Interkulturelle Pragmatik
im Fremdsprachenunterricht an Hochschulen
Claudia Wunderlich (Kufstein, Österreich
/ München)
Abstract (English)
Since
language and culture are inseparably linked, culture, as the fifth pillar of
language learning in addition to
reading, writing, listening and speaking, has increasingly
found its way into modern language teaching at universities and universities of
applied sciences. While pragmalinguistic phenomena have always been part of
lessons of such – from a European perspective – “exotic” languages as Japanese
or Chinese, these are now becoming increasingly important in English as well.
Particularly English as an international language, as a lingua franca, which is rapidly
changing just like the modern world, makes special demands on the learners. Not
only do they need to possess cultural knowledge specific to the
English-speaking world, but altogether they have to be capable of interacting
with interlocutors originating from all different countries around the globe,
who still apply the pragmatic strategies of their culture of origin. Pragmatic failure is a challenge that often enough
impedes the success of (business) relationships. This makes intercultural
pragmatics a necessary part of foreign language classes.
Key words: Intercultural
pragmatics, English as a lingua
franca, pragmatic failure, language teaching
Abstract (Deutsch)
Da Sprache
und Kultur untrennbar miteinander verknüpft sind, hält Kultur als fünfte Säule
neben den Fertigkeiten Lesen, Schreiben, Hören und Sprechen
immer mehr Einzug in den modernen Fremdsprachenunterricht an Hochschulen. Waren
pragmalinguistische Erscheinungen gerade bei aus europäischer Sicht
‚exotischen’ Sprachen wie Japanisch oder Chinesisch von jeher Teil des
Unterrichts, so wird dies im Falle des Englischen nun auch immer wichtiger.
Gerade Englisch als internationale Sprache, als lingua franca, die sich, genau wie die moderne Welt, rasch
verändert, stellt in diesem Kontext besondere Anforderungen an die Lernenden.
Sie müssen nicht nur über kulturspezifische Kenntnisse der englischsprachigen
Welt verfügen, sondern grundsätzlich auch in der Lage sein, mit Sprechern zu
interagieren, die aus den verschiedensten Ländern der Erde stammen und die
pragmatischen Strategien ihrer Ausgangskultur verwenden. Pragmatic failure ist ein Problem, das nicht selten das Gelingen
von (Geschäfts-) Beziehungen verhindert. Dies macht die interkulturelle
Pragmatik zu einem notwendigen Unterrichtsgegenstand im Fremdsprachenunterricht.
Stichwörter: Interkulturelle Pragmatik,
Englisch als lingua franca,
pragmatic failure Fremdsprachenunterricht
1 Die besondere Situation des Englischen
Kultur und Sprache sind bekanntlich untrennbar miteinander verknüpft,
jedoch unterscheidet sich die Entwicklung der englischen Sprache in den letzten
Jahrzehnten aufgrund der zunehmenden Internationalisierung und Globalisierung
grundsätzlich von der anderer Sprachen: Sie spielt - gerade auch im
Wirtschaftsleben (Seidlhofer 2010) - in immer größerem Umfang die Rolle der
internationalen lingua franca. Dies
manifestiert sich unter anderem in der in den letzten beiden Jahrzehnten erheblich
angestiegenen Nachfrage bei Nicht-Philologiestudierenden nach einer curricularen
Verankerung von Englischkursen an Universitäten und (Fach-) Hochschulen.
Von den derzeit geschätzten 1,5 Milliarden Sprechern des Englischen
wird angenommen, dass auf einen Muttersprachler drei Nicht-Muttersprachler
kommen und somit die überwiegende Mehrheit der Sprecher das Englische als
Zweit- oder Fremdsprache nutzt (Crystal 2003: 6, 69). Dabei bleiben jedoch
zumeist die kulturellen Erwartungen und Normen der Ursprungskultur erhalten, da
die Sprecher in der Regel nicht im Anglo-Amerikanischen Raum sozialisiert
wurden. Hierdurch können in der in Englisch
ablaufenden Kommunikation in allen Lebenslagen schwerwiegende Probleme und
Missverständnisse auftreten, die durch divergierende pragmatische Strategien
und Normen bedingt sind.
