Im
Rahmen eines Hochschulstudiums in Deutschland
erforderliche
sprachliche Kompetenzen -
Ergebnisse
einer empirischen Bedarfsanalyse
Ulrike Arras (Bochum)
Abstract (English)
The article describes an empirical study on need
analysis of language competences for foreign students who want to do their
studies in German higher education institutions. The analysis consists of a
multi-method design combining qualitative and quantitative data, using document
analysis and interviews as well as questionnaires.
This analysis is part of a wider study of test validation of TestDaF
(Test of German as Foreign Language) - a standardized test which is designed
for foreign students who wish to study in a German-speaking academic environment.
This test thus measures language skills and competences which are necessary in
an academic context covering the bands B2 and C1 of the Common European Framework of Reference for Key words: TestDaF, Test
validation, need
analysis, research methods
Die
standardisierte Prüfung TestDaF (Test Deutsch als Fremdsprache) erfasst
Fertigkeiten und Kompetenzen auf den Niveaustufen B2 und C1 des Gemeinsamen Europäischen
Referenzrahmens (GER) und fungiert als Nachweis ausreichender Deutschkompetenzen
für ein Studium an einer Hochschule in Deutschland. Die Prüfung wird vom
TestDaF-Institut entwickelt und administriert. 2010 und 2011 führte das
TestDaF-Institut eine empirische Studie zur Eruierung sprachlicher
Anforderungen an deutschen Hochschulen durch - mit dem Ziel, die Validität des
TestDaF zu überprüfen. Im Beitrag werden das Mehr-Methoden-Design dieser
Untersuchung (quantitative und qualitative Methoden; Dokumentenanalyse,
Interviews, Fragebogenerhebung) beschrieben und die wichtigsten Ergebnisse
skizziert.
Stichwörter:
TestDaF, Testvalidität, Bedarfsanalyse, Forschungsmethoden
1 Begründungszusammenhang
Der Test Deutsch als Fremdsprache (TestDaF) ist eine
standardisierte Sprachprüfung, die sich in erster Linie an ausländische Studierende
richtet, die ein Studium an einer deutschsprachigen Hochschule aufnehmen wollen
und für die Zulassung einen Sprachnachweis vorlegen müssen. Dementsprechend
bildet der TestDaF solche Kompetenzen ab, die für ein Hochschulstudium in
deutscher Sprache relevant und erforderlich sind. Die Prüfung orientiert sich
am Sprachmodell der kommunikativen Kompetenz und weist sprachliche Kompetenzen
differenziert in drei Kompetenzniveaus aus, den TestDaF-Niveaustufen 3, 4 und
5, die die Niveaus B2 und C1 auf dem Gemeinsamen
Europäischen Referenzrahmen für Sprachen (GER) abdecken (Europarat 2001, Kecker & Eckes 2010, Kecker 2011).
Zudem werden sie in vier Subtests erfasst: Leseverstehen, Hörverstehen,
Schriftlicher Ausdruck und Mündlicher Ausdruck.[1]
Der TestDaF wurde im Jahr 2001 - also vor nunmehr über 10
Jahren - mit dem bildungspolitischen Ziel ins Leben gerufen, den Zugang zum
Hochschulstudium für ausländische Studierende zu vereinfachen. Aus diesem
Grunde wird der TestDaF zwar zentral in Deutschland entwickelt und ausgewertet,
kann jedoch weltweit (derzeit in mehr als 90 Ländern) an eigens lizenzierten
Testzentren abgelegt werden. Die Zulassung zum Studium an einer deutschen
Hochschule wird dadurch vereinfacht, denn der Nachweis über ausreichende
sprachliche Kompetenzen für ein Studium kann bereits frühzeitig, d.h. vor der
Ausreise nach Deutschland, erbracht werden, was eine nicht unerhebliche Zeit-
und auch Kostenersparnis für die Studierwilligen mit sich bringt. Zudem kann
der TestDaF mehrfach ohne Beschränkung abgelegt werden.
