Wissenschaftlicher Sammelband, herausgegeben von Thomas Tinnefeld unter Mitarbeit von Ines-A. Busch-Lauer, Hans Giessen, Michael Langner, Adelheid Schumann. Saarbrücken: htw saar 2012. ISBN 978-3-942949-00-2.


Interkulturelle Pragmatik
im Fremdsprachenunterricht an Hochschulen

Claudia Wunderlich (Kufstein, Österreich / München)


Abstract (English)
Since language and culture are inseparably linked, culture, as the fifth pillar of language learning in addition to reading, writing, listening and speaking, has increasingly found its way into modern language teaching at universities and universities of applied sciences. While pragmalinguistic phenomena have always been part of lessons of such – from a European perspective – “exotic” languages as Japanese or Chinese, these are now becoming increasingly important in English as well. Particularly English as an international language, as a lingua franca, which is rapidly changing just like the modern world, makes special demands on the learners. Not only do they need to possess cultural knowledge specific to the English-speaking world, but altogether they have to be capable of interacting with interlocutors originating from all different countries around the globe, who still apply the pragmatic strategies of their culture of origin. Pragmatic failure is a challenge that often enough impedes the success of (business) relationships. This makes intercultural pragmatics a necessary part of foreign language classes.
Key words: Intercultural pragmatics, English as a lingua franca, pragmatic failure, language teaching


Abstract (Deutsch)
Da Sprache und Kultur untrennbar miteinander verknüpft sind, hält Kultur als fünfte Säule neben den Fertigkeiten Lesen, Schreiben, Hören und Sprechen immer mehr Einzug in den modernen Fremdsprachenunterricht an Hochschulen. Waren pragmalinguistische Erscheinungen gerade bei aus europäischer Sicht ‚exotischen’ Sprachen wie Japanisch oder Chinesisch von jeher Teil des Unterrichts, so wird dies im Falle des Englischen nun auch immer wichtiger. Gerade Englisch als internationale Sprache, als lingua franca, die sich, genau wie die moderne Welt, rasch verändert, stellt in diesem Kontext besondere Anforderungen an die Lernenden. Sie müssen nicht nur über kulturspezifische Kenntnisse der englischsprachigen Welt verfügen, sondern grundsätzlich auch in der Lage sein, mit Sprechern zu interagieren, die aus den verschiedensten Ländern der Erde stammen und die pragmatischen Strategien ihrer Ausgangskultur verwenden. Pragmatic failure ist ein Problem, das nicht selten das Gelingen von (Geschäfts-) Beziehungen verhindert. Dies macht die interkulturelle Pragmatik zu einem notwendigen Unterrichtsgegenstand im Fremdsprachenunterricht.
Stichwörter: Interkulturelle Pragmatik, Englisch als lingua franca, pragmatic failure Fremdsprachenunterricht





1  Die besondere Situation des Englischen

Kultur und Sprache sind bekanntlich untrennbar miteinander verknüpft, jedoch unterscheidet sich die Entwicklung der englischen Sprache in den letzten Jahrzehnten aufgrund der zunehmenden Internationalisierung und Globalisierung grundsätzlich von der anderer Sprachen: Sie spielt - gerade auch im Wirtschaftsleben (Seidlhofer 2010) - in immer größerem Umfang die Rolle der internationalen lingua franca. Dies manifestiert sich unter anderem in der in den letzten beiden Jahrzehnten erheblich angestiegenen Nachfrage bei Nicht-Philologiestudierenden nach einer curricularen Verankerung von Englischkursen an Universitäten und (Fach-) Hochschulen.

Von den derzeit geschätzten 1,5 Milliarden Sprechern des Englischen wird angenommen, dass auf einen Muttersprachler drei Nicht-Muttersprachler kommen und somit die überwiegende Mehrheit der Sprecher das Englische als Zweit- oder Fremdsprache nutzt (Crystal 2003: 6, 69). Dabei bleiben jedoch zumeist die kulturellen Erwartungen und Normen der Ursprungskultur erhalten, da die Sprecher in der Regel nicht im Anglo-Amerikanischen Raum sozialisiert wurden. Hierdurch können in der in Englisch ablaufenden Kommunikation in allen Lebenslagen schwerwiegende Probleme und Missverständnisse auftreten, die durch divergierende pragmatische Strategien und Normen bedingt sind.