Dies beginnt bereits bei den Begrüßungsritualen - und beispielsweise
wenige Kilometer östlich der österreich-ungarischen Grenze. Selbst wenn in
Ungarn Englisch oder Deutsch gesprochen wird, ist es dort auch heute noch weit
verbreitet, dass ein Mann grundsätzlich abwartet, bis ihm die Frau - auch wenn
sie wesentlich jünger ist und er sie als Leiter in seiner Einrichtung
willkommen heißt - die Hand reicht. Andernfalls unterbleibt jegliches
Händeschütteln, was vor allem bei wiederholten Terminen zu Unbehagen auf beiden
Seiten führen kann, wenn die ausländische Frau die ungarischen Regeln nicht
kennt. Als weiteres Beispiel von exemplarischem Charakter sei die Sitte in den
romanischen Ländern genannt, es als Zeichen von besonderem Interesse und
Anteilnahme zu werten, einen Redner beim Sprechen einfach zu unterbrechen -
eine Sitte, die in vielen anderen Kulturen undenkbar ist und als grob unhöflich
eingeschätzt wird.
Bereits durch derartige, scheinbare Kleinigkeiten sind
Missverständnisse und potentielle Konflikte vorprogrammiert, doch erst in
jüngster Zeit finden solche Phänomene langsam systematischeren Eingang in den
hochschulischen Fremdsprachenunterricht. Dabei ist die interkulturelle
Pragmatik für die Ermöglichung einer harmonischen Zusammenarbeit höchst
relevant für das Wirtschaftsleben, für internationale Verhandlungen, aber auch
für die innerbetriebliche Kommunikation in Konzernen mit Englisch als corporate language. Dieser Bereich
bedarf deshalb dringend einer stärkeren Verankerung im Fremdsprachenunterricht
von (Fach-)Hochschulen. Fachhochschulen bzw. Hochschulen für Angewandte
Wissenschaften sind von Haus aus praxisorientiert, und daher benötigt man im
Unterricht auf die praktische Kommunikation ausgerichtete,
adressatenspezifische didaktische Vermittlungsstrategien. Dazu zählt auch, dass
zunächst einmal ein Bewusstsein für die bereits unter Muttersprachlern
vorherrschende, sprachliche Heterogenität des plurizentrischen Englisch geschaffen
werden muss.
Bekanntlich sagte bereits George Bernhard Shaw
über das Englische, dass England
und Amerika „two nations divided by a common language” (Davies 2007: viii)
seien und „It is impossible for an Englishman to open his mouth without making
some other Englishman hate or despise him" (Shaw 2008: 7). Beide Aussagen bringen die Situation des Englischen auf den Punkt: Schon unter englischen
Muttersprachlern sorgt der Reichtum an diatopisch und diastratisch bedingten
Varietäten der Sprache dafür, dass leicht sprachlich bedingte Missverständnisse
und Antipathien entstehen können. Hierbei stellt die heutige, noch
stärkere Internationalität des Englischen eine weitere Herausforderung dar, da
immer öfter Sprecher mit noch unterschiedlicheren kulturellen Hintergründen
aufeinandertreffen.
Angehende Geschäftsleute müssen in der Lage sein, mit Sprechern jeder
erdenklichen native oder non-native Varietät und Stilebene des
Englischen umgehen zu können. Die Möglichkeit, sich im Beruf zunächst durch trial and error-Verfahren auszuprobieren,
birgt erhebliche Risiken: Wenn Verhandlungen misslingen oder scheitern, sind im
Zweifelsfalle beachtliche Einbußen die Folge. Bei der Sprachvermittlung ist
deshalb unbedingt darauf zu achten, dass keine kulturromantische Idylle
vermittelt wird, sondern ein realistisches Bild der Chancen und Fallstricke der
interkulturellen Zusammenarbeit, und dass begründete Unterschiede im
Geschäftsleben zum eigenen Vorteil ausgenutzt werden können. Beispielsweise
kann der Verhandlungspartner durch ein eigenes Vortäuschen von Nichtverstehen
dazu animiert werden, mehr Informationen als geplant - zum eigenen Nachteil -
preiszugeben. Schließlich ist Wirtschaft als Krieg ohne Waffen zu verstehen und
die richtige Balance zwischen Paranoia und Naivität in geschäftlichen
Beziehungen für erfolgreiches Agieren entscheidend.