Ein hohes Maß an Standardisierung sowie die
kontinuierliche Kontrolle der Testgütekriterien durch das TestDaF-Institut
sorgen für die Testqualität und damit für Testfairness (Eckes 2004, 2005, 2008,
2010). Zudem ist das TestDaF-Institut Mitglied der Association of Language Testers in Europe (ALTE, www.alte.org) und
wurde bereits im Jahr 2007 einer Qualitätskontrolle unterzogen. Die Prüfung
erfreut sich weltweit zunehmender Akzeptanz. Im Jahre 2011 ergab sich eine
weitere Steigerung der Anzahl der Prüfungsteilnehmer auf über 21.000 Personen.
Damit haben seit seinem Bestehen im Jahr 2001 etwa 140.000 Menschen weltweit
die Prüfung abgelegt. Die große Akzeptanz bei Prüflingen ebenso wie bei
Hochschulen und anderen stake holders
zeigt nicht zuletzt, dass der TestDaF prinzipiell die für ein Hochschulstudium in
Deutschland erforderlichen Sprachkompetenzen in adäquater Weise erfasst. Die
Kernelemente hochschultypischer Sprachverwendung, die im TestDaF gemessen
werden und entsprechend im Testkonstrukt festgeschrieben sind, lassen sich wie
folgt skizzieren[2]:
- Das Verstehen von
Detailinformationen und Gesamtaussagen in schriftlichen und mündlichen
Texten des Hochschulalltags;
- Die Verarbeitung
komplexer und impliziter Informationen in schriftlichen und mündlichen
wissenschaftssprachlichen Texten;
- Die Erstellung
zusammenhängender argumentativer und diskursiver Texte unter Einbezug von
Datenmaterial sowie von Ergebnissen und Aussagen anderer;
- Die angemessene
mündliche Reaktion in verschiedenen Situationen des Hochschulalltags (d.h.
in informellen ebenso wie in akademischen Kontexten);
- Die Beschreibung von
Sachverhalten und Datenmaterial (schriftlich und mündlich):
- Stellungnahme,
Begründung, Argumentation (schriftlich
und mündlich).
Seit seinem Bestehen 2001 wurden zwar im Zuge der
Qualitätssicherung Einzelaspekte der Prüfung revidiert. Dies betrifft etwa die
Optimierung des Beurteilungsverfahrens (etwa Eckes 2003, Eckes 2010) und der
Beurteilungskriterien (Arras & Grotjahn 2004) sowie die Revision des Prüfungsteils
Mündlicher Ausdruck (Arras 2007). Grundlegende Veränderungen des
Testkonstrukts wurden bislang aber nicht vorgenommen. Da jedoch sprachliche
Anforderungen stets auch dem Wandel unterliegen und gerade die letzte Dekade an
den Hochschulen durch strukturelle Veränderungen in den Studiengängen geprägt
ist, liegt es nahe zu überprüfen, inwiefern sich auch die sprachlichen
Anforderungen im Hochschulstudium verändert haben. Die schrittweise Umstellung
auf konsekutive Studiengänge hatte und hat Auswirkungen auf die akademischen
und somit auch auf die sprachlichen Anforderungen, die in einer Sprachprüfung
wie dem TestDaF, d.h. in seinem Testkonstrukt, seinen Inhalten und Aufgaben,
berücksichtigt werden müssen. Gleiches gilt für die veränderten
Kommunikationssituationen und -formen als Konsequenz des zunehmenden Einsatzes
neuer Medien im Studium, etwa die Verlagerung von Lehr- und Lerninhalten in
Internet-Foren und die zunehmende elektronische Kommunikation.
