Wissenschaftlicher Sammelband, herausgegeben von Thomas Tinnefeld unter Mitarbeit von Ines-A. Busch-Lauer, Hans Giessen, Michael Langner, Adelheid Schumann. Saarbrücken: htw saar 2012. ISBN 978-3-942949-00-2.


Wortschatz- und Hörverstehenskompetenzen von
Französischlehrern und -studierenden

Christoph Bürgel (Osnabrück) / Dirk Siepmann (Osnabrück)


Abstract (English)
This paper presents a study designed to ascertain the real linguistic competence of German teachers of French and Master students of French. The study has initially been restricted to receptive lexical competence and listening comprehension competence. The results reveal a disturbing picture, with the majority of students being far from attaining competence level C1 / C2. The teachers’ lexical competence and listening comprehension skills turned out to be deficient as well.
Key words:     Language competence, lexical competence, listening comprehension, students of French, teachers of French

Abstract (Deutsch)
Der Beitrag berichtet von einer Studie zur Ermittlung der Sprachkompetenzen von Französischstudierenden des Master of Education und gymnasialen Französischlehrern. Die Studie beschränkt sich auf die rezeptive Wortschatzkompetenz und die Hörverstehenskompetenz. Die Ergebnisse zeigen ein ernüchterndes Bild: Die Mehrheit der Master-Studierenden ist vom Kompetenzniveau C1 / C2 weit entfernt. Auch die Wortschatz- und Hörverstehenskompetenz der Lehrer ist defizitär.
Stichwörter:       Sprachkompetenz, Wortschatzkompetenz, Hörverstehenskompetenz, Französischstudierende, Französischlehrer



1   Einleitung

Im vorliegenden Beitrag wird von einer Studie zur Ermittlung der Sprachkompetenzen von Französischstudierenden des Masters of Education und gymnasialen Französischlehrern berichtet[1]. Dieser Sprachstandstest ist vor allem durch den zur Zeit defizitären Forschungsstand zu Sprachkompetenzen von Französischstudierenden und -lehrern motiviert. Das kurzfristige Ziel besteht deshalb darin, Daten zu Sprachkompetenzen – und insbesondere zur Wortschatz- und Hörverstehenskompetenz – der genannten Personengruppen zu erheben. Mittelfristig sollen weitere fremdsprachliche Kompetenzen getestet werden, um langfristig verbindliche Angaben und Ziele zu sprachlichen Mitteln und kommunikativen Fertigkeiten in universitären Lehrplänen bzw. Prüfungsordnungen zu verankern.

Bei diesem Vorhaben gehen wir von der Prämisse aus, dass die inzwischen recht vorbehaltlose Umsetzung des Gemeinsamen Europäischen Referenzrahmens für Sprachen (GER) in Bildungsstandards und Lehrplänen zu einer Überbetonung des Fertigkeitsaspekts beim Fremdsprachenlernen führt. Wie Abel (1992: 8f; 2002: 14) bemerkt, bilden Lerner jedoch Fertigkeiten nur in dem Maße aus, in dem sie über die erforderlichen sprachlichen Mittel verfügen. Auch oder gerade auf dem höchsten Sprachlernniveau ist dieser Zusammenhang besonders evident. Nehmen wir zum Beispiel einen Auszug aus einer Radiosendung, die bei uns als Hörverstehenstest fungiert hat. In dieser Sendung wird eine fiktive Person namens Gilbert Létron erwähnt. Wem nun étron als lexikalische Einheit unbekannt ist, dem wird die – zugegebenermaßen etwas grobe – humoristische Note, die sich hinter dem Namen verbirgt, völlig entgehen.

Es lässt sich daher nicht leugnen, dass wir mit einem rein strategieorientierten, individualisierten Ansatz den Lernenden die Antwort auf die auch vom GER (Europarat 2001: 6.4.7.2) aufgeworfene Frage schuldig bleiben, was und wie viel an Wortschatz zu lernen ist:

Es muss möglich sein, dem Lerner des Französischen zu sagen, wie viele Wörter [bzw. in produktiver Sicht: Kollokationen, d. Verf.) er zu lernen hat und welche, um sich als kompetenter Rezipient [bzw. Produzent, d. Verf.) der französischen Sprache fühlen zu dürfen. Denn Aussagen des Typs 'Du musst ein Leben lang lernen!' sind didaktisch unbefriedigend und kaum geeignet, ihn zum energischen und konzentrierten Lernen zu motivieren. (Hausmann 2005: 34)

Es steht außer Frage, dass die Wortschatzkompetenz oder – linguistisch etwas weiter gefasst – die lexiko-grammatische Kompetenz die Voraussetzung für den Erwerb und die Nutzung sprachlicher Fertigkeiten darstellt. Gerade die in der Forschungsliteratur zur Interkulturalität immer wieder hervorgehobenen Unterschiede im Handeln und Denken – sieht man von kulturspezifischer Gestik und Mimik ab – gehen auf "sozial berechenbare" (Feilke 1996: 262) Art und Weise mit dem Gebrauch idiomatisch geprägter Kollokationen und Kolligationen (s. dazu unten) einher. Korpusuntersuchungen zufolge liegt der idiomatisch geprägte Anteil im Sprachgebrauch bei über 80% aller Äußerungen (Altenberg 1998: 102); eine konkrete Demonstration dieses Umstands anhand eines Zeitungstextes und eines Romanauszuges findet sich in Siepmann (2004: 107f). Idiomatisch geprägte sprachliche Ausdrücke sind hörerseitig mit konventionellen sozialen Hintergründen der Interpretation verknüpft; sprecherseitig ‚erschaffen' sie gleichsam den situativen Kontext für die weitere Kommunikation (Feilke 1996: 154ff, 262f). Das Wissen, was der Kommunikationspartner meint, und die Fähigkeit, im Sinne des Kommunikationspartners angemessen darauf zu reagieren, – also die kommunikativ-kulturelle Kompetenz – ergeben sich also aus der Fähigkeit, Wortschatz-‚Figuren' konventionelle ‚Hintergründe' der Interpretation zuschreiben zu können (Feilke 1996: 155).

