Wissenschaftlicher Sammelband, herausgegeben von Thomas Tinnefeld unter Mitarbeit von Ines-A. Busch-Lauer, Hans Giessen, Michael Langner, Adelheid Schumann. Saarbrücken: htw saar 2012. ISBN 978-3-942949-00-2.



Musik als Brücke zwischen den Kulturen - 
Erfahrungen mit Musik im hochschulischen Fremdsprachenunterricht

Ana Stipančević (Novi Sad, Serbien)


Abstract (English)
In Serbia, above all, Northern Serbia, the German language has a long tradition for this area was once under the dominance of the House of Habsburg. German is taught at numerous elementary schools, grammar schools and universities, but rarely are there learners who take a genuine liking to German. This is all the more the case as a negative attitude towards this language prevails in Serbia. One of the reasons for this negative attitude has to do with old cinematographic productions featuring partisans and Germans in which German is often presented in an ordering tone. Even nowadays, as television rarely offers the opportunity for listening to modern, authentic German, the media hardly make any contribution to the distribution of the language in Serbia. Another reason why German enjoys very little popularity among Serbian learners partly boils down to the teachers whose teaching methods remain rather old-fashioned and traditional. For the above reasons, the philosophical college of Novi Sad University has been making an attempt to integrate German pop music into language teaching so as to familiarize students with the German language and culture and to enhance their motivation to learn German. The paper presents a method appropriate for classroom work with music as well as the research results of a one-year project aiming at the integration of music in the teaching of German as a foreign language.
Key words: University language teaching, German as a Foreign Language, intercultural learning, music, media


Abstract (Deutsch)

In Serbien, vor allem in Nordserbien, hat Deutsch eine lange Tradition, da dieses Gebiet einmal unter der Herrschaft der Habsburger stand. An vielen Grundschulen, Gymnasien und Hochschulen wird Deutsch unterrichtet, aber selten stößt man auf Lernende, die Deutsch wirklich mögen. Es herrscht eine negative Einstellung dieser Sprache gegenüber. Die Gründe dafür liegen in alten Filmproduktionen über Partisanen und Deutsche, in denen die deutsche Sprache oft einen Befehlston hat. Dass das Deutsche unter den Lernenden in Serbien so unbeliebt ist, ist teilweise aber auch die Schuld der Lehrer und liegt an ihren altmodischen und traditionellen Unterrichtsmethoden. Leider hat man im Fernsehen selten Gelegenheit, die deutsche Sprache zu hören, so dass die Medien kaum einen Beitrag zur Verbreitung des Deutschen in Serbien leisten können. Aus diesem Grund wurde an der Philosophischen Fakultät der Universität Novi Sad bei den DaF-Lernern der Versuch unternommen, deutsche Popmusik in den Unterricht einzubauen, um den Lernenden die deutsche Sprache und Kultur näher zu bringen und ihre Lust auf die Erlernung des Deutschen zu fördern. Im Beitrag werden methodische Vorgehensweisen vorgestellt, die sich für die Arbeit mit Musik gut eignen, sowie die Ergebnisse der einjährigen Arbeit mit Musik im DaF-Unterricht.
Stichwörter: Hochschulischer Fremdsprachenunterricht, Deutsch als Fremdsprache, interkulturelles Lernen, Musik,  Medien



1   Kulturbegriff

Kultur wird als kollektive Programmierung des Geistes bezeichnet, die die Mitglieder einer Gruppe oder Kategorie von Menschen von einer anderen unterscheidet. Kultur ist erlernt, sie leitet sich aus unserem sozialen Umfeld ab, nicht aus unseren Genen (Kumbier & Schulz von Thun 2011: 10). Durch die Globalisierung der Wirtschaft, durch Ein- und Auswanderung und durch den Tourismus wird man vor allem in Deutschland mit anderen Kulturen und fremden Umgangsformen konfrontiert. Deshalb spricht man oft über interkulturelle Kommunikation und Konflikte, die entstehen können, wenn zwei verschiedene Kulturen und Welten aufeinander prallen (Kumbier & Schulz von Thun 2011: 11). Es stellt sich die Frage, wie zwei Kulturen  wie z. B. die deutsche und die serbische Kultur , die fast keinen Kontakt miteinander haben und selten aufeinander stoßen, miteinander verbunden werden können. Zum besseren Verständnis der für diese Distanz existierenden Gründe wird im nächsten Abschnitt zunächst näher auf die deutsch-serbischen Beziehungen in Vergangenheit und Gegenwart eingegangen.   