Dies beginnt bereits bei den Begrüßungsritualen - und beispielsweise wenige Kilometer östlich der österreich-ungarischen Grenze. Selbst wenn in Ungarn Englisch oder Deutsch gesprochen wird, ist es dort auch heute noch weit verbreitet, dass ein Mann grundsätzlich abwartet, bis ihm die Frau - auch wenn sie wesentlich jünger ist und er sie als Leiter in seiner Einrichtung willkommen heißt - die Hand reicht. Andernfalls unterbleibt jegliches Händeschütteln, was vor allem bei wiederholten Terminen zu Unbehagen auf beiden Seiten führen kann, wenn die ausländische Frau die ungarischen Regeln nicht kennt. Als weiteres Beispiel von exemplarischem Charakter sei die Sitte in den romanischen Ländern genannt, es als Zeichen von besonderem Interesse und Anteilnahme zu werten, einen Redner beim Sprechen einfach zu unterbrechen - eine Sitte, die in vielen anderen Kulturen undenkbar ist und als grob unhöflich eingeschätzt wird.

Bereits durch derartige, scheinbare Kleinigkeiten sind Missverständnisse und potentielle Konflikte vorprogrammiert, doch erst in jüngster Zeit finden solche Phänomene langsam systematischeren Eingang in den hochschulischen Fremdsprachenunterricht. Dabei ist die interkulturelle Pragmatik für die Ermöglichung einer harmonischen Zusammenarbeit höchst relevant für das Wirtschaftsleben, für internationale Verhandlungen, aber auch für die innerbetriebliche Kommunikation in Konzernen mit Englisch als corporate language. Dieser Bereich bedarf deshalb dringend einer stärkeren Verankerung im Fremdsprachenunterricht von (Fach-)Hochschulen. Fachhochschulen bzw. Hochschulen für Angewandte Wissenschaften sind von Haus aus praxisorientiert, und daher benötigt man im Unterricht auf die praktische Kommunikation ausgerichtete, adressatenspezifische didaktische Vermittlungsstrategien. Dazu zählt auch, dass zunächst einmal ein Bewusstsein für die bereits unter Muttersprachlern vorherrschende, sprachliche Heterogenität des plurizentrischen Englisch geschaffen werden muss.

Bekanntlich sagte bereits George Bernhard Shaw über das Englische, dass England und Amerika „two nations divided by a common language” (Davies 2007: viii) seien und „It is impossible for an Englishman to open his mouth without making some other Englishman hate or despise him" (Shaw 2008: 7). Beide Aussagen bringen die Situation des Englischen auf den Punkt: Schon unter englischen Muttersprachlern sorgt der Reichtum an diatopisch und diastratisch bedingten Varietäten der Sprache dafür, dass leicht sprachlich bedingte Missverständnisse und Antipathien entstehen können. Hierbei stellt die heutige, noch stärkere Internationalität des Englischen eine weitere Herausforderung dar, da immer öfter Sprecher mit noch unterschiedlicheren kulturellen Hintergründen aufeinandertreffen.

Angehende Geschäftsleute müssen in der Lage sein, mit Sprechern jeder erdenklichen native oder non-native Varietät und Stilebene des Englischen umgehen zu können. Die Möglichkeit, sich im Beruf zunächst durch trial and error-Verfahren auszuprobieren, birgt erhebliche Risiken: Wenn Verhandlungen misslingen oder scheitern, sind im Zweifelsfalle beachtliche Einbußen die Folge. Bei der Sprachvermittlung ist deshalb unbedingt darauf zu achten, dass keine kulturromantische Idylle vermittelt wird, sondern ein realistisches Bild der Chancen und Fallstricke der interkulturellen Zusammenarbeit, und dass begründete Unterschiede im Geschäftsleben zum eigenen Vorteil ausgenutzt werden können. Beispielsweise kann der Verhandlungspartner durch ein eigenes Vortäuschen von Nichtverstehen dazu animiert werden, mehr Informationen als geplant - zum eigenen Nachteil - preiszugeben. Schließlich ist Wirtschaft als Krieg ohne Waffen zu verstehen und die richtige Balance zwischen Paranoia und Naivität in geschäftlichen Beziehungen für erfolgreiches Agieren entscheidend.

Daher stellt es aufgrund des hohen Konkurrenzdruckes in der globalisierten Welt eine immense Aufgabe für die Wirtschaft dar, sprachlich und pragmatisch ausgebildetes Personal zu rekrutieren. Entsprechend steigt der Erwartungsdruck an (Fach)Hochschulen, eine derartige Ausbildung anzubieten.