Von den sprachlichen Fertigkeiten wiederum gilt das Hörverstehen gemessen am zeitlichen Anteil an der Alltagskommunikation als die wichtigste Einzelfertigkeit (45% der gesamten täglichen Kommunikation; Feyten 1991: 174; Grotjahn 2005: 115; Paschke 2001: 150). Der Lerner befindet sich im Allgemeinen häufiger in Situationen, in denen er fremdsprachige Texte dekodieren muss, als in solchen, in denen er sich selbst in der Fremdsprache äußert (Abel 2002: 14). Wenn universitäre Sprachpraxislehre den Anspruch erhebt, auf Kommunikation in Realsituationen vorzubereiten, dann ist also in der Gewichtung des Sprachpraxisunterrichts dem Hörverstehen zunächst größeres Gewicht einzuräumen.

Gleichzeitig kommt in der Genese der eigenen Fremdsprachenkompetenz der Hörverstehenskompetenz die höchste Bedeutung zu: Wer fremdsprachige Texte hörend verstehen kann, bekommt Input in einer natürlichen phonologischen Segmentierung geliefert, ohne den Sprachlernen nicht möglich ist:

Without understandable input at the right level, any learning simply cannot begin. (Rost 1994: 141).

Mit einem guten Hörverständnis kann man sich die fremdsprachige Welt eigenständig erschließen; man wird zu einem autonomen Lerner. Für den Erwerb einer guten Hörverstehenskompetenz ist wiederum eine gut ausgeprägte rezeptive Wortschatzkompetenz vonnöten. Daher stehen diese beiden Kompetenzen in unserer Studie im Vordergrund.

Wie oben bereits erwähnt, wurden zwei Gruppen von Probanden untersucht:

A) 46 Französisch-Masterstudierende einer niedersächsischen Universität im Zeitraum von 2009-2011 (2009: 14, 2010: 11, 2011: 21 (davon drei Muttersprachler)) und
B) 15 Französischlehrer (davon zwei Muttersprachler) im Jahr 2009 an zwei niedersächsischen Gymnasien.

Beiden Gruppen wurden je ein Wortschatztest und ein Hörverstehenstest vorgelegt.



2   Der Test der rezeptiven Wortschatzkompetenz

2.1  Wortschatz zum Verstehen – wie viel und welcher?

Beim Lehren und Testen von Wortschatz lautet die zentrale Frage: Wie viele und welche Wortschatzeinheiten[2] muss der Lerner kennen, um einen gesprochenen oder geschriebenen Text verstehen zu können (Hausmann 2005; s. obiges Zitat)? Wenn Autoren von Grundwortschätzen suggerieren, dass man bereits mit einem relativ geringen Wortschatz von 2000-3000 Wörtern 80% eines Durchschnittstextes "verstehen" könne, so handelt es sich um eine Milchmädchenrechnung. Gemeint ist eben, dass mit einem solchen Wortschatzumfang 80% der Wörter eines durchschnittlichen Textes bekannt sind. Da damit jedoch jedes fünfte Wort unbekannt bleibt, wäre es wohl vermessen, von einem wirklichen Textverständnis zu sprechen. Das Textverständnis hängt an den Wörtern, die nicht so häufig vorkommen.

Die neuere Lese- und Wortschatzforschung zeigt (zumindest für das Englische), dass ein zufriedenstellendes Leseverständnis die Kenntnis von 98-99% der Wörter eines Textes voraussetzt (Carver 1994; Hu & Nation 2000). Auf der Grundlage dieser empirisch gewonnenen Erkenntnis kann man mit Hilfe repräsentativer Korpora der geschriebenen und gesprochenen Sprache ermitteln, wie viele Wörter bzw. Wortfamilien notwendig sind, um Texte einer bestimmten Textsorte zu verstehen. Relativ gesicherte Erkenntnisse liegen insbesondere zum Verständnis schriftlicher Texte vor. So weist Nation (2006) mit Hilfe des British National Corpus nach, dass ein 98%-iges Verständnis verschiedener schriftlicher Texte einen Wortschatz von 8000-9000 Wortfamilien[3] (d.h. ca. 28.000-34.000 Wörter) voraussetzt. Milton & Hopkins (2006) gehen von 4500-5000 Wortfamilien als Voraussetzung für das Erreichen des C2-Niveaus aus; dieser Wert dürfte jedoch bei genauerer Betrachtung der Deskriptoren als zu gering einzustufen sein.