 

1.1  Die deutsch-serbischen Beziehungen in der Vergangenheit

Die deutsch-serbischen Beziehungen haben eine lange Geschichte. Zur ersten Begegnung zwischen Deutschen und Serben kam es durch die Donauschwaben. Der Sammelbegriff Donauschwaben bezieht sich auf Deutsche, die in die Gebiete der Pannonischen Tiefebene entlang der Donau eingewandert sind. Die Ansiedlungen beschränkten sich auf habsburgische Militärbezirke. Nach dem Zerfall der österreichisch-ungarischen Monarchie wurden die Siedlungsgebiete der Deutschen dreigeteilt. Ein Teil verblieb bei Ungarn, der zweite Teil wurde Rumänien zugeteilt und der dritte Teil Jugoslawien[1].

Was heutzutage als Reste der deutschen Kultur in Serbien bezeichnet werden kann, sind neben einigen Bauwerken noch eine Reihe von Germanismen, die vor allem in Nordserbien unter der älteren Generation gebraucht werden. Beispiele für diese sind Haustor (haustor), Einfahrt (ajnfort), frühstücken (fruštukovati), Strudel (štrudla), Liegestuhl (ligenštul).  

Im Zweiten Weltkrieg wurde Serbien durch Deutschland okkupiert, und viele Donauschwaben flüchteten nach Deutschland. Die Okkupation Serbiens durch die Deutschen ist zum Thema vieler serbischer Filme geworden und hat das Bild von Deutschland und den Deutschen nachhaltig geprägt. Deutsche wurden meistens als böse dargestellt, während die serbischen Partisanen verherrlicht wurden. Durch diese Filme haben viele Menschen deutsche Wörter gelernt, doch diese entstammen zum größten Teil dem Wortfeld Krieg, wie beispielsweise Halt, Ausweis, nicht schießen. Außerdem herrscht in diesen Filmen im Allgemeinen ein Befehlston vor, der sich grob und aggressiv anhört, so dass man die deutsche Sprache auch heute noch mit Krieg und Aggressivität in Verbindung bringt.

1.2  Die deutsch-serbischen Beziehungen heute

Heutzutage wird der Kontakt zur deutschen Kultur  abgesehen von den Gastarbeitern und Flüchtlingen  meist durch die Erlernung des Deutschen als Fremdsprache hergestellt. An vielen Grundschulen, Gymnasien und Hochschulen wird Deutsch unterrichtet. Die Schüler / Studierenden zeigen beim Lernen der deutschen Sprache aber meist keine besondere Motivation. Viele empfinden diese Stunden als eine Tortur. Wenn sich jemand dennoch dafür entscheidet, Deutsch freiwillig zu lernen, tut er es nicht selten aus beruflichen Gründen. Entweder hat er vor, in Deutschland zu arbeiten, oder er möchte Kontakte zu deutschen Unternehmern aufnehmen. Nur selten stößt man jedoch auf Lernende, die Deutsch wirklich mögen.