Daher stellt es aufgrund des hohen Konkurrenzdruckes in der
globalisierten Welt eine immense Aufgabe für die Wirtschaft dar, sprachlich und
pragmatisch ausgebildetes Personal zu rekrutieren. Entsprechend steigt der
Erwartungsdruck an (Fach)Hochschulen, eine derartige Ausbildung anzubieten.
2 Vorüberlegungen
zu einer Interkulturellen Pragmatik an
Hochschulen
Als Folge dieser gestiegenen Anforderungen an die
Fremdsprachenausbildung von Hochschulen stellt sich die Frage, wie an den
stärker auf die Berufspraxis ausgerichteten Fachhochschulen pragmatische
Fähigkeiten in den Unterricht integriert werden können und inwiefern besondere
Kursformate hierbei wünschenswert oder sogar nötig sind. Daher gilt es, die
philosophischen - und damit theoretischen - Wurzeln der Pragmatik im Zeitalter
von Hightech und Globalisierung
interkulturell auf die Bedürfnisse eines neuen Adressatenkreises auszurichten.
Dies bedeutet konkret, dass ein noch stärkerer Praxisbezug hergestellt werden
muss und abstrakte Theorie und philosophische Erwägungen anders vermittelt
werden müssen. Ausgehend von besonders verständlichen und anschaulichen
Beispielen sollte zunächst die Theorie abgeleitet werden - und nicht umgekehrt.
Diese Beispiele müssen darüber hinaus relevant und in der Berufswelt sowie bei
einem in das Studium integrierten Auslandsaufenthalt anwendbar sein[1].
Dass dies nötig ist, zeigt sich nicht nur darin, dass es sich in der
Unterrichtspraxis gezeigt hat, dass die pragmatischen Phänomene nur so von den
Studierenden wirklich gut verstanden werden. Andernfalls kann dies zu massiven
Protesten von Seiten der Studierenden führen, die jedes Beispiel auf seine
Anwendbarkeit im Berufsleben abzuklopfen pflegen. Schon klassische Beispiele
aus der kontrastiven Semantik, wie z.B. die unterschiedliche Aufteilung von
Wortfeldern oder von Kollokationen (Hausmann 1984) erscheinen vielen als zu
theoretisch und das klassische Beispiel slug
/ snail wurde von FH-Studierenden nicht als relevant für ihre
Lebenswirklichkeit akzeptiert. Bessere Akzeptanz fanden die Wörter aim, goal, objective. Zur Not wird die klassische Kollokation Schuhe einlaufen / break in one’s shoes akzeptiert, da gutes Schuhwerk in vielen
Branchen bei Führungspositionen wichtig ist. Ansonsten jedoch bedarf es der Herausarbeitung
geeigneter Beispiele für den Business-Alltag in allen Bereichen der
Sprachvermittlung und so auch in der interkulturellen Pragmatik.
Auch eignen sich zur Heranführung der Studierenden an Themenbereiche
der interkulturellen Pragmatik Hinweise auf deren
Relevanz für internationale Großfirmen und Beispiele wie das eines globalen
Technologiekonzerns, dessen Manager in Nordamerika bei Verhandlungen trotz sehr
guter Englischkenntnisse regelmäßig scheitern. Dadurch, dass sie nur in den
klassischen vier Fertigkeiten der Sprachvermittlung (Hören, Sprechen,
Schreiben, Lesen) geschult wurden, verstehen sie einen Satz aus dem
Alltagsleben in Kanada wie „Her boyfriend, he’s got a really nice personality“
meist nicht richtig. Sie würden diese Bemerkung wahrscheinlich als Kompliment
auffassen. Gemeint ist jedoch, dass der Freund zwar ein netter Mensch, jedoch
physisch extrem unattraktiv ist.
Da sich derartige Beispiele nur über das Weltwissen, das kulturelle
Wissen und den Kontext erschließen lassen, stellt sich die Frage, wie sich Kontext überhaupt definieren lässt.
