Wissenschaftlicher Sammelband, herausgegeben von Thomas Tinnefeld unter Mitarbeit von Ines-A. Busch-Lauer, Hans Giessen, Michael Langner, Adelheid Schumann. Saarbrücken: htw saar 2012. ISBN 978-3-942949-00-2.


Im Rahmen eines Hochschulstudiums in Deutschland
erforderliche sprachliche Kompetenzen -
Ergebnisse einer empirischen Bedarfsanalyse

Ulrike Arras (Bochum)


Abstract (English)
The article describes an empirical study on need analysis of language competences for foreign students who want to do their studies in German higher education institutions. The analysis consists of a multi-method design combining qualitative and quantitative data, using document analysis and interviews as well as questionnaires. This analysis is part of a wider study of test validation of TestDaF (Test of German as Foreign Language) - a standardized test which is designed for foreign students who wish to study in a German-speaking academic environment. This test thus measures language skills and competences which are necessary in an academic context covering the bands B2 and C1 of the Common European Framework of Reference for Key words: TestDaF, Test validation, need analysis, research methods

Abstract (Deutsch)
Die standardisierte Prüfung TestDaF (Test Deutsch als Fremdsprache) erfasst Fertigkeiten und Kompetenzen auf den Niveaustufen B2 und C1 des Gemeinsamen Europäischen Referenzrahmens (GER) und fungiert als Nachweis ausreichender Deutschkompetenzen für ein Studium an einer Hochschule in Deutschland. Die Prüfung wird vom TestDaF-Institut entwickelt und administriert. 2010 und 2011 führte das TestDaF-Institut eine empirische Studie zur Eruierung sprachlicher Anforderungen an deutschen Hochschulen durch - mit dem Ziel, die Validität des TestDaF zu überprüfen. Im Beitrag werden das Mehr-Methoden-Design dieser Untersuchung (quantitative und qualitative Methoden; Dokumentenanalyse, Interviews, Fragebogenerhebung) beschrieben und die wichtigsten Ergebnisse skizziert.
Stichwörter: TestDaF, Testvalidität, Bedarfsanalyse, Forschungsmethoden





1   Begründungszusammenhang

Der Test Deutsch als Fremdsprache (TestDaF) ist eine standardisierte Sprachprüfung, die sich in erster Linie an ausländische Studierende richtet, die ein Studium an einer deutschsprachigen Hochschule aufnehmen wollen und für die Zulassung einen Sprachnachweis vorlegen müssen. Dementsprechend bildet der TestDaF solche Kompetenzen ab, die für ein Hochschulstudium in deutscher Sprache relevant und erforderlich sind. Die Prüfung orientiert sich am Sprachmodell der kommunikativen Kompetenz und weist sprachliche Kompetenzen differenziert in drei Kompetenzniveaus aus, den TestDaF-Niveaustufen 3, 4 und 5, die die Niveaus B2 und C1 auf dem Gemeinsamen Europäischen Referenzrahmen für Sprachen (GER) abdecken (Europarat 2001, Kecker & Eckes 2010, Kecker 2011). Zudem werden sie in vier Subtests erfasst: Leseverstehen, Hörverstehen, Schriftlicher Ausdruck und Mündlicher Ausdruck.[1]

Der TestDaF wurde im Jahr 2001 - also vor nunmehr über 10 Jahren - mit dem bildungspolitischen Ziel ins Leben gerufen, den Zugang zum Hochschulstudium für ausländische Studierende zu vereinfachen. Aus diesem Grunde wird der TestDaF zwar zentral in Deutschland entwickelt und ausgewertet, kann jedoch weltweit (derzeit in mehr als 90 Ländern) an eigens lizenzierten Testzentren abgelegt werden. Die Zulassung zum Studium an einer deutschen Hochschule wird dadurch vereinfacht, denn der Nachweis über ausreichende sprachliche Kompetenzen für ein Studium kann bereits frühzeitig, d.h. vor der Ausreise nach Deutschland, erbracht werden, was eine nicht unerhebliche Zeit- und auch Kostenersparnis für die Studierwilligen mit sich bringt. Zudem kann der TestDaF mehrfach ohne Beschränkung abgelegt werden.