Neben den bereits erwähnten Auswirkungen der deutsch-serbischen Geschichte und ihrer Verarbeitung in serbischen Filmen haben jedoch noch weitere Faktoren zur Entwicklung dieser Abneigung gegenüber der deutschen Sprache beigetragen. Dass Deutsch unter den Lernenden in Serbien nicht besonders beliebt ist, ist teilweise auch die Schuld der Lehrer und liegt an ihren veralteten und traditionellen Methoden beim Unterrichten. Nicht selten hört man, dass jemand Deutsch zwölf Jahre lang in der Schule gelernt hat und trotzdem kaum mehr als einen Satz auf Deutsch bilden kann. Viele behaupten auch, dass sie die Grammatik zwar gut beherrschen, Deutsch aber trotzdem nicht sprechen können.

Das Problem besteht u.a. darin, dass junge Leute nicht die Möglichkeit haben, authentisches Deutsch zu hören. Sehr wenige können sich eine Reise nach Deutschland leisten, wo man die Sprache und Kultur am besten erleben kann. Auch wenn fast jeder Serbe heute einen Kabelanschluss hat, kann man in Serbien fast nur inländische und englische Sender empfangen. Deutsche Sender gibt es kaum, so dass das Deutsche sich in Serbien nicht einmal mit Hilfe der Medien verbreiten kann. Dies führt dazu, dass der Kontakt zur deutschen Sprache hauptsächlich durch den Lehrer vermittelt wird und es deshalb auf dessen methodische Kompetenzen ankommt. Nur wenn der Lehrer sich bemüht, den Lernenden nicht nur Grammatik und Wortschatz zu vermitteln, sondern vor allem das Interesse an der deutschen Sprache und Kultur zu wecken, hat das Deutsche bei den jungen Leuten eine Chance. Die Arbeit mit Musik kann helfen, dieses anspruchsvolle Unterfangen umzusetzen.

 

2   Die Bedeutung der Musik bei der Erlernung einer Sprache

Die Kommunikation mit Hilfe von Sprache ist nur eine der Interaktionsmöglichkeiten, die bei Begegnungen zwischen Angehörigen verschiedener Kulturen vollzogen wird (Schatt 2000: 3). Auch Gestik, Mimik und Musik sind Medien, durch welche Absichten, Meinungen, Urteile, Emotionen, also Haltungen ausgedrückt bzw. wahrgenommen werden. Die interkulturelle Musikerziehung verweist auf die Vernetzung zwischen Musik und sozialen Systemen oder sozialen Erfahrungen: Lieder sind in einer bestimmten gesellschaftlichen Situation entstanden und sagen etwas über die Zeit und sozialen Umstände aus. Sie sind dadurch als ein Stück Landeskunde anzusehen.

Musik kann uns verzaubern. Wenn wir Musik hören, fühlen wir uns plötzlich bewegt, wir haben Lust zu tanzen oder zu singen (Schütz 1997: 4). Die Ursache für unser Bewegtsein bleibt meist unbewusst. Wir erleben etwas auf körperlicher, emotionaler und geistiger Ebene, aber wir können es nicht hinreichend erklären. Dieses Potenzial der Musik ist nicht nur im Musikunterricht erkannt worden, sondern auch im Sprachunterricht  und zwar im Mutter- und im Fremdsprachenunterricht.


2.1  Der Unterricht Deutsch als Muttersprache (DaM) / Deutsch als Zweitsprache

       (DaZ)