Um auch in Zukunft möglichst
valide Auskunft darüber geben zu können, ob ausländische Studierende in den
neuen Bachelor- und Master-Studiengängen den sprachlichen Anforderungen
gewachsen sind, bedarf es einer Überprüfung der Anforderungen im TestDaF anhand
der an der Hochschule bestehenden, realen Anforderungen. Das TestDaF-Institut führte deshalb eine Validitätsstudie
durch, die in einem ersten Schritt eine Bedarfsanalyse in Anlehnung an Long
(2005) vorsieht[3]. Hierbei wurden durch eine breit angelegte, empirische
Studie qualitative und quantitative Daten zu den aktuellen sprachlichen
Anforderungen im Hochschulstudium erhoben, um den aktuellen Sprachbedarf in
spezifischen hochschultypischen Sprachverwendungssituationen zu erfassen. Die
daraus gewonnenen Erkenntnisse bilden die Grundlage für die Überprüfung der im TestDaF
abgebildeten sprachlichen Anforderungen. Die Validitätsprüfung bezieht sich
also auf das Testkonstrukt und auf die Anforderungen und Aufgabentypen des
aktuellen TestDaF. Der Untersuchungsgegenstand wird somit durch folgende
Leitfragen fokussiert:
- Welche sprachlichen
Anforderungen sind im Hochschulstudium bzw. im akademischen Kontext
gegenwärtig relevant?
- Erfasst der TestDaF in
angemessener Weise die sprachlichen Kompetenzen, die für ein Studium in
Deutschland erforderlich sind?
- Ist gegebenenfalls eine Überarbeitung der
Prüfung - hinsichtlich der zu erfassenden Kompetenzen, Textsorten und
Aufgabenformate - erforderlich?
2 Untersuchungsdesign
Für die Validitätsprüfung wurde damit eine Bedarfsanalyse
erforderlich, die mit einem Mehr-Methoden-Design durchgeführt wurde.
Orientierung boten zum einen Longs (2005) Überlegungen zur Second Language Need Analysis sowie die ebenfalls empirisch
ausgerichtete Studie Mehrsprachigkeit und Multikulturalität im Studium
(MuMiS[4]). Es handelt sich um ein gemeinsames Forschungsprojekt
der Universitäten Hamburg, Kassel und Siegen, das die sprachlichen und
kulturellen Anforderungen im Hochschulstudium im Zuge der zunehmenden
Internationalisierung zu erfassen sucht. Ein Teilprojekt widmet sich dabei den Language needs and difficulties of students
in degree programmes taught in English[5].
Zusammenfassend kann festgehalten werden, dass die
Untersuchung folgende aufeinander aufbauende Phasen durchläuft:
1. Phase: Erhebung qualitativer
Daten mittels Dokumentenanalyse, Leitfaden-Interviews und Workshops.
2. Phase: Konzipierung von online-Fragebogen
für Studierende einerseits und Hochschullehrkräfte andererseits anhand der
eruierten qualitativen Daten; Durchführung der Fragebogenstudie in beiden
Gruppen.
3. Phase: Erstellung eines Anforderungsprofils als Grundlage für die
Konstruktvalidierung des TestDaF und für die Entwicklung gegebenenfalls neuer
Aufgabenformate.
2.1 Dokumentenanalyse
Mit Hilfe der Dokumentenanalyse wurde fachübergreifend
und bundesweit anhand online zugänglicher Informationen und Dokumente
ermittelt, welche Anforderungen in Form von Leistungs- und Studiennachweisen
die Hochschulen für die einzelnen Studiengänge festschreiben. Insgesamt wurden
die entsprechenden Angaben in 100 Studiengängen in 9 Fachbereichen an 25
Hochschulen (Universitäten, Technische Universitäten, Hochschulen für
Angewandte Wissenschaften) überprüft. Die Daten zeigen, dass die Prüfungsformen Klausur, schriftliche
Hausarbeit, mündliche Prüfung sowie mündliches Referat /
Präsentation die häufigsten Leistungs- und
Studiennachweise in allen Fachbereichen darstellen. Als sprachbezogene
Anforderung werden in diesen Dokumenten oft genannt: analysieren, erläutern,
präsentieren, kommentieren und argumentieren.