Ein hohes Maß an Standardisierung sowie die kontinuierliche Kontrolle der Testgütekriterien durch das TestDaF-Institut sorgen für die Testqualität und damit für Testfairness (Eckes 2004, 2005, 2008, 2010). Zudem ist das TestDaF-Institut Mitglied der Association of Language Testers in Europe (ALTE, www.alte.org) und wurde bereits im Jahr 2007 einer Qualitätskontrolle unterzogen. Die Prüfung erfreut sich weltweit zunehmender Akzeptanz. Im Jahre 2011 ergab sich eine weitere Steigerung der Anzahl der Prüfungsteilnehmer auf über 21.000 Personen. Damit haben seit seinem Bestehen im Jahr 2001 etwa 140.000 Menschen weltweit die Prüfung abgelegt. Die große Akzeptanz bei Prüflingen ebenso wie bei Hochschulen und anderen stake holders zeigt nicht zuletzt, dass der TestDaF prinzipiell die für ein Hochschulstudium in Deutschland erforderlichen Sprachkompetenzen in adäquater Weise erfasst. Die Kernelemente hochschultypischer Sprachverwendung, die im TestDaF gemessen werden und entsprechend im Testkonstrukt festgeschrieben sind, lassen sich wie folgt skizzieren[2]:
  • Das Verstehen von Detailinformationen und Gesamtaussagen in schriftlichen und mündlichen Texten des Hochschulalltags;
  • Die Verarbeitung komplexer und impliziter Informationen in schriftlichen und mündlichen wissenschaftssprachlichen Texten;
  • Die Erstellung zusammenhängender argumentativer und diskursiver Texte unter Einbezug von Datenmaterial sowie von Ergebnissen und Aussagen anderer;
  • Die angemessene mündliche Reaktion in verschiedenen Situationen des Hochschulalltags (d.h. in informellen ebenso wie in akademischen Kontexten);
  • Die Beschreibung von Sachverhalten und Datenmaterial (schriftlich und mündlich):
  • Stellungnahme, Begründung, Argumentation (schriftlich und mündlich).
Seit seinem Bestehen 2001 wurden zwar im Zuge der Qualitätssicherung Einzelaspekte der Prüfung revidiert. Dies betrifft etwa die Optimierung des Beurteilungsverfahrens (etwa Eckes 2003, Eckes 2010) und der Beurteilungskriterien (Arras & Grotjahn 2004) sowie die Revision des Prüfungsteils Mündlicher Ausdruck (Arras 2007). Grundlegende Veränderungen des Testkonstrukts wurden bislang aber nicht vorgenommen. Da jedoch sprachliche Anforderungen stets auch dem Wandel unterliegen und gerade die letzte Dekade an den Hochschulen durch strukturelle Veränderungen in den Studiengängen geprägt ist, liegt es nahe zu überprüfen, inwiefern sich auch die sprachlichen Anforderungen im Hochschulstudium verändert haben. Die schrittweise Umstellung auf konsekutive Studiengänge hatte und hat Auswirkungen auf die akademischen und somit auch auf die sprachlichen Anforderungen, die in einer Sprachprüfung wie dem TestDaF, d.h. in seinem Testkonstrukt, seinen Inhalten und Aufgaben, berücksichtigt werden müssen. Gleiches gilt für die veränderten Kommunikationssituationen und -formen als Konsequenz des zunehmenden Einsatzes neuer Medien im Studium, etwa die Verlagerung von Lehr- und Lerninhalten in Internet-Foren und die zunehmende elektronische Kommunikation.