In Deutschland war man lange Zeit der Auffassung, dass Kinder mit Deutsch als Zweitsprache  insbesondere, wenn sie in Deutschland geboren sind – die Mehrheitssprache am besten dadurch lernen, dass man sie von Anfang an in deutsche Regelklassen einschult, damit sie die neue Sprache durch den Zwang zu ihrer Nutzung erwerben (Belke 2007: 5). Die mit dieser Auffassung verbundenen Erwartungen haben sich nicht erfüllt. Gerade die sprachlichen Fähigkeiten werden in vielsprachigen Klassen unzureichend entwickelt (Belke 2007: 5). Kinder mit Deutsch als Zweitsprache haben bis weit in die Sekundarstufe hinein Probleme mit der Grammatik und mit der Schriftsprache. Das hat die PISA-Studie auf dramatische Weise deutlich gemacht (Belke 2007: 5). Hinzu kommt, dass bereits bei einem Anteil von etwa 20% an Zuwanderkindern das Lernniveau in der gesamten Klasse  also auch für deutschsprachige Schüler  deutlich sinkt (Belke 2007: 5). Aus diesem Grunde wurden sprachdidaktische Konzepte entwickelt, die sich für Kinder mit Deutsch als Muttersprache und Deutsch als Zweitsprache dafür eignen, ihnen ihr Sprachkönnen bewusster zu machen und dessen Entwicklung voranzutreiben. Die Arbeit mit Liedern hat sich als gute Technik zur Aneignung grammatischer Strukturen erwiesen (Belke 2007: 5). Durch das Singen werden den Schülern die korrekten sprachlichen Formen leicht eingängig. Auf diese Weise ist der Grammatikunterricht nicht mehr langweilig, sondern macht sowohl Lehrern als auch Schülern Spaß.

2.2  Der Unterricht Deutsch als Fremdsprache (DaF)

Aus der Sicht der Musikpsychologie erscheint ein integratives Konzept von Musik und Fremdsprache besonders förderlich. Es werden sieben grundlegende Funktionen beschrieben, die der Musik im Fremdsprachenlernprozess zukommen (nach Quast 1996: 107):
  1. physiologische Funktion: Musik fördert die Behaltensleistung
  2. psychohygienische Funktion: Musik erzeugt Entspannung
  3. emotionale Funktion: Musik als Auslöser von Gefühlsprozessen
  4. sozialpsychologische Funktion: Musik stärkt die Gruppendynamik
  5. kognitive Funktion: Musik als Mittel zur Förderung von Bewusstseinsprozessen
  6. suggestive Funktion: Musik als Mittel zur Förderung unbewussten Lernens
  7. kommunikative Funktion: Musik als Auslöser von Prozessen der Informationsvermittlung
Grundsätzlich bietet Musik  und dies unabhängig von der Stilrichtung  die Chance, die Erlernung einer Fremdsprache mit positiven Assoziationen zu verbinden und nicht nur mit negativen wie Mühe, Frustration oder dem Gedanken an Klausuren (Balzer 1999).

 

3   Kriterien zur Auswahl von Liedern und Vorschläge der  

     Didaktisierung

Die Auswahl von Liedern für den Unterricht muss folgenden Kriterien entsprechen: Die Lieder müssen Spaß machen und motivieren, ihre Themen müssen den Schülern, ihrem Alter und Sprachstand entsprechen, und sie müssen mit einem geeigneten Rhythmus und deutlicher Aussprache vorgespielt werden. Außerdem können sie einen Refrain und auch landeskundliche Aspekte enthalten (Rodriguez Cemillan 2000). Durch die Arbeit mit der Musik können alle vier kommunikativen Fertigkeiten gefördert werden: das Hör- und Leseverstehen ebenso wie die mündliche und die schriftliche Sprachproduktion.


3.1  Übungen zum Hörverstehen

Da bekannt ist, dass es ohne Hören kein Sprechen gibt, bildet das Hörverstehen die Grundlage des Sprechens, der mündlichen Kommunikation überhaupt. Wenn Lehrer die neue Sprache benutzen, funktioniert das Hörverstehen ja meist recht gut. An ihre Sprechweise sind die Schüler gewöhnt, und die Lehrenden nehmen Rücksicht auf die beschränkten Sprachkenntnisse der Lernenden. Trifft man aber auf andere Sprecher der Fremdsprache  sei es bei einer persönlichen Begegnung, auf Tonträgern, im Radio oder am Telefon , dann kann es leicht geschehen, dass man nach wenigen Worten den Anschluss verliert und am Ende nichts mehr versteht (Solmecke 1992: 7). So ein Hörverstehen, bei dem man nichts versteht, zerstört die Motivation, sich weiter mit gesprochenen fremdsprachlichen Texten auseinanderzusetzen. Es werden also auch bei der Arbeit mit Liedern besondere didaktische Verfahren benötigt, um das Verständnis zu erleichtern (Dahlhaus 1994: 76). Zu diesen didaktischen Verfahren gehören alle Arten der Vorbereitung und Vorentlastung, wie z.B. die Erstellung von Assoziogrammen und die Arbeit mit Bildern ebenso wie mit Wort- und Satzkarten. Die didaktische Arbeit darf auf der anderen Seite das Lied nicht zerstören und es für Übungszwecke ausschlachten. Was schön am Lied ist  das Hörerlebnis  muss auch im Unterricht schön bleiben (van Eunen 1992: 39).

