass die Studierenden durchaus Schwierigkeiten damit
hatten, bekannte Wörter zu identifizieren. Da jede Stunde mit einem
authentischen Hörtext gearbeitet wurde, konnten diese Hindernisse jedoch
allmählich aus dem Weg geräumt werden. Nachdem sich die Lernenden den Hörtext
angehört hatten, erfolgte die Kontrolle. Als Hausaufgabe sollten die
Studierenden serbische Entsprechungen für die Schlüsselwörter aus dem Liedtext
finden.
In der dritten Zeiteinheit wurde überprüft, wie die Lernenden die
Schlüsselwörter übersetzten. Es wurde darüber gesprochen, wie sie das Lied erlebten, welche Gefühle es in ihnen auslöste,
welche Zeile / Strophe ihnen besonders gefiel und warum.
Da der Inhalt des Liedes allen Teilnehmern nunmehr bekannt war,
erfolgte die zweite Phase der Arbeit mit Musik: das eigentliche Singen. Da die
Räume an der Philosophischen Fakultät mit Computer, Projektor und Beamer
ausgestattet sind, hatten die Lernenden die Möglichkeit, gleichzeitig das Lied
zu hören und den Text des Liedes auf der Leinwand mitzulesen. In dieser
Unterrichtsphase hatten die Lernenden noch immer Schwierigkeiten beim Singen,
vor allem wegen des Sprechtempos des Sängers sowie wegen der komplexen
sprachlichen Strukturen. Aus diesem Grunde
ähnelte diese erste Phase des Singens mehr einem Lesen als einem Singen im engeren Wortsinn.
Ab der 5. Zeiteinheit wurde nur noch gesungen. Die Lernenden wurden
dabei nach und nach immer selbstbewusster, so dass sie in der letzten
Zeiteinheit das ganze Lied vorsingen konnten, ohne den Text mitzulesen.
5 Ergebnisse
Durch das regelmäßige Musikhören waren folgende Ergebnisse
festzustellen. Die Studierenden machten große Fortschritte im Verstehen der
authentischen Hörtexte, so dass sie Hörübungen aus dem Lehrwerk nunmehr mit
größerer Leichtigkeit lösen konnten. Durch das Singen wurde auch ihr (passiver)
Wortschatz erweitert. Einige Lernende verwendeten auch in ihrem aktiven
Sprachgebrauch einige Wörter aus den Liedern. Das Singen machte allen Lernenden
Spaß, was sich natürlich auf die Unterrichtsatmosphäre auswirkte: Das
Deutsche wurde nunmehr mit Freude assoziiert und nicht mit Krieg oder
Aggression.
Lieder übertragen Gefühle, wodurch die deutsche Sprache einen anderen
Klang bekommt. Sie ist expressiver, gefühlsbetonter und kann sowohl das Leiden
als auch das Glück eines Menschen ausdrücken. Dadurch wird das Vorurteil
abgebaut, dass Deutsch eine grobe und aggressive Sprache sei.
Der Einsatz von Musik prägte die Dynamik der Unterrichtsstunden und
motivierte die Studenten zur Mitarbeit. Sie
nahmen gern am Unterricht teil und äußerten ihre Meinungen und Ideen. Sie
zeigten Interesse zu erfahren, worum es in dem jeweiligen Lied ging und lernten
dadurch Werte und Haltungen einer anderen Kultur kennen. Einige Studenten
fingen sogar an, in ihrer Freizeit deutsche Musik zu hören, was einen kleinen,
aber wichtigen Schritt in Richtung auf eine Annäherung dieser zwei einander
entfremdeten Kulturen darstellt.
6 Probleme
Das Singen mit Erwachsenen ist viel schwieriger als mit Kindern. Einige
Studierende sind von Natur aus offen und singen gern im Unterricht. Die anderen
sind jedoch zurückgezogener. Es ist möglich, dass sie das Singen nicht mögen
oder sich einfach nicht trauen, vor ihren Kommilitonen zu singen, oder sich
dabei unwohl fühlen. Auf keinen Fall sollte sich jemand zum Singen gezwungen
fühlen. Wenn der Lehrer jedoch merkt, dass der Lernende Lust dazu hat,
mitzusingen, sich aber nicht traut, sollte er ihn ermutigen. Wenn der Lernende
nicht gern singt, sollte man ihm eine Aufgabe geben, die ihn auf andere Weise
zur Mitarbeit motiviert, wie zum Beispiel diejenige, auf die Aussprache des
Sängers zu achten und sie möglichst getreu nachzuahmen. Diese Methode hat sich
bewährt, weil auch diese schüchternen Lernenden nach einiger Zeit nachgeben und
mit den anderen in die Lieder einstimmen.
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