Um auch in Zukunft möglichst valide Auskunft darüber geben zu können, ob ausländische Studierende in den neuen Bachelor- und Master-Studiengängen den sprachlichen Anforderungen gewachsen sind, bedarf es einer Überprüfung der Anforderungen im TestDaF anhand der an der Hochschule bestehenden, realen Anforderungen. Das TestDaF-Institut führte deshalb eine Validitätsstudie durch, die in einem ersten Schritt eine Bedarfsanalyse in Anlehnung an Long (2005) vorsieht[3]. Hierbei wurden durch eine breit angelegte, empirische Studie qualitative und quantitative Daten zu den aktuellen sprachlichen Anforderungen im Hochschulstudium erhoben, um den aktuellen Sprachbedarf in spezifischen hochschultypischen Sprachverwendungssituationen zu erfassen. Die daraus gewonnenen Erkenntnisse bilden die Grundlage für die Überprüfung der im TestDaF abgebildeten sprachlichen Anforderungen. Die Validitätsprüfung bezieht sich also auf das Testkonstrukt und auf die Anforderungen und Aufgabentypen des aktuellen TestDaF. Der Untersuchungsgegenstand wird somit durch folgende Leitfragen fokussiert:
  • Welche sprachlichen Anforderungen sind im Hochschulstudium bzw. im akademischen Kontext gegenwärtig relevant?
  • Erfasst der TestDaF in angemessener Weise die sprachlichen Kompetenzen, die für ein Studium in Deutschland erforderlich sind?
  • Ist gegebenenfalls eine Überarbeitung der Prüfung - hinsichtlich der zu erfassenden Kompetenzen, Textsorten und Aufgabenformate - erforderlich?


2   Untersuchungsdesign

Für die Validitätsprüfung wurde damit eine Bedarfsanalyse erforderlich, die mit einem Mehr-Methoden-Design durchgeführt wurde. Orientierung boten zum einen Longs (2005) Überlegungen zur Second Language Need Analysis sowie die ebenfalls empirisch ausgerichtete Studie Mehrsprachigkeit und Multikulturalität im Studium (MuMiS[4]). Es handelt sich um ein gemeinsames Forschungsprojekt der Universitäten Hamburg, Kassel und Siegen, das die sprachlichen und kulturellen Anforderungen im Hochschulstudium im Zuge der zunehmenden Internationalisierung zu erfassen sucht. Ein Teilprojekt widmet sich dabei den Language needs and difficulties of students in degree programmes taught in English[5].

Zusammenfassend kann festgehalten werden, dass die Untersuchung folgende aufeinander aufbauende Phasen durchläuft:

1. Phase: Erhebung qualitativer Daten mittels Dokumentenanalyse, Leitfaden-Interviews und Workshops.
2. Phase: Konzipierung von online-Fragebogen für Studierende einerseits und Hochschullehrkräfte andererseits anhand der eruierten qualitativen Daten; Durchführung der Fragebogenstudie in beiden Gruppen.

3. Phase: Erstellung eines Anforderungsprofils als Grundlage für die Konstruktvalidierung des TestDaF und für die Entwicklung gegebenenfalls neuer Aufgabenformate.

Die folgende Abbildung verdeutlicht das Design der Bedarfsanalyse[6]:




2.1  Dokumentenanalyse

Mit Hilfe der Dokumentenanalyse wurde fachübergreifend und bundesweit anhand online zugänglicher Informationen und Dokumente ermittelt, welche Anforderungen in Form von Leistungs- und Studiennachweisen die Hochschulen für die einzelnen Studiengänge festschreiben. Insgesamt wurden die entsprechenden Angaben in 100 Studiengängen in 9 Fachbereichen an 25 Hochschulen (Universitäten, Technische Universitäten, Hochschulen für Angewandte Wissenschaften) überprüft. Die Daten zeigen, dass die Prüfungsformen Klausur, schriftliche Hausarbeit, mündliche Prüfung sowie mündliches Referat / Präsentation die häufigsten Leistungs- und Studiennachweise in allen Fachbereichen darstellen. Als sprachbezogene Anforderung werden in diesen Dokumenten oft genannt: analysieren, erläutern, präsentieren, kommentieren und argumentieren.