3.1.1  Übungen vor dem Hören
Vor dem ersten Anhören des Liedes kann ein Schlüsselwort aus dem Text vorgegeben und ein Assoziogramm erstellt werden, in dem die Schüler oder Studierenden ihre eigenen Vorstellungen, Erfahrungen und ihr Vorwissen zum Ausdruck bringen (Dahlhaus 1994: 68). Eine andere Möglichkeit, in das Thema des Liedes einzusteigen, ist die Arbeit mit Wortkarten. Die Schüler bzw. Studierenden erhalten auf den Karten Schlüsselwörter aus dem Liedtext und konzipieren damit eine Geschichte. Über Bilder können die Lerner ebenso auf das Lied eingestimmt und zur Mitarbeit motiviert werden. Das Ziel dieser Übungen ist es, die Lerner auf den Hörtext vorzubereiten, ihn sprachlich vorzuentlasten und eine Erwartungshaltung aufzubauen.


3.1.2  Übungen während des Hörens

Gewöhnlich wird das ganze Lied vorgespielt, damit die Lernenden einen ersten Eindruck dessen bekommen. Wichtig ist es dabei, dass sie vor dem ersten Anhören des Liedes einen Hörauftrag bekommen. Er kann darin bestehen: 
  • Wort- oder Satzwiederholungen zu identifizieren,
  • auf Orte, Personen oder den Refrain zu achten  und / oder
  • aufzuschreiben, was man verstanden hat.
Neben diesen Aufgaben bieten sich andere Arten von Aufgabenstellungen zur Überprüfung des Hörverstehens an. Diese sind:
  • die Ergänzung der Lückentexte,
  • die Korrektur eines inkorrekten Liedtextes: Die Schüler bekommen einen sprachlich falschen Text, den sie während des Hörens des Liedes korrigieren sollen, oder auch
  • das Textpuzzle: Der Lehrer gibt eine ungeordnete Reihenfolge von Strophen oder Versen / Sätzen vor und lässt sie in die richtige Reihenfolge bringen (Rodriguez Cemillan 2000). 

3.2  Übungen zum Leseverstehen und zur mündlichen Sprachproduktion

Nachdem der Hörtext angehört wurde, erfolgt das Leseverstehen. In dieser Phase werden unbekannte Wörter erklärt und es wird aus dem Wortschatz ein Glossar gebildet (Rodriguez Cemillan 2000). Teile des Liedes können gelesen werden, und es kann über den Inhalt (Thema, Personen und Handlung) diskutiert werden. Auf diese Weise wird nicht nur das Leseverstehen geübt, sondern auch die mündliche Sprachproduktion. Hier können handlungsorientierte Techniken eingesetzt werden, wie z.B. die Transformation des Liedes in Minidialoge, Rollenspiele oder Sketche. Dabei können die Lernenden ihrer Kreativität freien Lauf lassen.


3.3  Übungen zur schriftlichen Sprachproduktion

In dieser Phase werden produktionsorientierte Techniken eingesetzt, wie beispielsweise die Erstellung eines Parallelliedes. Die Lernenden können eine Geschichte zum Thema des Liedes schreiben, einen fiktiven Brief an den Sänger verfassen, einen Kommentar oder eine Kritik schreiben oder das Lied weiterdichten (Rodriguez Cemillan 2000).