2   Vorüberlegungen zu einer Interkulturellen Pragmatik an
     Hochschulen

Als Folge dieser gestiegenen Anforderungen an die Fremdsprachenausbildung von Hochschulen stellt sich die Frage, wie an den stärker auf die Berufspraxis ausgerichteten Fachhochschulen pragmatische Fähigkeiten in den Unterricht integriert werden können und inwiefern besondere Kursformate hierbei wünschenswert oder sogar nötig sind. Daher gilt es, die philosophischen - und damit theoretischen - Wurzeln der Pragmatik im Zeitalter von Hightech und Globalisierung interkulturell auf die Bedürfnisse eines neuen Adressatenkreises auszurichten. Dies bedeutet konkret, dass ein noch stärkerer Praxisbezug hergestellt werden muss und abstrakte Theorie und philosophische Erwägungen anders vermittelt werden müssen. Ausgehend von besonders verständlichen und anschaulichen Beispielen sollte zunächst die Theorie abgeleitet werden - und nicht umgekehrt. Diese Beispiele müssen darüber hinaus relevant und in der Berufswelt sowie bei einem in das Studium integrierten Auslandsaufenthalt anwendbar sein[1].

Dass dies nötig ist, zeigt sich nicht nur darin, dass es sich in der Unterrichtspraxis gezeigt hat, dass die pragmatischen Phänomene nur so von den Studierenden wirklich gut verstanden werden. Andernfalls kann dies zu massiven Protesten von Seiten der Studierenden führen, die jedes Beispiel auf seine Anwendbarkeit im Berufsleben abzuklopfen pflegen. Schon klassische Beispiele aus der kontrastiven Semantik, wie z.B. die unterschiedliche Aufteilung von Wortfeldern oder von Kollokationen (Hausmann 1984) erscheinen vielen als zu theoretisch und das klassische Beispiel slug / snail wurde von FH-Studierenden nicht als relevant für ihre Lebenswirklichkeit akzeptiert. Bessere Akzeptanz fanden die Wörter aim, goal, objective. Zur Not wird die klassische Kollokation Schuhe einlaufen / break in one’s shoes akzeptiert, da gutes Schuhwerk in vielen Branchen bei Führungspositionen wichtig ist. Ansonsten jedoch bedarf es der Herausarbeitung geeigneter Beispiele für den Business-Alltag in allen Bereichen der Sprachvermittlung und so auch in der interkulturellen Pragmatik.

Auch eignen sich zur Heranführung der Studierenden an Themenbereiche der interkulturellen Pragmatik Hinweise auf deren Relevanz für internationale Großfirmen und Beispiele wie das eines globalen Technologiekonzerns, dessen Manager in Nordamerika bei Verhandlungen trotz sehr guter Englischkenntnisse regelmäßig scheitern. Dadurch, dass sie nur in den klassischen vier Fertigkeiten der Sprachvermittlung (Hören, Sprechen, Schreiben, Lesen) geschult wurden, verstehen sie einen Satz aus dem Alltagsleben in Kanada wie „Her boyfriend, he’s got a really nice personality“ meist nicht richtig. Sie würden diese Bemerkung wahrscheinlich als Kompliment auffassen. Gemeint ist jedoch, dass der Freund zwar ein netter Mensch, jedoch physisch extrem unattraktiv ist.

Da sich derartige Beispiele nur über das Weltwissen, das kulturelle Wissen und den Kontext erschließen lassen, stellt sich die Frage, wie sich Kontext überhaupt definieren lässt. Wurde der Kontext - dessen Relevanz grundsätzlich auch vom Britischen Kontextualismus betont wurde - bislang als Sammelbegriff für all das verstanden, was die sprachliche Äußerung umgibt, so stellt sich in der Linguistik zunehmend die Frage, was hierbei genau für das Verständnis einer Äußerung relevant ist und welche Faktoren den Kontext ausmachen (Kopytko 2003).