Für das Hörverstehen lassen sich nach bisheriger Datenlage etwas geringere Wortschatzumfänge ansetzen. Auf der Grundlage einer Analyse des Wellington Corpus of Spoken English, das Radiosendungen mit Hörerbeteiligung, Interviews und Gespräche zwischen Familienmitgliedern und Freunden umfasst, kommt Nation (2006) zu dem Schluss, dass dem Lerner mindestens 6000 Wortfamilien bekannt sein müssen, um ein 98%-iges Verständnis alltäglicher Konversation zu erreichen. Aus anderen Studien geht jedoch hervor, dass ein gutes Hörverständnis offenbar bereits bei einer Kenntnis von 90-95% der Wörter eines Textes erreicht wird (Bonk 2000; Schmitt 2008), was einem Wortschatzumfang von 800-2000 Wortfamilien bzw. 1400-4000 Einzelwörtern entspricht. Weitere empirische Forschung wird nötig sein, um in dieser Frage Klarheit zu erlangen.

Fest steht allerdings, dass ein sehr umfangreicher Wortschatz notwendig ist, um eine gute rezeptive Kompetenz in einer Fremdsprache zu erreichen. Zu diesem Schluss kommt auch Hausmann (2002, 2005) in seinen chrestolexikographischen Überlegungen, die er an einigen Textbeispielen illustriert. Er weist nach, dass man mit den 3500 Wörtern des français fondamental bereits ein recht gutes Verständnis eines Le Monde-Textes erlangen kann; die Bände 1-4 des Klett-Lehrwerks Découvertes dagegen bieten einen für diesen Zweck viel zu geringen Wortschatz, der banale Wörter des Grundwortschatzes wie panier, pareil, parfait oder douleur ausklammert. Mit der Kenntnis der 22.000 Wörter des PONS-Lernwörterbuchs erreicht man ein vollständiges Textverständnis. Diesen Wortschatzumfang setzt Hausmann dementsprechend als vertretbares Ziel für das Staatsexamen an.

Hausmann (2002) geht jedoch über die angelsächsische Forschung insofern hinaus, als er zeigt, dass die (rezeptive) Kenntnis von 20.000-22.000 Wörtern das Erlernen von nur 10.000 Wörtern voraussetzt, da der restliche Wortschatz entweder interlingual oder intralingual transparent ist.


2.2  Begründung des Testformats

Aus Hausmanns Überlegungen folgt für die hier durchgeführte Überprüfung der rezeptiven Wortschatzkompetenz: Es sollte nur getestet werden, was aus der Perspektive des deutschen Lerners des Französischen weder interlingual, noch intralingual erschließbar ist; als erschließbar und damit transparent gelten Wörter wie balcon (vgl. dt. Balkon) oder inutile, inutilement, utilité, inutilité, utiliser, die allesamt auf das Adjektiv utile zurückgeführt werden können. Daher beschränkt sich unser französischer Wortschatztest für deutsche Lerner auf den um das transparente Wortgut verminderten und damit Lernschwierigkeiten bereitenden Wortschatz, den Hausmann (2005) ermittelt hat.

Als "realistisches Mindestkriterium" für den rezeptiven französischen Wortschatz, den es mit Abschluss des Lehramtsstudiums zu beherrschen gilt, veranschlagt Hausmann (2005: 32) 20.000 Wörter. Dieser Wortschatzumfang, der sich aus Erfahrungen mit angemessen selektiven Lernwörterbüchern im bayerischen Staatsexamen ergibt, eröffne dem Lerner einen potentiellen Wortschatz von ca. 30.000 Einheiten. Von den 20.000 im Staatsexamen vorausgesetzten Wörtern braucht der Lerner aufgrund interlingualer und / oder intralingualer Durchsichtigkeit jedoch nur ca. 50% – laut Lübke 1984 sogar noch weniger – bewusst zu erlernen. Die somit verbleibenden ca. 10.000 opaken Einheiten teilt Hausmann in drei Niveaus auf (die verbleibenden 1500 Einheiten sind Redewendungen des Grund- und Aufbauwortschatzes):
  1. Grundwortschatz / Schulniveau (ca. 2150 opake Wörter)
  2. Aufbauwortschatz / Zwischenprüfung (oder Bachelorabschluss) (ca. 3200 opake Wörter)
  3. Ausbauwortschatz / Studienabschluss (oder Masterabschluss) (ca. 3200 opake Wörter)
Der von uns durchgeführte Wortschatztest übernimmt diese Einteilung in drei Niveaustufen, so dass die Studierenden und Lehrer auf allen drei Niveaus mit einem Umfang von jeweils 36 Items getestet werden. Die Entwicklung des Testformats ist ausführlich in Siepmann & Holterhof (2007) dargestellt. 
Das gewählte Testverfahren besteht in der Übersetzung von in Sätzen kontextualisierten Wörtern. Gründe, die für dieses Verfahren sprechen, sind:
  1. Kontextbasierung: Die Wörter werden in authentischen Kontexten dargeboten, so dass eine Anlehnung an realistische Kommunikationssituationen erfolgt (Erschließung von Wörtern beim Lesen authentischer Texte);
  2. Realitätsnähe: Die Übersetzung ist eine realitätsnahe Aufgabe, die häufig von Fremdsprachenlernern verlangt wird;
  3. Leichte Erstellbarkeit: Im Gegensatz zu Multiple-Choice-Tests, bei denen sich u.a. die Auswahl geeigneter Distraktoren häufig als schwierig erweist, erfordert der Übersetzungstest lediglich die Ermittlung und Auswahl von authentischen Beispielen mit Hilfe eines Konkordanzprogramms;
  4. Hohe Eigenleistung der Testpersonen: Es erfolgt keine Antwortvorgabe;
  5. Leichte Überprüfbarkeit;
  6. Praktikabilität
Demzufolge ist Nation (1990: 81) beizupflichten, wenn er zu dem Schluss gelangt, dass die Übersetzung zielsprachlicher Wörter in die Muttersprache der Testperson das beste Verfahren zur Ermittlung der rezeptiven Wortschatzkompetenz darstellt, insbesondere auf dem Niveau des Grundwortschatzes, der auch in der Muttersprache leicht abrufbar ist. Im Gegensatz beispielsweise zu Multiple-Choice-Items, deren Lösung aus mehreren Optionen gewählt wird, besteht hier lediglich die Möglichkeit, die Bedeutung eines Wortes aus dem Kontext zu erschließen – jedoch keine hohe Wahrscheinlichkeit, die richtige Antwort zu erraten, wenn das Wort für die Testperson vollständig unverständlich ist. Dies bedeutet, dass die Kontexte, in die die Testwörter eingebettet sind, sorgfältig ausgewählt werden müssen; es ist eine mühselige Gratwanderung zwischen Disambiguierung und kontextueller Indizierung zu absolvieren. Das Verfahren ist im Prinzip das genaue Gegenteil der Vorgehensweise bei der Erstellung von Beispielen für Lernerwörterbücher, da allzu prototypische und erklärende Kontexte herausfallen. Die Sätze zeigen das Wort also in einer durchaus natürlichen, jedoch kollokativ nicht "verräterischen" Umgebung; die Erschließung der jeweils zutreffenden Lesart des Wortes soll möglich sein, nicht aber das Erraten der Bedeutung mit Hilfe des Kontextes ohne jegliches Vorwissen. Damit wird zum einen die Forderung erfüllt, dass die Testpersonen sich in sinnvoller Weise mit dem Kontext auseinandersetzen (Read 2000: 162f), da sie Entscheidungen über die Wortart und den allgemeinen Bezug eines Wortes treffen müssen. Im folgenden Beispiel muss potager als Substantiv identifiziert werden:

Ce potager  est le plus grand du pays. [4]

Zum anderen wird entgegen einer weitverbreiteten Vorgehensweise (vgl. zum Beispiel die 1995-Version des TOEFL-Tests) in der Testliteratur verhindert, dass niedrigfrequente Wörter, deren Kenntnis ja getestet werden soll, allein durch den Kontext erschlossen werden können, wie etwa im folgenden Beispiel:

Many of the computing patterns used today in elementary arithmetic, such as those for performing long multiplications and divisions, were developed as late as the fifteenth century. Two reasons are usually advanced for this tardy development, namely, the mental difficulties and the physical difficulties encountered in such work.
The word 'tardy' in line 3 is closest in meaning to
(A)     historical
(B)     basic
(C)     unusual
(D)     late

Ein solches Vorgehen mag dann sinnvoll sein, wenn die Fähigkeit der Lerner, Ratestrategien zum Einsatz zu bringen, getestet werden soll; im vorliegenden Fall geht es jedoch darum zu überprüfen, ob die Testpersonen ein Wort bereits kennen, bevor sie ihm im Testkontext begegnen.

Alternative Verfahren wie der Ja / Nein-Test oder Einsetztests haben gegenüber dem Übersetzungsverfahren entscheidende Nachteile. Eine einfache Ja / Nein-Markierung kann dem komplexen Phänomen des Wortwissens nicht gerecht werden, da überhaupt kein Urteil über den Grad der Kenntnis möglich ist (Wesche & Paribakht 1996: 14).

Trotz der genannten Vorteile wird in der Forschungsliteratur bisher jedoch ein Manko des gewählten Testformats übersehen. Bei der Durchführung des Tests wurde deutlich, dass auf höheren Niveaus Probleme dadurch auftreten können, dass Wortbedeutungen zwar durchaus vage bekannt sind und definitorisch umrissen werden können, aber einzelnen Probanden dennoch kein muttersprachliches Äquivalent für das jeweilige Item einfällt. Für die Weiterentwicklung des Testformats ist daher in Erwägung zu ziehen, dass auch Definitionen oder Illustrationen (ausnahmsweise) als zusätzliche Antwortmöglichkeit zugelassen werden.


2.3  Auswertung und Benotung

Pro gelöstem Item wird ein Punkt vergeben. Auf jeder Niveaustufe sind 36 Items zu lösen, d.h. insgesamt 108. Alle Testitems werden gleich gewichtet, d.h. es wird ein Punkt für die korrekte Beantwortung eines Items vergeben; der maximal zu erreichende Wert beträgt also 108 Punkte.

Das der Bewertung zu Grunde liegende Kriterium ist ausschließlich die Adäquatheit der Übersetzung des Wortes unter Berücksichtigung des jeweiligen Kontextes; orthographische Mängel sollten nicht ausschlaggebend sein. Es handelt sich bei der Testaufgabe schließlich nicht um ein Diktat oder einen Aufsatz, das bzw. der ganzheitliche Sprachkompetenz misst, sondern es soll untersucht werden, ob der Testperson die Bedeutungen der lexikalischen Einheiten bekannt sind.