2.2  Workshops

In verschiedenen Workshops wurde die Expertise von Experten aus Wissenschaft und Praxis einbezogen. Es handelt sich zum einen um Wissenschaftler und Wissenschaftlerinnen aus den Bereichen Fremdsprachenforschung, Sprachlehrforschung und Deutsch als Fremdsprache, zum anderen um Experten und Expertinnen auf den Gebieten Unterrichtspraxis und TestDaF, hier insbesondere Beurteiler von TestDaF-Prüfungsleistungen: Die Beurteiler kennen aufgrund von regelmäßigen Schulungen und ihrer Beurteilungsarbeit die Anforderungen des TestDaF sehr genau. Zudem sind die meisten von ihnen in den hochschulbezogenen DaF-Unterricht involviert, so dass sie ein Bindeglied zwischen den sprachlichen Anforderungen der Prüfung und der Hochschulrealität darstellen.

In den Workshops wurde in Kleingruppen im Dialog-Konsens-Verfahren ermittelt, welche (neuen) sprachlichen Anforderungen im Hochschulkontext zu beobachten sind und inwiefern der TestDaF mit seinem spezifischen, auf die Hochschulerfordernisse ausgerichteten Testkonstrukt diese Anforderungen abdeckt. Zur Kategorisierung wurden die Daten sodann hochschultypischen Handlungsfeldern und Sprachverwendungssituationen zugeordnet.


2.3  Interviews

Die Erkenntnisse aus Workshops und Dokumentenanalyse flossen in die Konzipierung von Leitfäden für Interviews ein, die mit deutschen und ausländischen Studierenden einerseits und Hochschuldozenten andererseits durchgeführt wurden. Die Konzipierung der Leitfäden sowie die Durchführung der Interviews erfolgten in Anlehnung an Kvale (1996) und Flick (2002). Im Zentrum der Leitfäden standen Fragen zu konkreten Sprachverwendungssituationen und sprachlichen Anforderungen im Hochschulkontext, gegebenenfalls spezifiziert zu den Teilkompetenzen Sprechen, Schreiben, Hören und Lesen. Hierbei wurde auch jeweils um konkrete Beispiele gebeten, um sicherzustellen, dass es sich um reale sprachliche Anforderungen handelt. In den Interviews mit den ausländischen Studierenden wurde außerdem gefragt, welche Ratschläge man künftigen Studierenden aus dem Ausland geben könne, um ihre Studienaufnahme in Deutschland zu optimieren. Daneben wurden auch biografische Daten erhoben, etwa zum Fachgebiet, zur Lernbiografie, zur Herkunftssprache und zur Herkunftskultur. In den Interviews mit den Dozenten hingegen wurde nach dem Modell einer guten Studentin bzw. eines guten Studenten gefragt. Mit solchen Fragen sollten erfahrungsbasierte Hinweise auf Studienanforderungen ermittelt werden.

Insgesamt fanden 38 Interviews statt: 12 Interviews mit Hochschullehrkräften, 6 Interviews mit deutschen Studierenden und 20 Interviews mit ausländischen Studierenden, die bereits seit längerem in Deutschland studierten und in der Lage waren, die Befragung auf Deutsch durchzuführen[7]. Die ausländischen Studierenden stammten aus unterschiedlichen Herkunftskulturen - hauptsächlich jedoch aus Osteuropa und der Volksrepublik China -, was generell weitgehend der Zusammensetzung der Gruppe der TestDaF-Teilnehmer entspricht. Die Interview-Partner stammten zudem aus unterschiedlichen Fachbereichen und Hochschulen, was ein differenziertes Bild ermöglichte, denn auch die Zielgruppe des TestDaF ist extrem heterogen - nicht nur hinsichtlich der kulturellen Herkunft bzw. der Erstsprache, sondern auch im Hinblick auf die gewünschten Studienfächer und Hochschultypen. Um diese Heterogenität der Anforderungen abzubilden, wurden die Interviews in verschiedenen Bundesländern und an unterschiedlichen Hochschultypen (neben Universitäten auch Technische Universitäten und Hochschulen für Angewandte Wissenschaften), in Großstädten ebenso wie in kleineren Hochschulorten, mit Gesprächspartnern aus neun unterschiedlichen Fachbereichen durchgeführt.