4   Der Einsatz von Musik im hochschulischen Fremdsprachenunterricht

Dass sich auch im hochschulischen Deutschunterricht erfolgreich mit Musik arbeiten lässt, soll abschließend an einem Kursbeispiel deutlich gemacht werden. Dabei werden methodische Vorgehensweisen präsentiert, die sich für die Arbeit mit Musik eignen, sowie die Ergebnisse eigener einjähriger Arbeit mit Musik im DaF-Unterricht erläutert.
In den Vordergrund dieser Beschäftigung mit der Musik wurde nicht die Erlernung des Deutschen, sondern das Erleben des Deutschen gestellt. Das heißt, dass man sich nicht darauf beschränkt, durch Lieder neuen Wortschatz einzuführen, sondern durch das Singen die deutsche Sprache und Kultur zu erleben. Das erscheint als ein erster Schritt in Richtung auf eine Verbindung zwischen der deutschen und serbischen Kultur und als ein Weg zum Abbau von Vorurteilen gegenüber der deutschen Sprache.

Die Teilnehmer des zu beschreibenden DaF-Kurses waren Studierende der Philosophischen Fakultät der Universität Novi Sad (Serbien) aus den Fachbereichen Anglistik, Geschichtswissenschaften, Journalistik, Pädagogik, Philosophie, Psychologie, Romanistik, Slawistik und Sozialwissenschaften. Alle Studierenden hatten Deutschkenntnisse auf dem Sprachniveau A1 des Gemeinsamen Europäischen Referenzrahmens. Das gesamte Projekt dauerte zwei Semester. 

 

4.1 Liederauswahl

Zuerst wurden diejenigen Lieder bearbeitet, bei denen die beste Aussicht darauf bestand, dass sie den Lernenden gut gefallen würden, also solche Lieder, die Spaß machen, einen angenehmen Rhythmus haben und sprachlich gut verständlich sind. Später wurde die Auswahl der Lieder den Studierenden überlassen, indem ihnen fünf Lieder vorgespielt wurden und sie sich durch Abstimmung für eines davon entschieden. Gegenstand der Beschäftigung waren vor allem Pop- und Rockmusik, aber auch deutsche Schlager, die bei den Lernenden überraschenderweise sehr gut ankamen. 

4.2 Methodisches Vorgehen

Die Beschäftigung mit der Musik erfolgte immer in den letzten 15 Minuten einer 90-minütigen Unterrichtsstunde, wenn die Konzentrationsfähigkeit der Studenten gemeinhin abnahm. Die Kurse fanden zweimal pro Woche statt, und jedes Lied wurde vier Wochen lang bearbeitet, im Durchschnitt also jeweils zwei Zeitstunden lang. Dabei war wichtig, dass Kontinuität im Musikhören erzielt wurde, so dass sich die Hörkompetenz bei den Studierenden langsam entwickeln und die Lernenden sich das jeweilige Lied gut merken konnten. Im Folgenden soll die Behandlung der Musik in den acht 15-minütigen Zeiteinheiten betrachtet werden.

In der ersten Zeiteinheit wurde ein Assoziogramm zum Thema des Liedes erstellt. Den Studierenden wurde dadurch die Möglichkeit gegeben, ihre eigenen Erfahrungen, Wünsche und Gedanken zum Thema des Liedes einzubringen (Koppensteiner 2001: 57). Im Assoziogramm wurden auch Schlüsselwörter eingeführt, die den Text des Liedes sprachlich vorentlasteten. Da alle Teilnehmer des Kurses geringe Deutschkenntnisse hatten, bestand der erste Hörauftrag darin, die Wörter aus dem Assoziogramm herauszuhören. Auf diese Weise wurde die Aufmerksamkeit beim Hören in eine bestimmmte Richtung gelenkt (Dahlhaus 1994: 16).