2.2 Workshops
In verschiedenen Workshops wurde die Expertise von
Experten aus Wissenschaft und Praxis einbezogen. Es handelt sich zum einen um
Wissenschaftler und Wissenschaftlerinnen aus den Bereichen Fremdsprachenforschung,
Sprachlehrforschung und Deutsch als Fremdsprache, zum anderen um
Experten und Expertinnen auf den Gebieten Unterrichtspraxis und TestDaF,
hier insbesondere Beurteiler von TestDaF-Prüfungsleistungen: Die Beurteiler
kennen aufgrund von regelmäßigen Schulungen und ihrer Beurteilungsarbeit die
Anforderungen des TestDaF sehr genau. Zudem sind die meisten von ihnen in den
hochschulbezogenen DaF-Unterricht involviert, so dass sie ein Bindeglied
zwischen den sprachlichen Anforderungen der Prüfung und der Hochschulrealität
darstellen.
In den Workshops wurde in Kleingruppen im
Dialog-Konsens-Verfahren ermittelt, welche (neuen) sprachlichen Anforderungen
im Hochschulkontext zu beobachten sind und inwiefern der TestDaF mit seinem
spezifischen, auf die Hochschulerfordernisse ausgerichteten Testkonstrukt diese
Anforderungen abdeckt. Zur Kategorisierung wurden die Daten sodann
hochschultypischen Handlungsfeldern und Sprachverwendungssituationen
zugeordnet.
2.3 Interviews
Die Erkenntnisse aus Workshops und Dokumentenanalyse
flossen in die Konzipierung von Leitfäden für Interviews ein, die mit deutschen
und ausländischen Studierenden einerseits und Hochschuldozenten andererseits
durchgeführt wurden. Die Konzipierung der Leitfäden sowie die Durchführung der
Interviews erfolgten in Anlehnung an Kvale (1996) und Flick (2002). Im Zentrum
der Leitfäden standen Fragen zu konkreten Sprachverwendungssituationen und
sprachlichen Anforderungen im Hochschulkontext, gegebenenfalls spezifiziert zu
den Teilkompetenzen Sprechen, Schreiben, Hören und Lesen.
Hierbei wurde auch jeweils um konkrete Beispiele gebeten, um sicherzustellen,
dass es sich um reale sprachliche Anforderungen handelt. In den Interviews mit
den ausländischen Studierenden wurde außerdem gefragt, welche Ratschläge man
künftigen Studierenden aus dem Ausland geben könne, um ihre Studienaufnahme in
Deutschland zu optimieren. Daneben wurden auch biografische Daten erhoben, etwa
zum Fachgebiet, zur Lernbiografie, zur Herkunftssprache und zur
Herkunftskultur. In den Interviews mit den Dozenten hingegen wurde nach dem
Modell einer guten Studentin bzw. eines guten Studenten gefragt. Mit solchen
Fragen sollten erfahrungsbasierte Hinweise auf Studienanforderungen ermittelt
werden.
Insgesamt fanden 38 Interviews statt: 12 Interviews mit
Hochschullehrkräften, 6 Interviews mit deutschen Studierenden und 20 Interviews
mit ausländischen Studierenden, die bereits seit längerem in Deutschland
studierten und in der Lage waren, die Befragung auf Deutsch durchzuführen[7]. Die ausländischen Studierenden stammten aus
unterschiedlichen Herkunftskulturen - hauptsächlich jedoch aus Osteuropa und
der Volksrepublik China -, was generell weitgehend der Zusammensetzung der
Gruppe der TestDaF-Teilnehmer entspricht. Die Interview-Partner stammten zudem
aus unterschiedlichen Fachbereichen und Hochschulen, was ein differenziertes
Bild ermöglichte, denn auch die Zielgruppe des TestDaF ist extrem heterogen -
nicht nur hinsichtlich der kulturellen Herkunft bzw. der Erstsprache, sondern
auch im Hinblick auf die gewünschten Studienfächer und Hochschultypen. Um diese Heterogenität der Anforderungen
abzubilden, wurden die Interviews in verschiedenen Bundesländern und an
unterschiedlichen Hochschultypen (neben Universitäten auch Technische
Universitäten und Hochschulen für Angewandte Wissenschaften), in Großstädten
ebenso wie in kleineren Hochschulorten, mit Gesprächspartnern aus neun
unterschiedlichen Fachbereichen durchgeführt.