Wurde der Kontext - dessen Relevanz grundsätzlich auch vom Britischen Kontextualismus
betont wurde - bislang als Sammelbegriff für all das verstanden, was die
sprachliche Äußerung umgibt, so stellt sich in der Linguistik zunehmend die
Frage, was hierbei genau für das Verständnis einer Äußerung relevant ist und
welche Faktoren den Kontext ausmachen (Kopytko 2003).
Dies bedarf künftig weiterer Untersuchungen sowohl innerhalb der Pragmatik-Forschung
als auch innerhalb der pragmatisch ausgerichteten interkulturellen Didaktik, da
hier entscheidend ist, welche Aspekte des Kontextes in welcher Situation
besonderer Aufmerksamkeit bedürfen und damit gelehrt werden sollten. Die
Konzipierung eines Modells, das diese für die jeweilige Situation - wie z.B.
die bei Implikaturen für das Verständnis entscheidenden Faktoren des Kontexts - mit berücksichtigt, scheint für die
Lehrpraxis besonders erstrebenswert.
Dabei können alle Faktoren, die die pragmalinguistischen und
soziopragmatischen Phänomene im Sinne von Leech (1983) umfassen - also neben
allgemeinem Weltwissen und sozialen Faktoren u.a. auch die Prosodie und
Intonation -, als besonders relevant bezeichnet werden. Dies zeigt unter
anderem der Fall der indischen Serviererinnen, die nicht verstanden, warum die
britischen Gäste ihres Restaurants ihre Frage nach mehr Bratensauce (gravy) als unhöflich empfanden, da
Briten am Wortende eine steigende Intonation realisieren, wenn sie eine
freundliche Anfrage tätigen, für Inder in dieser Situation hingegen ein
fallendes Intonationsmuster typisch ist (Cutting 2002: 128). Hinzu kommen viele
weitere Aspekte, darunter Sprechgeschwindigkeit, Mimik und Gestik. Eine
vollständige Liste divergierender Stilmerkmale unterschiedlicher Sprecher in
einer Konversation ist bei Tannen (1984: 181f) zu finden.
In neueren Untersuchungen spielen zunehmend auch die Bildinformation
und die Farbsprache eine Rolle. Dies wird in der Literatur auch als pictorial turn (Mitchell 1994) und iconic turn (Böhm 1995) bezeichnet und
fließt in die sogenannte multimodale Diskursanalyse ein. Neben der
Sozialsemiotik und Farbsemantik gehört - da wir uns auf der Rückkehr in ein
polychromes Zeitalter befinden - auch die Bildgrammatik (van Leeuwen 2006,
2011). Waren mittelalterliche Codices noch bunt illuminiert, so wurden Texte
mit der Erfindung des Buchdrucks generell nur noch schwarzweiß gedruckt, und Farbigkeit blieb jahrhundertelang eher
pejorativ konnotiert (van Leeuwen 2011: 20). Moderne Drucktechniken und
Computer haben in den letzten Jahrzehnten
zunehmend den Weg zurück in eine neue, grenzenlose Farbigkeit geebnet. Dies ist
in jeder Hinsicht sowohl für die Linguistik als auch für die Sprachlehre in
Bezug auf interkulturelle Aspekte wichtig, da Farben immer kulturelle
Botschaften vermitteln, und zwar nicht nur in Bezug auf Dresscodes, sondern
auch in Bezug darauf, welche Farbwahl für Emails, Präsentationen oder auch
Unterschriften in Frage kommt. Ähnliches gilt für den Gebrauch der
Schriftarten.
Das Bestreben, mithilfe von ausgewählten Fallstudien bzw. critical incidents eine möglichst
umfangreiche Liste von pragmatischen Faktoren und deren Bedeutung für die
interkulturelle Kommunikation zu erstellen, wäre im Rahmen der Hochschullehre
begrüßenswert. In der Lehre ließen sich derartige Erkenntnisse sinnvoll mit
weitergehender Forschung verknüpfen: Zu den Ressourcen, die sowohl für die
pragmatische Forschung, als auch im Unterricht eingesetzt werden können, zählen
die modernen Medien: das Internet, Video und ebenso Korpora (auch web-as-corpus) sowie die Möglichkeiten
des automatischen Taggings von Korpora und Videos.