In der zweiten Zeiteinheit  bzw. beim zweiten Hören  bekamen die Lernenden einen neuen Hörauftrag in Form eines Lückentextes. Die Wörter, die ergänzt werden sollten, waren Schlüsselwörter, aber auch Wörter, die die Lernenden schon kannten. Auf diese Weise wurde geprüft, ob die Lernenden bereits bekannte Wörter in einer authentischen Situation identifizieren konnten, wenn das Sprechtempo nicht auf ihren Kenntnisstand abgestimmt war. Die Ergebnisse haben gezeigt, dass die Studierenden durchaus Schwierigkeiten damit hatten, bekannte Wörter zu identifizieren. Da jede Stunde mit einem authentischen Hörtext gearbeitet wurde, konnten diese Hindernisse jedoch allmählich aus dem Weg geräumt werden. Nachdem sich die Lernenden den Hörtext angehört hatten, erfolgte die Kontrolle. Als Hausaufgabe sollten die Studierenden serbische Entsprechungen für die Schlüsselwörter aus dem Liedtext finden. 
In der dritten Zeiteinheit wurde überprüft, wie die Lernenden die Schlüsselwörter übersetzten. Es wurde darüber gesprochen, wie sie das Lied erlebten, welche Gefühle es in ihnen auslöste, welche Zeile / Strophe ihnen besonders gefiel und warum.

Da der Inhalt des Liedes allen Teilnehmern nunmehr bekannt war, erfolgte die zweite Phase der Arbeit mit Musik: das eigentliche Singen. Da die Räume an der Philosophischen Fakultät mit Computer, Projektor und Beamer ausgestattet sind, hatten die Lernenden die Möglichkeit, gleichzeitig das Lied zu hören und den Text des Liedes auf der Leinwand mitzulesen. In dieser Unterrichtsphase hatten die Lernenden noch immer Schwierigkeiten beim Singen, vor allem wegen des Sprechtempos des Sängers sowie wegen der komplexen sprachlichen Strukturen. Aus diesem Grunde ähnelte diese erste Phase des Singens mehr einem Lesen als einem Singen im engeren Wortsinn. 

Ab der 5. Zeiteinheit wurde nur noch gesungen. Die Lernenden wurden dabei nach und nach immer selbstbewusster, so dass sie in der letzten Zeiteinheit das ganze Lied vorsingen konnten, ohne den Text mitzulesen.

 

5   Ergebnisse

Durch das regelmäßige Musikhören waren folgende Ergebnisse festzustellen. Die Studierenden machten große Fortschritte im Verstehen der authentischen Hörtexte, so dass sie Hörübungen aus dem Lehrwerk nunmehr mit größerer Leichtigkeit lösen konnten. Durch das Singen wurde auch ihr (passiver) Wortschatz erweitert. Einige Lernende verwendeten auch in ihrem aktiven Sprachgebrauch einige Wörter aus den Liedern. Das Singen machte allen Lernenden Spaß, was sich natürlich auf die Unterrichtsatmosphäre auswirkte: Das Deutsche wurde nunmehr mit Freude assoziiert und nicht mit Krieg oder Aggression.

Lieder übertragen Gefühle, wodurch die deutsche Sprache einen anderen Klang bekommt. Sie ist expressiver, gefühlsbetonter und kann sowohl das Leiden als auch das Glück eines Menschen ausdrücken. Dadurch wird das Vorurteil abgebaut, dass Deutsch eine grobe und aggressive Sprache sei. 

Der Einsatz von Musik prägte die Dynamik der Unterrichtsstunden und motivierte die Studenten zur Mitarbeit. Sie nahmen gern am Unterricht teil und äußerten ihre Meinungen und Ideen. Sie zeigten Interesse zu erfahren, worum es in dem jeweiligen Lied ging und lernten dadurch Werte und Haltungen einer anderen Kultur kennen. Einige Studenten fingen sogar an, in ihrer Freizeit deutsche Musik zu hören, was einen kleinen, aber wichtigen Schritt in Richtung auf eine Annäherung dieser zwei einander entfremdeten Kulturen darstellt. 