Die Interviews wurden einer Inhaltsanalyse unterzogen
(Flick 2002 sowie Mayring 2010). Hierzu wurden sie paraphrasierend
transkribiert und kodiert. Orientierung bot hierbei vor allem Mayrings System
der zusammenfassenden, explikativen und strukturierenden Inhaltsanalyse. Sodann
wurden alle durch die Interviews eruierten sprachlichen Anforderungen und
Sprachverwendungssituationen in Listen zusammengestellt, kondensiert und
kategorisiert. Diese Zusammenstellung von mehreren hundert
Sprachverwendungssituationen und sprachlichen Anforderungen bildete schließlich
die Basis für die Konzipierung von Online-Fragebogen, die ausländischen
Studierenden sowie Hochschuldozenten in Deutschland zur Bearbeitung zugeschickt
wurden.[8]
2.4 Fragebogen
Ziel der Fragebogen-Erhebung war es, die qualitativen
Daten aus der Erhebung in Phase 1 zu triangulieren und zu überprüfen, welche
der sprachlichen Aktivitäten sich im Hinblick auf ihre Häufigkeit als relevant
erweisen. Die Fragebögen für beide Zielgruppen stimmten weitgehend überein und
hatten die folgende Struktur:
Im Fragebogen für die ausländischen Studierenden wurden
zunächst Daten zum persönlichen Hintergrund der Teilnehmer erfasst, also z.B.
Fachgebiet, Herkunftsland, Erstsprache, Lernbiografie, Studienverlauf. Der
Hauptteil des Fragebogens war den sprachlichen Anforderungen bzw. der Frage
gewidmet, wie oft bestimmte vorgegebene sprachliche Aktivitäten im
Hochschulalltag vorkommen. Zusätzlich wurde erfragt, ob und welche sprachlichen
Aktivitäten Schwierigkeiten bereiteten, und zwar dezidiert im Deutschen und in
der Erstsprache, um Hinweise zu erhalten, ob die vorgegebenen Anforderungen
sprachunabhängig kognitiv-intellektuell eine Schwierigkeit darstellten, oder ob
es sich um Schwierigkeiten handelte, die direkt mit der Zielsprache Deutsch in
Zusammenhang standen.
Im Fragebogen für die Dozenten und Dozentinnen wurden
ebenfalls Personendaten wie Alter, Herkunft, und Fachbereich erbeten. Außerdem
wurde nach dem Stellenwert hochschultypischer Veranstaltungsformen und
Leistungsnachweise in ihrem jeweiligen Fach gefragt. Der Hauptteil des
Fragenbogens für DozentInnen bestand - wie in der Version für Studierende - in
der Erfassung von Daten zu sprachlichen Anforderungen im Studium sowie in der
Frage, welche spezifischen Schwierigkeiten mit hochschultypischen sprachlichen
Aktivitäten Studierende erfahrungsgemäß haben. Die Dozenten wurden hierbei
jedoch gebeten, Angaben zu beobachtbaren Schwierigkeiten sowohl ihrer
ausländischen und als auch ihrer deutschen Studierenden zu machen, um einen
Vergleich zu ermöglichen.
Im Fragebogen für Studierende wurde abschließend gefragt,
welche Ratschläge man Bekannten auf der Grundlage eigener Erfahrungen mit dem
Studium in Deutschland geben könne. Mit dieser Frage sollten - über die
Kernanliegen der Untersuchung hinaus - Erkenntnisse zu den Bedingungen von
Spracherwerb und Sprachverwendung im Hochschulkontext ermittelt werden.
Die Dozenten hingegen wurden abschließend gebeten, die
sprachlichen Kompetenzen einer guten Studentin bzw. eines guten Studenten zu
charakterisieren, um weitere Rückschlüsse auf (sprachliche) Anforderungen
ziehen zu können.
Die genannten Fragekomplexe wurden i.d.R. als
geschlossenes Itemformat präsentiert. Mit wenigen offenen Items wurden Daten zu
weiteren sprachlichen Anforderungen und Schwierigkeiten erbeten, die im
Fragebogen nicht berücksichtigt wurden.