2.3.1 Korrelation: Gewusste Items – Kompetenz

Bei der primär interessierenden Frage nach der Korrelation zwischen der Beherrschung der Testitems und den einzelnen Wortschatzniveaus (Grund-, Aufbau- und Ausbauwortschatz) handelt es sich um ein nicht-triviales statistisches Problem. Nation (1990: 76) schlägt zur Berechnung des Wortschatzumfangs, basierend auf Wörterbüchern bzw. -listen, folgende Formel vor:

WU            =          (NR x NL) / NI

WU =          Wortschatzumfang
NR  =          Anzahl der richtigen Antworten
NL  =          Anzahl der Wörter der Liste/des Wörterbuchs
NI   =          Anzahl der Testitems
                                               
Beispiel:                  108 Testitems; 80 richtige Antworten; 8550 Wörter (Wortlisten 1, 2 und 3)
Rechnung:               (33 x 2150 + 30 x 3200 + 17 x 3200) / 36 = 6148,61

Diese Formel beruht jedoch auf der irrigen Annahme, dass alle getesteten Wörter die gleiche Auftretenswahrscheinlichkeit haben. Bei einer zufälligen Auswahl besteht jedoch die Gefahr, dass beispielsweise bevorzugt Items des niedrigfrequentesten Bereichs zur Auswahl kommen. Eine solche Auswahl ist genauso wahrscheinlich wie jede andere – ebenso wie beim Lotto zum Beispiel die Zahlenfolge 1, 2, 3, 4, 5, 6 mit gleicher Wahrscheinlichkeit wie jede andere auftreten kann. Da jedoch die Frequenz als signifikanter Prädiktor der Performanz der Testpersonen gelten kann (Perkins & Linnville 1987), würde eine rein willkürliche Auswahl zu wenig validen Ergebnissen führen – daher wurden Wörter zu gleichen Anteilen aus verschiedenen Frequenzbereichen ausgewählt, also je 36 Items pro Wortschatzniveau, wodurch die oben vorgestellte Formel eine höhere Aussagekraft erhält.

Bereits in einigen, im Jahre 2007 durchgeführten Tests (Siepmann & Holterhof 2007) erwies sich die Grundannahme als richtig, dass die frequenteren Wörter der Sprache Lernern eher bekannt sind als die weniger frequenten. Die Zahl der richtigen Antworten nahm mit höherer Niveaustufe (d.h. mit sinkender Wortfrequenz) beständig ab. Daraus ließ sich umgekehrt schließen, dass die Wortschatzauswahl auf den drei Hausmannschen Frequenzniveaus im Großen und Ganzen fehlerfrei zu sein scheint (vgl. zu möglichen Ausnahmen aufgrund des Gebrauchs veralteter Frequenzlisten Siepmann & Holterhof 2007).


2.3.2 Ergebnisse der Studierenden und Lehrer im Vergleich

Bei den Studierenden wurden die Tests jeweils am Ende des zweiten Mastersemesters durchgeführt (2009: 14 Studierende, 2010: 11 und 2011: 21 (davon drei Muttersprachler)).[5] Die Lehrertests fanden im Jahre 2009 statt. Bei den Teilnehmern wurden keine weiteren Daten (Alter, Geschlecht, Lernerfahrungen) erhoben; dies soll jedoch in der Hauptuntersuchung nachgeholt werden. Die Ergebnisse sind in folgender Tabelle zusammengefasst:


                                    Probanden Ergebnisse







Ergebnisse
 Studierende (2009-2011)
Lehrer (2009)
Durchschnittlich gelöste Items von insgesamt 108
28

59
Durchschnittliche Anzahl der rezeptiv beherrschten opaken Wörter
1901
4489
Bestes Ergebnis Items (Wörter)
48 (3363)
79 (6001)
Schlechtestes Ergebnis Items (Wörter)
18 (1133)
34 (2264)

Tab.1: Testergebnisse – Rezeptive Wortschatzkompetenz

Ein Vergleich der durchschnittlich gelösten Items zeigt, dass die Lehrer mehr als doppelt so viele Items lösen konnten wie die Studierenden. Damit ergibt sich, dass der durchschnittliche Studierende am Ende des zweiten Mastersemesters ca. 1900 von 10.000 opaken Wörtern kennt, während der durchschnittliche Lehrer ca. 4490 opake Wörter rezeptiv beherrscht. Die Lehrer verfügen also über einen mehr als doppelt so großen Wortschatz wie die Studierenden. Ein Vergleich der bei den Studierenden erhobenen Daten aus den Jahren 2009-2011 zeigt, dass die Ergebnisse eine hohe Stabilität aufweisen: 2009: 28, 2010: 28 und 2011: 29 gelöste Items.

Bei beiden Gruppen zeigt sich eine breite Leistungsstreuung: Der leistungsschwächste Studierende kennt nur 18 von 108 Items (= 1133 opake Wörter), der kompetenteste 48 (= 3363 opake Wörter). Bei den Lehrern konnte der leistungsschwächste 34 Items (= 2264) und der kompetenteste 79 Items (= 6001) lösen. Damit kennt der leistungsschwächste Lehrer immer noch fast doppelt so viele Wörter wie der leistungsschwächste Studierende.