Dies bedarf künftig weiterer Untersuchungen sowohl innerhalb der Pragmatik-Forschung als auch innerhalb der pragmatisch ausgerichteten interkulturellen Didaktik, da hier entscheidend ist, welche Aspekte des Kontextes in welcher Situation besonderer Aufmerksamkeit bedürfen und damit gelehrt werden sollten. Die Konzipierung eines Modells, das diese für die jeweilige Situation - wie z.B. die bei Implikaturen für das Verständnis entscheidenden Faktoren des Kontexts - mit berücksichtigt, scheint für die Lehrpraxis besonders erstrebenswert.

Dabei können alle Faktoren, die die pragmalinguistischen und soziopragmatischen Phänomene im Sinne von Leech (1983) umfassen - also neben allgemeinem Weltwissen und sozialen Faktoren u.a. auch die Prosodie und Intonation -, als besonders relevant bezeichnet werden. Dies zeigt unter anderem der Fall der indischen Serviererinnen, die nicht verstanden, warum die britischen Gäste ihres Restaurants ihre Frage nach mehr Bratensauce (gravy) als unhöflich empfanden, da Briten am Wortende eine steigende Intonation realisieren, wenn sie eine freundliche Anfrage tätigen, für Inder in dieser Situation hingegen ein fallendes Intonationsmuster typisch ist (Cutting 2002: 128). Hinzu kommen viele weitere Aspekte, darunter Sprechgeschwindigkeit, Mimik und Gestik. Eine vollständige Liste divergierender Stilmerkmale unterschiedlicher Sprecher in einer Konversation ist bei Tannen (1984: 181f) zu finden.

In neueren Untersuchungen spielen zunehmend auch die Bildinformation und die Farbsprache eine Rolle. Dies wird in der Literatur auch als pictorial turn (Mitchell 1994) und iconic turn (Böhm 1995) bezeichnet und fließt in die sogenannte multimodale Diskursanalyse ein. Neben der Sozialsemiotik und Farbsemantik gehört - da wir uns auf der Rückkehr in ein polychromes Zeitalter befinden - auch die Bildgrammatik (van Leeuwen 2006, 2011). Waren mittelalterliche Codices noch bunt illuminiert, so wurden Texte mit der Erfindung des Buchdrucks generell nur noch schwarzweiß gedruckt, und Farbigkeit blieb jahrhundertelang eher pejorativ konnotiert (van Leeuwen 2011: 20). Moderne Drucktechniken und Computer haben in den letzten Jahrzehnten zunehmend den Weg zurück in eine neue, grenzenlose Farbigkeit geebnet. Dies ist in jeder Hinsicht sowohl für die Linguistik als auch für die Sprachlehre in Bezug auf interkulturelle Aspekte wichtig, da Farben immer kulturelle Botschaften vermitteln, und zwar nicht nur in Bezug auf Dresscodes, sondern auch in Bezug darauf, welche Farbwahl für Emails, Präsentationen oder auch Unterschriften in Frage kommt. Ähnliches gilt für den Gebrauch der Schriftarten.

Das Bestreben, mithilfe von ausgewählten Fallstudien bzw. critical incidents eine möglichst umfangreiche Liste von pragmatischen Faktoren und deren Bedeutung für die interkulturelle Kommunikation zu erstellen, wäre im Rahmen der Hochschullehre begrüßenswert. In der Lehre ließen sich derartige Erkenntnisse sinnvoll mit weitergehender Forschung verknüpfen: Zu den Ressourcen, die sowohl für die pragmatische Forschung, als auch im Unterricht eingesetzt werden können, zählen die modernen Medien: das Internet, Video und ebenso Korpora (auch web-as-corpus) sowie die Möglichkeiten des automatischen Taggings von Korpora und Videos.

Daneben sollte auch die Einsicht vermittelt werden, dass kulturelle Unterschiede eine potentielle Quelle von Missverständnissen darstellen. Insbesondere geht es um die Einsicht, dass interkulturelle Interaktion und Pragmatik wesentlich von der Qualität der Beziehung zum Partner aus dem jeweils anderen Kulturkreis abhängen. Diese Position wurde jüngst von der Rapport Management-Theorie vertreten: Sie „is concerned with the way participants in social interaction manage face as well as with social relationships through language“ (Spencer-Oatey 2000, 2008: 32). Spencer-Oatey unterscheidet vier Möglichkeiten im Umgang mit anderen - als das Bestreben, eine Beziehung entweder festigen, erhalten, vernachlässigen oder auf die Probe stellen zu wollen:

1.  Rapport enhancement orientation: a desire to strengthen or enhance harmonious relations between interlocutors
2.   Rapport maintenance orientation: a desire to maintain or protect harmonious relations between the interlocutors
3.  Rapport neglect orientation: a lack of concern or interest in the quality of relations between the interlocutors (perhaps because of a focus on self)
4.  Rapport challenge orientation: a desire to challenge or impair harmonious relations between the interlocutors.