Der Online-Fragebogen wurde im Sommer 2011
zunächst an 9493 ehemalige TestDaF-Teilnehmer verschickt, die die Prüfung mit
einem Ergebnis abgelegt hatten, das ihnen erlaubte, ein Studium in Deutschland
aufzunehmen. Der Rücklauf lag bei 1327 vollständig bearbeiteten und
auswertbaren Fragebogen-Datensätzen[9]. Das Durchschnittsalter der Teilnehmer lag bei Mitte bis
Ende 20. Fast ein Drittel der Teilnehmer war männlich (29,9%), etwa zwei
Drittel waren weiblich (70,1%). Fast die Hälfte stammte aus Osteuropa und der
Volksrepublik China. Mit diesen Merkmalen entspricht die Stichprobe weitgehend
der TestDaF-Population und ist somit für die Untersuchung repräsentativ.
Zusätzliche Aussagekraft gewinnen die erhobenen Daten auch durch den Umstand,
dass die Mehrheit der Teilnehmer nicht nur mehrere Jahre in der Heimat studiert
hatte, sondern auch schon seit mehreren Jahren an einer deutschen Hochschule
immatrikuliert war.
Die Befragung der
Hochschuldozenten erfolgte im Spätsommer 2011. Der Fragebogen wurde in
zwei Phasen an 1045 Hochschuldozenten bundesweit versandt. Der Rücklauf lag bei
immerhin 120 auswertbaren Datensätzen. 42,6% der Teilnehmer waren Männer, 57,4%
Frauen. Das Durchschnittsalter lag bei Mitte 40. Für 90% von ihnen war die
Muttersprache Deutsch.
3 Ergebnisse
Die Daten der Fragebogen-Erhebung
wurden Häufigkeitsanalysen unterzogen, so dass Rückschlüsse auf die aktuellen
sprachlichen Anforderungen im Hochschulstudium möglich wurden. Sie lassen sich wie folgt zusammenfassen:
- Nach wie vor sind Vorlesung und Seminar fachübergreifend die häufigsten hochschulspezifischen Lehrformen. Andere Veranstaltungsformen unterscheiden sich je nach Fachbereich[10]. So ist beispielsweise die Übung in den Ingenieur- oder Wirtschaftswissenschaften eine übliche Veranstaltungsform. Etwa 90% der Befragten in diesen Fachbereichen gaben die Übung als häufige Veranstaltungsform an, während sie in den Gesellschafts- und Geisteswissenschaften nur von etwa 50% der befragten Dozenten genannt wurde.
- Als Leistungsnachweise müssen immer noch vor allem schriftliche Hausarbeiten verfasst, mündliche Präsentationen (im Rahmen eines Seminars) gehalten und Klausuren geschrieben werden. Auffällig ist, dass Leistungsnachweise wie die mündliche Präsentation fachübergreifend einen hohen Stellenwert haben. Hingegen wird die Erstellung schriftlicher Arbeiten (Hausarbeiten) vor allem in den Geistes- und Gesellschaftswissenschaften erwartet – und zwar in hohem Maße: Über 90% der Befragten gaben hier die Hausarbeit als Leistungsnachweis an. Hingegen hat die schriftliche Hausarbeit in den MINT-Fächern[11] keinen hohen Stellenwert: nur etwa die Hälfte der befragten Dozenten aus diesen Fächern gaben sie als Leistungsnachweis an.
Die folgenden
sprachbasierten Aktivitäten sind den Angaben sowohl der Studierenden als auch
der Dozenten zufolge besonders relevant:
- Einer
Vorlesung bzw. einem Fachvortrag folgen / zuhören, dabei gegebenenfalls
anhand einer PowerPoint-Präsentation oder eines Skripts Notizen machen.
- Material
lesen und (z.B. für eine Lehrveranstaltung) vorbereiten sowie im Seminar
besprechen.