Die Interviews wurden einer Inhaltsanalyse unterzogen (Flick 2002 sowie Mayring 2010). Hierzu wurden sie paraphrasierend transkribiert und kodiert. Orientierung bot hierbei vor allem Mayrings System der zusammenfassenden, explikativen und strukturierenden Inhaltsanalyse. Sodann wurden alle durch die Interviews eruierten sprachlichen Anforderungen und Sprachverwendungssituationen in Listen zusammengestellt, kondensiert und kategorisiert. Diese Zusammenstellung von mehreren hundert Sprachverwendungssituationen und sprachlichen Anforderungen bildete schließlich die Basis für die Konzipierung von Online-Fragebogen, die ausländischen Studierenden sowie Hochschuldozenten in Deutschland zur Bearbeitung zugeschickt wurden.[8]


2.4  Fragebogen

Ziel der Fragebogen-Erhebung war es, die qualitativen Daten aus der Erhebung in Phase 1 zu triangulieren und zu überprüfen, welche der sprachlichen Aktivitäten sich im Hinblick auf ihre Häufigkeit als relevant erweisen. Die Fragebögen für beide Zielgruppen stimmten weitgehend überein und hatten die folgende Struktur:

Im Fragebogen für die ausländischen Studierenden wurden zunächst Daten zum persönlichen Hintergrund der Teilnehmer erfasst, also z.B. Fachgebiet, Herkunftsland, Erstsprache, Lernbiografie, Studienverlauf. Der Hauptteil des Fragebogens war den sprachlichen Anforderungen bzw. der Frage gewidmet, wie oft bestimmte vorgegebene sprachliche Aktivitäten im Hochschulalltag vorkommen. Zusätzlich wurde erfragt, ob und welche sprachlichen Aktivitäten Schwierigkeiten bereiteten, und zwar dezidiert im Deutschen und in der Erstsprache, um Hinweise zu erhalten, ob die vorgegebenen Anforderungen sprachunabhängig kognitiv-intellektuell eine Schwierigkeit darstellten, oder ob es sich um Schwierigkeiten handelte, die direkt mit der Zielsprache Deutsch in Zusammenhang standen.

Im Fragebogen für die Dozenten und Dozentinnen wurden ebenfalls Personendaten wie Alter, Herkunft, und Fachbereich erbeten. Außerdem wurde nach dem Stellenwert hochschultypischer Veranstaltungsformen und Leistungsnachweise in ihrem jeweiligen Fach gefragt. Der Hauptteil des Fragenbogens für DozentInnen bestand - wie in der Version für Studierende - in der Erfassung von Daten zu sprachlichen Anforderungen im Studium sowie in der Frage, welche spezifischen Schwierigkeiten mit hochschultypischen sprachlichen Aktivitäten Studierende erfahrungsgemäß haben. Die Dozenten wurden hierbei jedoch gebeten, Angaben zu beobachtbaren Schwierigkeiten sowohl ihrer ausländischen und als auch ihrer deutschen Studierenden zu machen, um einen Vergleich zu ermöglichen.

Im Fragebogen für Studierende wurde abschließend gefragt, welche Ratschläge man Bekannten auf der Grundlage eigener Erfahrungen mit dem Studium in Deutschland geben könne. Mit dieser Frage sollten - über die Kernanliegen der Untersuchung hinaus - Erkenntnisse zu den Bedingungen von Spracherwerb und Sprachverwendung im Hochschulkontext ermittelt werden.

Die Dozenten hingegen wurden abschließend gebeten, die sprachlichen Kompetenzen einer guten Studentin bzw. eines guten Studenten zu charakterisieren, um weitere Rückschlüsse auf (sprachliche) Anforderungen ziehen zu können.