Vor allem die Werte der Studierenden sind in zweierlei Hinsicht alarmierend: Zum Einen ist erst ein geringer Teil des bis Ende des Masterstudiums zu lernenden Wortschatzes von insgesamt 10.000 opaken Wörtern rezeptiv verfügbar. Zum Anderen zeigt ein Vergleich der Studierenden mit von uns im Jahr 2009 getesteten gymnasialen Französischlernern am Ende von Jahrgangsstufe 10 (Bürgel & Siepmann 2010), dass die fünf besten von 123 getesteten Schülern über einen etwas größeren Grundwortschatz verfügen (ca. 1400 opake Wörter) als die drei leistungsschwächsten Französischstudierenden (ca. 1200 opake Wörter). Zudem ist die zu beobachtende Leistungsstreuung bei den Studierenden insofern interessant, als sie zeigt, dass ein abgeschlossenes Bachelorstudium, bei dem die Studierenden standardisierte Sprachpraxiskurse absolvieren, völlig unterschiedliche Resultate zeitigt.

Der Vergleich der drei Wortschatzniveaus ist in Tabelle 2 dargestellt:

Probanden



Durch-
schnittlich gelöste
Items von je 36
Studierende
(2009-2011)
Lehrer
(2009)

Grundwortschatz (Abitur)


22 (61,1 %)

32 (88,8 %)

Aufbauwortschatz (Bachelor)


6 (16,6 %)

21 (58,3 %)

Ausbauwortschatz (Master)


1 (2,7 %)

8 (22,2 %)

Tab. 2: Vergleich der Ergebnisse auf den drei Wortschatzniveaus

Wie aus der Tabelle ersichtlich, erweist sich die Grundannahme als richtig, dass die frequenteren Wörter der Sprache Nicht-Muttersprachlern eher bekannt sind als die weniger frequenten; die Zahl der richtigen Antworten nimmt mit sinkender Wortfrequenz beständig ab. Dabei sind jedoch erhebliche Leistungsunterschiede bei den Probandengruppen zu beobachten: Die Studierenden kennen im Schnitt nur 61,1 % des Abiturwortschatzes, die Lehrer 88,8 %. Mit einer Ausnahme beherrscht keiner der Lehrer den gesamten Grundwortschatz. Eine genauere Durchsicht der Studierenden- und Lehrerantworten hat gezeigt, dass mehr als drei Viertel der Studierenden die Wörter le coude, verser, renoncer und dépouiller nicht kennen. Einem kleineren Teil der Lehrer bereiteten die Wörter scrutin, coude und dépouiller Probleme. Erschreckend ist, dass sechs Studierende bereits auf dem Abiturwortschatzniveau mangelhafte Leistungen zeigen; sie beherrschen weniger als die Hälfte des Wortschatzes, der theoretisch mit dem Abitur erworben sein sollte. Ernüchternd sind ebenso die Ergebnisse beim Aufbauwortschatz: Hier kennen die Studierenden im Schnitt nur 16,6 % der Wörter; die Lehrer dagegen 58,3 %. Mit einer Ausnahme befinden sich sämtliche Studierende hier bereits im ungenügenden Bereich; bei den Lehrern sind es zwei von 13. Kein einziger Studierender konnte auch nur die Hälfte lösen, während die Lehrerschaft (mit einer Ausnahme) mindestens die Hälfte der Items auf diesem Wortschatzniveau kennt. Beim Ausbauwortschatz beherrscht keiner der Studierenden und Lehrer das Niveau wenigstens zur Hälfte. 28 Studierende kennen sogar kein einziges Wort des Ausbauwortschatzes. Interessant ist, dass der beobachtete Leistungsunterschied zwischen Studierenden und Lehrern ebenfalls bei den Muttersprachlern gegeben ist. Auf allen drei Wortschatzniveaus beherrschen die muttersprachlichen Lehrer mehr Items als die muttersprachlichen Studierenden (Grundwortschatz: 17 vs. 33, Aufbauwortschatz: 4 vs. 26, Ausbauwortschatz: 2 vs. 19).[6]


2.4  Zusammenfassung

Aus der Zusammenschau der Daten lässt sich folgern, dass die rezeptiven (!) Wortschatzkenntnisse von Französischstudierenden und gymnasialen Französischlehrern zu gering sind, um französische Zeitungs- und Romantexte ohne umfangreiche Konsultation von Wörterbüchern zu erschließen. Zu bedenken ist weiterhin, dass die Auswahl der Lehrerprobanden möglicherweise ein zu positives Bild der Gesamtsituation in Deutschland zeichnet, da die Hälfte der ausgewählten Lehrer an einem bilingualen Gymnasium mit Französisch tätig ist; es steht zu vermuten, dass sich das Gesamtbild bei Einbeziehung einer größeren Zahl von Gymnasien und Realschulen eher verschlechtern würde. Auffallend ist jedoch das im Vergleich zu den praktizierenden Lehrern wesentlich schlechtere Abschneiden der Studierenden. Dies könnte ein Indiz für den weiteren Ausbau der Fremdsprachenkompetenz während der Dienstzeit sein; möglich wäre allerdings auch, dass die ältere Generation über bessere Wortschatzkenntnisse verfügt. Diese und weitere Hypothesen wären in der Hauptuntersuchung zu prüfen.

Für die Hochschullehre ist daher zu empfehlen, zu Beginn des Französischstudiums zunächst eine Konsolidierung des Grundwortschatzes vorzunehmen, da selbst dieser nicht vollständig von praktizierenden Französischlehrern und in noch geringerem Maße von Französischstudierenden beherrscht wird. Im Bachelorstudium sollte sich eine gezielte Einführung in den Aufbauwortschatz des Niveaus 2 anschließen. Im Masterstudium kann dann der Aufbauwortschatz des Niveaus 3 in Angriff genommen werden.