- Mit
Kommilitonen kommunizieren, sowohl in privater schriftlicher Kommunikation
(etwa per E-Mail) als auch in Fachdiskussionen (etwa in Arbeitsgruppen).
- Kurze
informative Textsorten lesen, z.B. Flyer oder Aushänge; diese Anforderung
wurde von den befragten Studierenden als relevant benannt.
- Aktiv
(mündlich) an Seminaren teilhaben; diese Anforderung geben die befragten
Dozenten als besonders relevant an.
- Ein
Referat bzw. eine Präsentation im Rahmen eines Seminars mündlich
vortragen.
- Längere sachbezogene Texte (Hausarbeiten, Abschlussarbeiten)
verfassen, also Texte mit klarer Gedankenführung und Textstruktur, in denen
eigene ebenso wie fremde Meinungen und Gedanken wiedergegeben werden.
- Fachliteratur
verarbeiten (auch englischsprachige Fachliteratur).
Was die Schwierigkeiten
anbelangt, die Studierende bei sich selbst beobachten und die Hochschullehrkräfte
bei ihren Studierenden wahrnehmen, so lassen sich folgende Punkte und Trends
festhalten:
- Die
Erstellung längerer schriftlicher Arbeiten repräsentiert nach wie vor eine
zentrale Schwierigkeit.
- Als
ebenfalls schwierig wird die mündliche aktive Teilhabe am
Unterrichtsgeschehen wahrgenommen, etwa in Form einer mündlichen
Präsentation oder dann, wenn erwartet wird, sich kritisch (gegenüber
anderen) zu äußern.
- Mit
den genannten Schwierigkeiten verbunden ist generell das Problem der
adäquaten Verwendung
wissenschaftssprachlicher Strukturen (mündlich und schriftlich).
- Interessant
ist in diesem Zusammenhang, dass den Daten der Dozenten nach bestimmte
Schwierigkeiten auch bei deutschen Studierenden beobachtet werden, etwa
die Erstellung eines zusammenhängenden strukturierten
wissenschaftssprachlichen Textes (z. B. einer Hausarbeit), was Fähigkeiten
wie Gedanken formulieren oder Gedanken anderer wiedergeben
impliziert. Tendenziell gaben die Dozenten zwar an, dass deutsche
Studierende insgesamt weniger sprachbasierte Schwierigkeiten im Studium
haben, bei genauerer Betrachtung der einzelnen Anforderungen zeigen sich
jedoch Parallelen zwischen beiden Studierendengruppen. Einerseits kann
dies ein Hinweis darauf sein, dass die Anforderungen eher
intellektuell-kognitiver Natur bzw. fachbezogen und weniger auf
sprachliche Schwierigkeiten zurückzuführen sind. Dies kann andererseits
aber auch auf mangelnde sprachliche Kompetenzen der deutschen Studierenden
verweisen, eine Überlegung, die durch verschiedene Angaben in den offenen
Items (s. u.) gestützt wird, in denen mehrfach die Schule in Deutschland
für mangelnde sprachliche Kompetenzen deutscher Studierender
verantwortlich gemacht wird[12].
- Die
Auswertung der offenen Items, bei denen die Befragten weitere Angaben zu
relevanten sprachbezogenen Anforderungen und Schwierigkeiten machen
konnten, zeigt, dass insbesondere kulturspezifische Aspekte des wissenschaftlichen
Arbeitens - etwa selbstständiges Arbeiten, sowie die Verwendung
wissenschaftssprachlicher Strukturen oder die Bewältigung des Lesepensums
- Schwierigkeiten bereiten. Zudem wurden psychosoziale Aspekte angeführt,
etwa das Problem, unsicher zu sein, was vermutlich gerade bei mündlichen
Präsentationen vor einem (Fach-)Publikum im Seminar relevant wird.