Die genannten Fragekomplexe wurden i.d.R. als geschlossenes Itemformat präsentiert. Mit wenigen offenen Items wurden Daten zu weiteren sprachlichen Anforderungen und Schwierigkeiten erbeten, die im Fragebogen nicht berücksichtigt wurden.

Der Online-Fragebogen wurde im Sommer 2011 zunächst an 9493 ehemalige TestDaF-Teilnehmer verschickt, die die Prüfung mit einem Ergebnis abgelegt hatten, das ihnen erlaubte, ein Studium in Deutschland aufzunehmen. Der Rücklauf lag bei 1327 vollständig bearbeiteten und auswertbaren Fragebogen-Datensätzen[9]. Das Durchschnittsalter der Teilnehmer lag bei Mitte bis Ende 20. Fast ein Drittel der Teilnehmer war männlich (29,9%), etwa zwei Drittel waren weiblich (70,1%). Fast die Hälfte stammte aus Osteuropa und der Volksrepublik China. Mit diesen Merkmalen entspricht die Stichprobe weitgehend der TestDaF-Population und ist somit für die Untersuchung repräsentativ. Zusätzliche Aussagekraft gewinnen die erhobenen Daten auch durch den Umstand, dass die Mehrheit der Teilnehmer nicht nur mehrere Jahre in der Heimat studiert hatte, sondern auch schon seit mehreren Jahren an einer deutschen Hochschule immatrikuliert war.

Die Befragung der  Hochschuldozenten erfolgte im Spätsommer 2011. Der Fragebogen wurde in zwei Phasen an 1045 Hochschuldozenten bundesweit versandt. Der Rücklauf lag bei immerhin 120 auswertbaren Datensätzen. 42,6% der Teilnehmer waren Männer, 57,4% Frauen. Das Durchschnittsalter lag bei Mitte 40. Für 90% von ihnen war die Muttersprache Deutsch.


3   Ergebnisse

Die Daten der Fragebogen-Erhebung wurden Häufigkeitsanalysen unterzogen, so dass Rückschlüsse auf die aktuellen sprachlichen Anforderungen im Hochschulstudium möglich wurden. Sie lassen sich wie folgt zusammenfassen:
  • Nach wie vor sind Vorlesung und Seminar fachübergreifend die häufigsten hochschulspezifischen Lehrformen. Andere Veranstaltungsformen unterscheiden sich je nach Fachbereich[10]. So ist beispielsweise die Übung in den Ingenieur- oder Wirtschaftswissenschaften eine übliche Veranstaltungsform. Etwa 90% der Befragten in diesen Fachbereichen gaben die Übung als häufige Veranstaltungsform an, während sie in den Gesellschafts- und Geisteswissenschaften nur von etwa 50% der befragten Dozenten genannt wurde.
  • Als Leistungsnachweise müssen immer noch vor allem schriftliche Hausarbeiten verfasst, mündliche Präsentationen (im Rahmen eines Seminars) gehalten und Klausuren geschrieben werden. Auffällig ist, dass Leistungsnachweise wie die mündliche Präsentation fachübergreifend einen hohen Stellenwert haben. Hingegen wird die Erstellung schriftlicher Arbeiten (Hausarbeiten) vor allem in den Geistes- und Gesellschaftswissenschaften erwartet – und zwar in hohem Maße: Über 90% der Befragten gaben hier die Hausarbeit als Leistungsnachweis an. Hingegen hat die schriftliche Hausarbeit in den MINT-Fächern[11] keinen hohen Stellenwert: nur etwa die Hälfte der befragten Dozenten aus diesen Fächern gaben sie als Leistungsnachweis an.