Daneben sollte auch die Einsicht vermittelt werden, dass kulturelle
Unterschiede eine potentielle Quelle von Missverständnissen darstellen.
Insbesondere geht es um die Einsicht, dass interkulturelle Interaktion und
Pragmatik wesentlich von der Qualität der Beziehung zum Partner aus dem jeweils
anderen Kulturkreis abhängen. Diese Position wurde jüngst von der Rapport Management-Theorie vertreten:
Sie „is concerned with the way participants in social interaction manage face
as well as with social relationships through language“ (Spencer-Oatey 2000,
2008: 32). Spencer-Oatey unterscheidet vier Möglichkeiten im Umgang mit anderen
- als das Bestreben, eine Beziehung entweder festigen, erhalten,
vernachlässigen oder auf die Probe stellen zu wollen:
1. Rapport enhancement orientation: a desire to strengthen or enhance
harmonious relations between interlocutors
2. Rapport maintenance orientation: a desire to maintain or protect
harmonious relations between the interlocutors
3. Rapport
neglect orientation: a lack of concern or interest in the quality of relations
between the interlocutors (perhaps because of a focus on self)
4. Rapport challenge
orientation: a desire to challenge or impair harmonious relations between the
interlocutors.
Diese sozialen Zielvorstellungen korrelieren mit entsprechenden
sprachlichen Äußerungen, die unterschiedliche Wirkung haben und in
verschiedenen Kulturen immer anders gehandhabt werden. Dabei spielen, neben dem
Kommunikationsstil (communication style)
per se auch die kognitiven Mechanismen schema, frame und script eine zentrale Rolle, was häufig
mit critical incidents korreliert,
wie beispielsweise das oben genannte, von der Situation in Deutschland
divergierende script eines Begrüßungsrituals
in Ungarn. All dies ist Gegenstand aktueller Forschung und für die
Hochschulpraxis bedeutsam.
Ein weiterer wichtiger Aspekt für Hochschulen sind auch die Textsortenkonventionen,
besonders im Hinblick auf wissenschaftliche Arbeiten. Solche Konventionen
fanden bislang in der Textsortenlinguistik und Übersetzungswissenschaft
besondere Beachtung, sind jedoch auch für die allgemeine Sprachausbildung von
Bedeutung. Ein Beispiel sind Lebensläufe, die im englischsprachigen
Ausland ganz anders zu gestalten sind als in Deutschland oder Österreich. Einen
weiteren Bereich stellen wissenschaftliche Arbeiten dar: Ein deutscher oder
österreichischer Student, der an seiner Heimat-Hochschule für eine Arbeit eine
hervorragende Note bekommt, kann im Ausland unter Umständen eine Enttäuschung
erleben, weil andere Kriterien in die Bewertung einfließen. Im
englischsprachigen Ausland scheitern deutsche Studierende beispielsweise
regelmäßig daran, dass sie die Informationen zu vollständig in ihre Arbeit
einbauen anstatt selektiv zu verfahren und den roten Faden in den Vordergrund
zu stellen.
Derartige Unterschiede im wissenschaftlichen Schreibstil finden in der
aktuellen Lehrpraxis an Hochschulen gegenwärtig noch nicht die Aufmerksamkeit,
die sie verdienen. Jedoch stellt sich hierbei die Frage, wie überhaupt das
Thema interkulturelle Pragmatik am besten in der (Fach-)Hochschulpraxis
umzusetzen ist.
3 Umsetzung in der Fachhochschulpraxis
Bei der Umsetzung pragmalinguistischer und interkultureller
Erkenntnisse in Lehrveranstaltungen sind grundsätzlich zwei Wege gangbar:
· Deren Integration in grundlegende
Sprachlehrveranstaltungen der Hochschule, wie beispielsweise in den Business Englisch-Unterricht;
· Das Angebot spezifischer
Lehrveranstaltungen, die sich speziell des Themas interkulturelle Pragmatik
annehmen oder zumindest einen Schwerpunkt hierauf setzen, wie z.B. English for International Negotiations.