3   Test der Hörverstehenskompetenz

Über welche Hörverstehenskompetenz sollen Französischstudierende und -lehrer verfügen? Für die Master-Studierenden lassen sich die Zulassungsordnungen zum Lehramts-Master und für die Lehrer die Masterprüfungsordnungen verschiedener deutscher Universitäten zu Grunde legen. Während Zulassungsvoraussetzung zum Master in den meisten Fällen das C1-Niveau ist, sehen die Masterprüfungsordnungen vor, dass Französischstudierende nach Studienabschluss eine Vertiefung desselbigen oder sogar das C2-Niveau des GER erreichen sollen. Der GER unterscheidet beim Hörverstehen von Radiosendungen und Tonaufnahmen zwar nicht zwischen C1- und C2-Niveau, legt aber auf dem Niveau der kompetenten Sprachverwendung die folgenden Fertigkeiten fest:

Kann ein breites Spektrum an Tonaufnahmen und Radiosendungen verstehen, auch wenn nicht unbedingt Standardsprache gesprochen wird; kann dabei feinere Details, implizit vermittelte Einstellungen oder Beziehungen zwischen Sprechenden erkennen. (Europarat 2001: 73).

Welche Konsequenzen ergeben sich aus diesen Kompetenzbeschreibungen für die Entwicklung eines Hörverstehenstests? Mit der Forschung (ALTE 2005, Modul 2: 8; Bachman & Palmer 1996: 44ff; Brown & Hudson 2002: 30ff; Buck 2001: 94ff) unterscheiden wir drei zu berücksichtigende Dimensionen: Textquellen, Testfokus und Testformat.


3.1  Textquellen

In der oben zitierten Kompetenzbeschreibung wird dem Verstehen von authentischen Hördokumenten, d.h. solchen, die aus 'echten' Kommunikationszusammenhängen stammen und nicht aus didaktischen Gründen manipuliert wurden, große Bedeutung beigemessen. Damit orientieren sich die Kompetenzvorgaben an natürlich-sprachlichen und realitätsnahen Hörverstehenssituationen – und das zu Recht: Durch die kompetente Bewältigung solcher Situationen verschafft sich der Fremdsprachenlerner einen Zugang zur Zielsprachenkultur und kann sich so die zielsprachige Welt selbstständig erschließen.

Will man also testen, ob Studierende und Lehrer über eine Hörverstehenskompetenz verfügen, die es ihnen ermöglicht, authentische Hörsituationen zu bewältigen, wird man Tests an authentischen Hörsituationen ausrichten müssen bzw. versuchen,

[...] durch Textauswahl und angemessene Aufgabenstellung möglichst viele Elemente einer authentischen Verstehenssituation einzubringen. (Solmecke 2000: 5).

Da auf C1/C2-Niveau das Verstehen von Radiosendungen explizit gefordert wird, ergibt sich zwangsläufig, dass wir für die Lehrertests Ausschnitte aus Radiosendungen zu Grunde legen. Deshalb stellen Ausschnitte aus Radiosendungen von Radio France Internationale und France Info die Hörtextgrundlage der Tests dar. Die Tatsache, dass wir bei unserem Hörverstehenstest nicht auf Tests wie DELF/DALF oder DIALANG zurückgegriffen haben, erklärt sich dadurch, dass in diesem didaktisierte Hördokumente verwendet werden. Da aber die Kompetenzbeschreibungen explizit das Verstehen von authentischen Hördokumenten vorgeben, haben wir einen eigenen Hörverstehenstest mit authentischen Hörtexten entworfen.

In der Forschung zu Hörverstehenstests besteht weitgehend Konsens darüber, dass folgende Parameter bei der Auswahl von authentischen Hördokumenten berücksichtigt werden müssen: Text- bzw. Diskurstypen, Dokumentlänge, Interaktion der Sprecher, Themen / Inhalte, Sprachstruktur der Texte (Komplexität des Satzbaus, Wortschatz) und Sprechgeschwindigkeit (Bachman & Palmer 1996: 52f; Buck 2001: 85ff, 168ff; ALTE 2005, Modul 3: 4ff).

Im Rahmen der Hörtextauswahl sollte eine angemessene Anzahl verschiedener Text- bzw. Diskurstypen herangezogen werden, um die potentielle Breite zielsprachiger Manifeste widerzuspiegeln. Deshalb haben wir Diskurstypen wie Interviews, Nachrichten, Meldungen sowie Unterhaltungs- und Wissenschaftssendungen verwendet. Kennzeichnend für die ausgewählten Hörszenarien ist, dass sie monologischer und dialogischer Natur sind, verschiedene Diskursformen abdecken (erzählend, beschreibend, erklärend) und unterschiedliche Sprechertypen (Geschlecht, Alter, Rollen) aufweisen. Da man in authentischen Situationen nicht nur kurze, sondern auch längere Texte bzw. Radiosendungen hört, müssen verschiedene Text- bzw. Hörlängen berücksichtigt werden. Deshalb umfassen die Lehrertests neun Kurztexte zwischen 30 und 60 Sekunden, einen mittellangen Text von ca. 2½ Minuten und zwei Langtexte von 5 Minuten (Les grosses têtes) und 13 Minuten (Wissenschaftssendung) – somit eine Gesamtlänge von ca. 24 Minuten.