6   Probleme

Das Singen mit Erwachsenen ist viel schwieriger als mit Kindern. Einige Studierende sind von Natur aus offen und singen gern im Unterricht. Die anderen sind jedoch zurückgezogener. Es ist möglich, dass sie das Singen nicht mögen oder sich einfach nicht trauen, vor ihren Kommilitonen zu singen, oder sich dabei unwohl fühlen. Auf keinen Fall sollte sich jemand zum Singen gezwungen fühlen. Wenn der Lehrer jedoch merkt, dass der Lernende Lust dazu hat, mitzusingen, sich aber nicht traut, sollte er ihn ermutigen. Wenn der Lernende nicht gern singt, sollte man ihm eine Aufgabe geben, die ihn auf andere Weise zur Mitarbeit motiviert, wie zum Beispiel diejenige, auf die Aussprache des Sängers zu achten und sie möglichst getreu nachzuahmen. Diese Methode hat sich bewährt, weil auch diese schüchternen Lernenden nach einiger Zeit nachgeben und mit den anderen in die Lieder einstimmen.



Bibliographie


Balzer, Jörg (1999). Music and Song. Einsatz von Popmusik im Englischunterricht. In: Oebel, Guido (Hrsg.) (2002). Deutsche Populärmusik im DaF-Unterricht.
      (http://www.ldl.de/LDL_ALT/material/berichte/daf/oebel.pdf ; 15.08.2010)

Belke, Gertrud / Geck, Martin (2007). Das Rumpelfax. Singen, Spielen, Üben im Grammatik-unterricht. Schorndorf: Schneider Verlag.

Dahlhaus, Barbara (1994). Fertigkeit Hören. München: Goethe-Institut.

Koppensteiner, Jürgen (2001). Literatur im DaF-Unterricht: Eine Einführung in produktiv-kreative Techniken. Wien: Österreichischer Bundesverlag.

Kumbier, Dagmar / Schulz von Thun, Friedemann (2011). Interkulturelle Kommunikation aus kommunikationspsychologischer Perspektive. In: Kumbier, Dagmar / Schulz von Thun, Friedrich (Hrsg.) (2011). Interkulturelle Kommunikation: Methoden, Modelle, Beispiele. Reinbek bei Hamburg: Rowohlt, 9-27.

Landsmannschaft der Donauschwaben / Landesverband Bayern (2010). Wer sind die Donauschwaben? (http://www.donauschwaben-bayern.de; 10.10.2011)

Quast, Ulrike (1996). Zur Rolle und zu ausgewählten Verwendungsmöglichkeiten von Musik im Fremdsprachenunterricht. In: Blell, Gabriele / Hellwig, Karlheinz (Hrsg.) (1996). Bildende Kunst und Musik im Fremdsprachenunterricht. Frankfurt / Main: Peter Lang, S.107 -115.

Rodriguez Cemillan, Dolores (2000). Musik im Unterricht (Teil 3): Was kann Musik im Fremdsprachenunterricht leisten. In: E-DaF-Info-Nr.1/2000,
      (http://www.deutschalsfremdsprache.de/infodienst/2000/daf-info1-00.php3#1; 15.03.2011).

Schatt, Peter W. (2000). Musik im Dialog der Kulturen. In: Musik und Bildung 5, 2-7.

Schütz, Volker (1997). Interkulturelle Musikerziehung. Vom Umgang mit dem Fremden als Weg zum Eigenen. In: Musik und Bildung 5, 4-7.

Solmecke, Gert (1992). Ohne Hören kein Sprechen. Bedeutung und Entwicklung des Hörverstehens im Deutschunterricht. In: Fremdsprache Deutsch 7, 4-11. 

Van Eunen, Kees (1992). Life is music – oder etwa nicht? Lieder im Deutschunterricht. In: Fremdsprache Deutsch 7, 39-43.





[1]     www.donauschwaben-bayern.de; 22.10.2012.