Die folgenden sprachbasierten Aktivitäten sind den Angaben sowohl der Studierenden als auch der Dozenten zufolge besonders relevant:
  • Einer Vorlesung bzw. einem Fachvortrag folgen / zuhören, dabei gegebenenfalls anhand einer PowerPoint-Präsentation oder eines Skripts Notizen machen.
  • Material lesen und (z.B. für eine Lehrveranstaltung) vorbereiten sowie im Seminar besprechen.
  • Mit Kommilitonen kommunizieren, sowohl in privater schriftlicher Kommunikation (etwa per E-Mail) als auch in Fachdiskussionen (etwa in Arbeitsgruppen).
  • Kurze informative Textsorten lesen, z.B. Flyer oder Aushänge; diese Anforderung wurde von den befragten Studierenden als relevant benannt.
  • Aktiv (mündlich) an Seminaren teilhaben; diese Anforderung geben die befragten Dozenten als besonders relevant an.
  • Ein Referat bzw. eine Präsentation im Rahmen eines Seminars mündlich vortragen.
  • Längere sachbezogene Texte (Hausarbeiten, Abschlussarbeiten) verfassen, also Texte mit klarer Gedankenführung und Textstruktur, in denen eigene ebenso wie fremde Meinungen und Gedanken wiedergegeben werden.
  • Fachliteratur verarbeiten (auch englischsprachige Fachliteratur).
Was die Schwierigkeiten anbelangt, die Studierende bei sich selbst beobachten und die Hochschullehrkräfte bei ihren Studierenden wahrnehmen, so lassen sich folgende Punkte und Trends festhalten:
  • Die Erstellung längerer schriftlicher Arbeiten repräsentiert nach wie vor eine zentrale Schwierigkeit.
  • Als ebenfalls schwierig wird die mündliche aktive Teilhabe am Unterrichtsgeschehen wahrgenommen, etwa in Form einer mündlichen Präsentation oder dann, wenn erwartet wird, sich kritisch (gegenüber anderen) zu äußern.
  • Mit den genannten Schwierigkeiten verbunden ist generell das Problem der adäquaten Verwendung wissenschaftssprachlicher Strukturen (mündlich und schriftlich).
  • Interessant ist in diesem Zusammenhang, dass den Daten der Dozenten nach bestimmte Schwierigkeiten auch bei deutschen Studierenden beobachtet werden, etwa die Erstellung eines zusammenhängenden strukturierten wissenschaftssprachlichen Textes (z. B. einer Hausarbeit), was Fähigkeiten wie Gedanken formulieren oder Gedanken anderer wiedergeben impliziert. Tendenziell gaben die Dozenten zwar an, dass deutsche Studierende insgesamt weniger sprachbasierte Schwierigkeiten im Studium haben, bei genauerer Betrachtung der einzelnen Anforderungen zeigen sich jedoch Parallelen zwischen beiden Studierendengruppen. Einerseits kann dies ein Hinweis darauf sein, dass die Anforderungen eher intellektuell-kognitiver Natur bzw. fachbezogen und weniger auf sprachliche Schwierigkeiten zurückzuführen sind. Dies kann andererseits aber auch auf mangelnde sprachliche Kompetenzen der deutschen Studierenden verweisen, eine Überlegung, die durch verschiedene Angaben in den offenen Items (s. u.) gestützt wird, in denen mehrfach die Schule in Deutschland für mangelnde sprachliche Kompetenzen deutscher Studierender verantwortlich gemacht wird[12].
  • Die Auswertung der offenen Items, bei denen die Befragten weitere Angaben zu relevanten sprachbezogenen Anforderungen und Schwierigkeiten machen konnten, zeigt, dass insbesondere kulturspezifische Aspekte des wissenschaftlichen Arbeitens - etwa selbstständiges Arbeiten, sowie die Verwendung wissenschaftssprachlicher Strukturen oder die Bewältigung des Lesepensums - Schwierigkeiten bereiten. Zudem wurden psychosoziale Aspekte angeführt, etwa das Problem, unsicher zu sein, was vermutlich gerade bei mündlichen Präsentationen vor einem (Fach-)Publikum im Seminar relevant wird.