Diese sozialen Zielvorstellungen korrelieren mit entsprechenden sprachlichen Äußerungen, die unterschiedliche Wirkung haben und in verschiedenen Kulturen immer anders gehandhabt werden. Dabei spielen, neben dem Kommunikationsstil (communication style) per se auch die kognitiven Mechanismen schema, frame und script eine zentrale Rolle, was häufig mit critical incidents korreliert, wie beispielsweise das oben genannte, von der Situation in Deutschland divergierende script eines Begrüßungsrituals in Ungarn. All dies ist Gegenstand aktueller Forschung und für die Hochschulpraxis bedeutsam.

Ein weiterer wichtiger Aspekt für Hochschulen sind auch die Textsortenkonventionen, besonders im Hinblick auf wissenschaftliche Arbeiten. Solche Konventionen fanden bislang in der Textsortenlinguistik und Übersetzungswissenschaft besondere Beachtung, sind jedoch auch für die allgemeine Sprachausbildung von Bedeutung. Ein Beispiel sind Lebensläufe, die im englischsprachigen Ausland ganz anders zu gestalten sind als in Deutschland oder Österreich. Einen weiteren Bereich stellen wissenschaftliche Arbeiten dar: Ein deutscher oder österreichischer Student, der an seiner Heimat-Hochschule für eine Arbeit eine hervorragende Note bekommt, kann im Ausland unter Umständen eine Enttäuschung erleben, weil andere Kriterien in die Bewertung einfließen. Im englischsprachigen Ausland scheitern deutsche Studierende beispielsweise regelmäßig daran, dass sie die Informationen zu vollständig in ihre Arbeit einbauen anstatt selektiv zu verfahren und den roten Faden in den Vordergrund zu stellen.

Derartige Unterschiede im wissenschaftlichen Schreibstil finden in der aktuellen Lehrpraxis an Hochschulen gegenwärtig noch nicht die Aufmerksamkeit, die sie verdienen. Jedoch stellt sich hierbei die Frage, wie überhaupt das Thema interkulturelle Pragmatik am besten in der (Fach-)Hochschulpraxis umzusetzen ist.



3   Umsetzung in der Fachhochschulpraxis

Bei der Umsetzung pragmalinguistischer und interkultureller Erkenntnisse in Lehrveranstaltungen sind grundsätzlich zwei Wege gangbar:
·   Deren Integration in grundlegende Sprachlehrveranstaltungen der Hochschule, wie beispielsweise in den Business Englisch-Unterricht;
·  Das Angebot spezifischer Lehrveranstaltungen, die sich speziell des Themas interkulturelle Pragmatik annehmen oder zumindest einen Schwerpunkt hierauf setzen, wie z.B. English for International Negotiations.

Grundsätzlich ist die erste Möglichkeit jederzeit erstrebenswert und es erscheint sinnvoll, Prinzipien der (interkulturellen) Pragmatik im Unterricht möglichst früh in Ansätzen zu thematisieren. Hierzu gibt es in jüngster Zeit für Business Englisch auch neue Lehrbücher, wie z.B. Professional English: Working in Russia and Eastern Europe (Williams & Amor 2010). Darin befinden sich auch Vorschläge zur Arbeit mit critical incidents, die aber oft zu weit weg von der aktuellen Lebensrealität der Studierenden sind und daher nicht vollständig die intendierte Lernwirkung erzielen können. So wird versucht, am Beispiel der Kooperation mit einer russischen Firma im Zusammenhang mit einem critical incident unterschiedliche Einstellungen zu Geschlechterrollen und Geschlechterverhalten zwischen Deutschland und Osteuropa im Berufsalltag zu thematisieren (Williams & Amor 2010: 37). Die russische Firma hielt es für eine gute Idee, mit einigen Mitarbeiterinnen ihrer Versicherungsfirma einen Erotikkalender als Geschenk für die deutschen Partner zu gestalten, was insbesondere bei den Kolleginnen in der deutschen Firma zu starken Irritationen führte. Das an und für sich wichtige Thema divergierender Ansichten im Hinblick auf typisches Geschlechterverhalten blieb den deutschen und österreichischen Studierenden ohne Berufserfahrung in Ländern dieser Region fremd, woran sich aber auch nach Abschluss der Fallstudie nur wenig änderte, wie ein Test an der FH Kufstein Tirol in einer Lehrveranstaltung Business Englisch im dritten Semester des Studiengangs Unternehmensführung ergab. Ohne eigene Erfahrung, wie sich derartige Unterschiede im Geschlechterverhalten im Berufsleben in Osteuropa praktisch manifestieren, konnten die Studierenden mehrheitlich nur bedingt Zugang zu der Thematik finden.