4 Ausblick
Die Daten belegen zum
einen, dass der TestDaF nach wie vor zentrale sprachliche Anforderungen an der
Hochschule erfasst. Insbesondere die Erstellung längerer hochschultauglicher
Texte, die aktive Teilhabe an mündlichen Sprachverwendungs-situationen - etwa
Fachgespräche im Seminar oder die Rezeption von Vorträgen oder Vorlesungen -
und parallel dazu die Fixierung von Stichworten werden durch den TestDaF
weitgehend abgedeckt. Es zeigt sich aber auch, dass gegebenenfalls ein größeres
Augenmerk auf „zeitgenössische“ Sprachhandlungen und Kommunikationsformen
gelegt werden sollte, etwa die Erstellung von E-Mails oder der mündliche Vortrag
anhand einer PowerPoint-Präsentation. Sprachliche Anforderungen und
Schwierigkeiten im Hochschulkontext sind zudem in allen Teilkompetenzen eng mit
kognitiven Fähigkeiten verwoben. So erfordert etwa das Exzerpieren bei der
Bewältigung eines umfangreichen Lesepensums (Fachliteratur) neben der
Beherrschung eines entsprechenden Lesevokabulars und effektiver Lesestrategien
auch die Fähigkeit, Wissensbestände mit neuen Informationen zu verknüpfen,
Wesentliches zu erkennen, zu filtern und zusammenzuführen, um es schließlich in
andere Zusammenhänge zu überführen und etwa für eine Präsentation oder eine
schriftliche Hausarbeit aufzubereiten. Solchen komplexen Anforderungen bei der
akademischen Sprachverwendung sollte eine Sprachprüfung wie der TestDaF
Rechnung tragen. Weitergehende Überlegungen und Untersuchungen zur Validierung
des TestDaF sind daher für die nächste Zukunft geplant.
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[1] Die Kann-Beschreibungen zu allen TestDaF-Niveaustufen und Teilkompetenzen
finden sich unter: http://www.testdaf.de/teilnehmer/tn-info_nivea.php.
[2] Zum Testkonstrukt des TestDaF
vgl. auch Althaus 2004, Arras 2007, Kecker 2011, Zimmermann 2010.
[3] Zum Begriff
„Sprachbedarfserhebung“ bzw. „need analysis“ vgl. etwa Haider (2008: 8ff.).
[4] http://www.mumis-projekt.de/projekt/; 23.11.2012
[5] Die
Veröffentlichung erster Ergebnisse ist für Januar 2012 unter
http://www.mumis-projekt.de/projekt/ vorgesehen.
[6] Das Schaubild orientiert sich
an einem unveröffentlichten Vortrag (2010) von Camilla Grupen zum Thema
„Englisch in internationalen Studiengängen“.
[7] Die Interviews mit den deutschen und ausländischen Studierenden wurden von
zwei studentischen Teams an den Universitäten Bochum und Bielefeld als
Leistungsnachweis im Rahmen eines Seminars zu Forschungsmethoden in der
Fremdsprachenforschung durchgeführt. Sie wurden hierzu von der Autorin geschult
und in die spezifischen Anforderungen der Interviewdurchführung eingeführt. Die
Dozenten wurden von der Autorin selbst interviewt.
[8] Zur Konzipierung und Struktur des Fragebogens vgl. Behr (2011, unv. Ms.).
[9] Dieser recht hohe Rücklauf ist vermutlich auf die Preisverlosung
zurückzuführen, die bei der Befragung der Studierenden als Anreiz für die
Teilnahme mit einem vollständig ausgefüllten Fragebogen stattfand.
[10] Die Angaben zu den
Leistungsnachweisen in der Befragung der Dozenten wurden in vier Fachbereiche
kategorisiert: 1. Gesellschafts-, Geistes- und Kulturwissenschaften
(einschließlich Musik), 2. Mathematik,
Informatik, Naturwissenschaften, Technik und Medizin, 3.
Ingenieurwissenschaften, 4. Wirtschaftswissenschaften.
[11] Mathematik, Informatik,
Naturwissenschaften, Technik.
[12] So wird beklagt, dass in
der Schule mehr und mehr Faktenwissen zu Lasten kognitiver Fähigkeiten
vermittelt würde, so dass bei Studienanfängern zunehmend sprachliche Unsicherheiten
zu beobachten seien.