Grundsätzlich ist die erste Möglichkeit jederzeit erstrebenswert und es
erscheint sinnvoll, Prinzipien der (interkulturellen) Pragmatik im Unterricht
möglichst früh in Ansätzen zu thematisieren. Hierzu gibt es in jüngster Zeit
für Business Englisch auch neue
Lehrbücher, wie z.B. Professional English:
Working in Russia and Eastern Europe (Williams
& Amor 2010). Darin befinden sich auch Vorschläge zur Arbeit mit critical incidents, die aber oft zu weit
weg von der aktuellen Lebensrealität der Studierenden sind und daher nicht
vollständig die intendierte Lernwirkung erzielen können. So wird versucht, am
Beispiel der Kooperation mit einer russischen Firma im Zusammenhang mit einem critical incident unterschiedliche
Einstellungen zu Geschlechterrollen und Geschlechterverhalten zwischen Deutschland und
Osteuropa im Berufsalltag zu thematisieren (Williams & Amor 2010: 37).
Die russische Firma hielt es für eine gute Idee, mit einigen Mitarbeiterinnen
ihrer Versicherungsfirma einen Erotikkalender als Geschenk für die deutschen
Partner zu gestalten, was insbesondere bei den Kolleginnen in der deutschen
Firma zu starken Irritationen führte. Das an und für sich wichtige Thema
divergierender Ansichten im Hinblick auf typisches Geschlechterverhalten blieb
den deutschen und österreichischen Studierenden ohne Berufserfahrung in Ländern
dieser Region fremd, woran sich aber auch nach Abschluss der Fallstudie nur
wenig änderte, wie ein Test an der FH Kufstein Tirol in einer Lehrveranstaltung
Business Englisch im dritten Semester
des Studiengangs Unternehmensführung ergab. Ohne eigene Erfahrung, wie sich
derartige Unterschiede im Geschlechterverhalten im Berufsleben in Osteuropa
praktisch manifestieren, konnten die Studierenden mehrheitlich nur bedingt Zugang
zu der Thematik finden.
Es muss im obigen Beispiel mit der russischen Firma abgewogen werden,
auf welche Weise die deutsche Seite ihren Unmut kommuniziert und wer in der
Firma geeignet ist, diese Aufgabe zu übernehmen und einen Gesichtsverlust für
beide Seiten zu verhindern.
Insgesamt scheinen Werke wie das erwähnte Professional English: Working in Russia and Eastern Europe für
einen Einstieg in das Thema interkulturelle Kommunikation und Pragmatik
geeignet. Jedoch ist es bisweilen schwierig, sie in den Unterricht zu
integrieren, wenn ein anderes Business
Englisch-Lehrwerk verwendet wird. In den Unterricht leichter integrierbar
sind Übungen zu Höflichkeitsprinzipien und Stilistik, z.B. die Erstellung und
Korrektur von Lebensläufen, kurzen wissenschaftlichen Texten und E-Mails auf
unterschiedlichen Registerebenen. Trotzdem bleibt insgesamt im regulären Business Englisch-Unterricht nur ein
allzu begrenzter Raum für die Vermittlung der Prinzipien der interkulturellen
Pragmatik.
Mehr Spielraum bieten separate Kurse, z.B. Sociolinguistics and Pragmatics for Non-Linguists, oder English for International Negotiations
- basierend auf soziokulturellen und pragmatischen Prinzipien - sowie Academic Writing. Im Rahmen solcher Veranstaltungen
können linguistische und pragmatische Prinzipien umfassender behandelt, und es
kann verstärkt auf authentisches Textmaterial zurückgegriffen werden. Neben
Korpusarbeit und Internetressourcen können Rollenspiele durchgeführt und
Videoaufnahmen erstellt und analysiert werden.
Es wäre sicherlich wünschenswert, die Studierenden in ein
Forschungsprojekt zur Erstellung eines Katalogs an kulturellen und
pragmatischen Konzepten einzubeziehen, der ihnen als kulturelles Basiswissen
für ihre künftige internationale Interaktion dienen könnte. Dies wäre besonders
in Anbetracht des für alle Studierenden der FH Kufstein Tirol obligatorischen
Auslandsaufenthalts interessant. Dieser Ansatz würde ein problembasiertes,
handlungsorientiertes Lernen ermöglichen und durch die besondere Gestaltung des
Auslandssemesters den interkulturellen Lernerfolg noch erhöhen.