Es muss im obigen Beispiel mit der russischen Firma abgewogen werden, auf welche Weise die deutsche Seite ihren Unmut kommuniziert und wer in der Firma geeignet ist, diese Aufgabe zu übernehmen und einen Gesichtsverlust für beide Seiten zu verhindern.

Insgesamt scheinen Werke wie das erwähnte Professional English: Working in Russia and Eastern Europe für einen Einstieg in das Thema interkulturelle Kommunikation und Pragmatik geeignet. Jedoch ist es bisweilen schwierig, sie in den Unterricht zu integrieren, wenn ein anderes Business Englisch-Lehrwerk verwendet wird. In den Unterricht leichter integrierbar sind Übungen zu Höflichkeitsprinzipien und Stilistik, z.B. die Erstellung und Korrektur von Lebensläufen, kurzen wissenschaftlichen Texten und E-Mails auf unterschiedlichen Registerebenen. Trotzdem bleibt insgesamt im regulären Business Englisch-Unterricht nur ein allzu begrenzter Raum für die Vermittlung der Prinzipien der interkulturellen Pragmatik.

Mehr Spielraum bieten separate Kurse, z.B. Sociolinguistics and Pragmatics for Non-Linguists, oder English for International Negotiations - basierend auf soziokulturellen und pragmatischen Prinzipien - sowie Academic Writing. Im Rahmen solcher Veranstaltungen können linguistische und pragmatische Prinzipien umfassender behandelt, und es kann verstärkt auf authentisches Textmaterial zurückgegriffen werden. Neben Korpusarbeit und Internetressourcen können Rollenspiele durchgeführt und Videoaufnahmen erstellt und analysiert werden.

Es wäre sicherlich wünschenswert, die Studierenden in ein Forschungsprojekt zur Erstellung eines Katalogs an kulturellen und pragmatischen Konzepten einzubeziehen, der ihnen als kulturelles Basiswissen für ihre künftige internationale Interaktion dienen könnte. Dies wäre besonders in Anbetracht des für alle Studierenden der FH Kufstein Tirol obligatorischen Auslandsaufenthalts interessant. Dieser Ansatz würde ein problembasiertes, handlungsorientiertes Lernen ermöglichen und durch die besondere Gestaltung des Auslandssemesters den interkulturellen Lernerfolg noch erhöhen.


4   Fazit

Interkulturelle Fähigkeiten und interkulturelle Pragmatik haben in den vergangenen Jahren angesichts der fortschreitenden Globalisierung und der zunehmenden Funktion des Englischen als lingua franca wesentlich an Bedeutung im (Business-) Englischunterricht an Hochschulen gewonnen. Weitere Aufmerksamkeit für die künftige Forschung verdienen Aspekte wie rechnergestützte Simulation, Datensammlung im Internet und automatisches Taggen von Texten und Videos zum Einsatz im Unterricht. Daneben erscheint die aktive Einbeziehung von Studierenden in ein Forschungsprojekt zur Sammlung von exemplarischen critical incidents sinnvoll, die als Grundlage für eine Grammatik der interkulturellen Interaktion dienen könnte. Dabei bleiben jedoch auch bislang ungeklärte Fragen offen, wie beispielsweise, was geschieht, wenn beide Parteien sich aufgrund von antizipierender Anpassung an die fremden Erwartungen anders verhalten, als sie es zu Hause tun würden, weil sie meinen, dass dieses Verhalten in der jeweils anderen Kultur angemessen sei. Auch die sinnvolle Einbeziehung von Farbe, Typographie und Bildinformationen in die Sprachvermittlung bedarf künftig weiterer Beachtung.




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[1] An der FH Kufstein ist für alle Studierenden ein mindestens einsemestriger Auslandsaufenthalt verpflichtend.