4   Ausblick

Die Daten belegen zum einen, dass der TestDaF nach wie vor zentrale sprachliche Anforderungen an der Hochschule erfasst. Insbesondere die Erstellung längerer hochschultauglicher Texte, die aktive Teilhabe an mündlichen Sprachverwendungs-situationen - etwa Fachgespräche im Seminar oder die Rezeption von Vorträgen oder Vorlesungen - und parallel dazu die Fixierung von Stichworten werden durch den TestDaF weitgehend abgedeckt. Es zeigt sich aber auch, dass gegebenenfalls ein größeres Augenmerk auf „zeitgenössische“ Sprachhandlungen und Kommunikationsformen gelegt werden sollte, etwa die Erstellung von E-Mails oder der mündliche Vortrag anhand einer PowerPoint-Präsentation. Sprachliche Anforderungen und Schwierigkeiten im Hochschulkontext sind zudem in allen Teilkompetenzen eng mit kognitiven Fähigkeiten verwoben. So erfordert etwa das Exzerpieren bei der Bewältigung eines umfangreichen Lesepensums (Fachliteratur) neben der Beherrschung eines entsprechenden Lesevokabulars und effektiver Lesestrategien auch die Fähigkeit, Wissensbestände mit neuen Informationen zu verknüpfen, Wesentliches zu erkennen, zu filtern und zusammenzuführen, um es schließlich in andere Zusammenhänge zu überführen und etwa für eine Präsentation oder eine schriftliche Hausarbeit aufzubereiten. Solchen komplexen Anforderungen bei der akademischen Sprachverwendung sollte eine Sprachprüfung wie der TestDaF Rechnung tragen. Weitergehende Überlegungen und Untersuchungen zur Validierung des TestDaF sind daher für die nächste Zukunft geplant.



Bibliographie


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[1]  Die Kann-Beschreibungen zu allen TestDaF-Niveaustufen und Teilkompetenzen finden sich unter: http://www.testdaf.de/teilnehmer/tn-info_nivea.php.
[2] Zum Testkonstrukt des TestDaF vgl. auch Althaus 2004, Arras 2007, Kecker 2011, Zimmermann 2010.
[3]  Zum Begriff „Sprachbedarfserhebung“ bzw. „need analysis“ vgl. etwa Haider (2008: 8ff.).
[4]  http://www.mumis-projekt.de/projekt/; 23.11.2012
[5] Die Veröffentlichung erster Ergebnisse ist für Januar 2012 unter http://www.mumis-projekt.de/projekt/ vorgesehen.
[6] Das Schaubild orientiert sich an einem unveröffentlichten Vortrag (2010) von Camilla Grupen zum Thema „Englisch in internationalen Studiengängen“.
[7] Die Interviews mit den deutschen und ausländischen Studierenden wurden von zwei studentischen Teams an den Universitäten Bochum und Bielefeld als Leistungsnachweis im Rahmen eines Seminars zu Forschungsmethoden in der Fremdsprachenforschung durchgeführt. Sie wurden hierzu von der Autorin geschult und in die spezifischen Anforderungen der Interviewdurchführung eingeführt. Die Dozenten wurden von der Autorin selbst interviewt.
[8]  Zur Konzipierung und Struktur des Fragebogens vgl. Behr (2011, unv. Ms.).
[9]  Dieser recht hohe Rücklauf ist vermutlich auf die Preisverlosung zurückzuführen, die bei der Befragung der Studierenden als Anreiz für die Teilnahme mit einem vollständig ausgefüllten Fragebogen stattfand.
[10] Die Angaben zu den Leistungsnachweisen in der Befragung der Dozenten wurden in vier Fachbereiche kategorisiert: 1. Gesellschafts-, Geistes- und Kulturwissenschaften (einschließlich Musik), 2. Mathematik, Informatik, Naturwissenschaften, Technik und Medizin, 3. Ingenieurwissenschaften, 4. Wirtschaftswissenschaften.
[11] Mathematik, Informatik, Naturwissenschaften, Technik.
[12] So wird beklagt, dass in der Schule mehr und mehr Faktenwissen zu Lasten kognitiver Fähigkeiten vermittelt würde, so dass bei Studienanfängern zunehmend sprachliche Unsicherheiten zu beobachten seien.