4 Fazit
Interkulturelle Fähigkeiten und interkulturelle Pragmatik haben in den
vergangenen Jahren angesichts der fortschreitenden Globalisierung und der
zunehmenden Funktion des Englischen als lingua
franca wesentlich an Bedeutung im (Business-)
Englischunterricht an Hochschulen gewonnen. Weitere Aufmerksamkeit für die
künftige Forschung verdienen Aspekte wie rechnergestützte Simulation, Datensammlung
im Internet und automatisches Taggen von Texten und Videos zum Einsatz im
Unterricht. Daneben erscheint die aktive Einbeziehung von Studierenden in ein
Forschungsprojekt zur Sammlung von exemplarischen critical incidents sinnvoll, die als Grundlage für eine Grammatik
der interkulturellen Interaktion dienen könnte. Dabei bleiben jedoch auch
bislang ungeklärte Fragen offen, wie beispielsweise, was geschieht, wenn beide
Parteien sich aufgrund von antizipierender Anpassung an die fremden Erwartungen
anders verhalten, als sie es zu Hause tun würden, weil sie meinen, dass dieses
Verhalten in der jeweils anderen Kultur angemessen sei. Auch die sinnvolle
Einbeziehung von Farbe, Typographie und Bildinformationen in die
Sprachvermittlung bedarf künftig weiterer Beachtung.
Bibliographie
Boehm,
Gottfried (1994). Die Wiederkehr der Bilder. In: Boehm, Gottfried (Hrsg.) (1994).
Was ist ein Bild? München: Fink, 11-38.
Crystal, David (2003). English as
a global language. 2. Ed.. Cambridge : Cambridge University Press.
Cutting, Joan (2002). Pragmatics
& Discourse – A practice book for students. London : Routledge.
Davies, Christopher (2007). Divided by a common language – A Guide to
British and American English. Boston :
Houghton Mifflin.
Esbensen, Julie (2008). The use of fuck
as a rapport management strategy. In: Griffith Working Papers in Pragmatics
and Intercultural Communication 2. 2, 104-119.
Hausmann, Franz Josef (1984). Wortschatzlernen ist
Kollokationslernen. Zum Lehren und Lernen französischer Wortverbindungen. In: Praxis des neusprachlichen Unterrichts 31, 395-406.
Kopytko, Roman (2003). What is wrong with modern accounts of context in
linguistics? In: View(z )- VIenna English
Working Papers 12 / 1, 45-60.
Leech, Geoffrey (1983). Principles
of Pragmatics. New York: Longman.
Levinson, Stephen (1983). Pragmatics.
Cambridge: Cambridge University Press.
Mitchell, William / John Thomas (1994). Picture Theory - Essays on Verbal and Visual Representation.
Chicago: University of Chicago Press.
Seidlhofer, Barbara (Hrsg.) (2010). From
International to Local English – and back again. Frankfurt /
Main: Peter Lang.
Shaw, George Bernard (2008). Pygmalion.
Nachdruck von 1913. (www.forgottenbooks.com.
10.08.2012).
Spencer-Oatey, Helen (Hrsg.) (2008). Intercultural
Pragmatics. London: Continuum.
Tannen, Deborah (1984). Conversational
Style – analyzing Talk among friends. Norwood, N.J.: Ablex.
Van Leeuwen, Theo (2011). The language of colour – An Introduction. London: Routledge.
Van Leeuwen, Theo (2006). Reading images – The grammar of visual design. 2. Ed.. London: Routledge.
Van Leeuwen, Theo (2011). The language of colour – An Introduction. London: Routledge.
Van Leeuwen, Theo (2006). Reading images – The grammar of visual design. 2. Ed.. London: Routledge.
Williams, Isobel / Amor, Stuart (2010). Professional English: Working in Russia and Eastern Europe. Berlin:
Cornelsen.
[1] An der FH Kufstein ist für
alle Studierenden ein mindestens einsemestriger Auslandsaufenthalt
verpflichtend.