Den Tests liegen neben Kurznachrichten bzw. faits divers (zum Beispiel zu den Themen Klimaerwärmung, Gewalt an quebecischen Schulen, Concours Lépine, Ankündigung eines Konzerts) eine Unterhaltungssendung (Les grosses têtes [RTL]) und eine Wissenschaftssendung (Tous addicts: les nouvelles dépendances du XXIe siècle aus der Sendereihe "Connaissances" [Europe 1]) zu Grunde.

Schließlich muss der sprachliche Schwierigkeitsgrad der Hördokumente den Kompetenzniveaus entsprechen. Dass es sich bei dieser Zuordnung um ein äußerst delikates Problem handelt, ist von verschiedenen Seiten betont worden (ALTE 2005, Modul 3: 4; Meißner 2006: 275). Für das C1/C2-Niveau wurden Dokumente mit normalem Sprechtempo, normaler bis erhöhter Satzkomplexität und nicht nur mit alltagsbezogenem, sondern auch fach- und themenspezifischem Wortschatz herangezogen. Doch das C1/C2-Niveau sieht außerdem vor, dass nicht-standardsprachliche Äußerungen verstanden werden müssen. In diesem Zusammenhang hat Meißner (2006: 261) zu Recht darauf hingewiesen, dass für die Ausbildung des Hörverstehens in einer angemessenen Bandbreite der hinreichende Kontakt mit Varietäten entscheidend ist:

Wer nur einen eng gefassten lautlichen Standard dekodieren kann, ist nicht in der Lage, dem sozialen Anspruch zu genügen, den die ganz unterschiedlichen Redeweisen innerhalb einer Sprachgemeinschaft an ihn stellen. (Meißner 2006: 261)

Diesem Aspekt wurde bei den Lehrertests durch Hördokumente mit afrikanischem und einem leichten quebecischen Akzent Rechnung getragen.


3.2 Testfokus

Das C1/C2-Niveau des GER sieht vor, dass Hörer feinere Details und implizit vermittelte Einstellungen oder Beziehungen zwischen Sprechenden erkennen sollen, d.h. es ist vor allem auch das schlussfolgernde bzw. inferentielle Verstehen zu testen. Ein Blick in die Testliteratur zeigt, dass dieser Verstehensoperation zwar große Bedeutung beigemessen wird, ohne dass jedoch der Inferenzbegriff systematisch in den Blick kommt (Buck 2001; Grotjahn 2005; Solmecke 2000). In der neueren Forschung zur Textlinguistik und Argumentationstheorie ist von verschiedenen Seiten (McElholm 2002: 211ff; Eggs 2000, 2009; Bürgel 2006: 53ff, 2008a, 2008b) gezeigt worden, dass beim Textverstehen das ganze Ensemble von mehr oder weniger unbewusst und automatisch vollzogenen deduktiven, abduktiven, induktiven und analogischen Inferenzen relevant wird. Da anzunehmen ist, dass diese Inferenzen auch dem Verstehen von Hörtexten zu Grunde liegen, müssen Items zu eben diesen Verstehensoperationen gestellt werden. Ein Beispiel für eine abduktive Hörverstehensinferenz ist das folgende Item zum Kommentar einer Journalistin zum Kyoto-Protokoll:

Comment peut-on qualifier le propos de la journaliste sur le protocole de Kyoto?
  A. Il est alarmant.
  B. Il est rassurant.
  C. Il est critique.
  D. Il est provocant.

Der Hörer muss die Wortwahl und paralinguistischen Mittel (z.B. Prosodie, Intonation) der Sprecherin interpretieren und einer im Item vorgeschlagenen Haltung zuordnen. Logisch gesehen, setzt das Verstehen dieser implizit vermittelten Haltung eine abduktive Inferenz (Peirce 1965, II: 374; Eggs 1994: 47ff; Bürgel 2006: 37ff) voraus, da hier von Indizien auf eine bestimmte Disposition geschlossen wird.

Doch dass beim Verstehen eines Hördokuments auch immer Weltwissen und kulturspezifisches Wissen relevant wird, zeigt folgende Sequenz aus der Komiksendung Les grosses têtes, in der der Gast gefragt wird, wo er seine Lebensgefährtin Clarisse kennen gelernt hat:

Où est-ce que vous avez rencontré Clarisse?
Oh, bah, à une soirée tout à fait correcte, tout à fait chic, c'était au collège Gabriel, elle s'appelle Laval, son nom de famille n'est pas parfait, je l'avais rencontrée à Vichy.

Diesen Wortwitz wird man nur dann verstehen können, wenn man über das kulturspezifische Wissen verfügt, dass Pierre Laval einer der politischen Hauptakteure des Vichy-Regimes war – ein Umstand, der allen Muttersprachlern durch den Geschichtsunterricht und vielen Nicht-Muttersprachlern durch die Behandlung des Themas im Französisch-Oberstufenunterricht und der universitären Landeskunde wohlbekannt ist. Um den kulturspezifischen Wissensbereich beim Hörverstehen zu berücksichtigen, haben wir folgendes Item entworfen:

Sur quels mots repose le jeu de mots de la fin ?
 A. Vichy-Laval
 B. Marne la Vallée-Vichy
 C. Levallois-Laval
 D. Vichy-L’Oréal


3.3 Testformat

In der Literatur zu Hörverstehenstests werden beispielsweise die folgenden Überprüfungstätigkeiten vorgeschlagen: Antworten auf Fragen zum Hörtext (auch in der Muttersprache), Lückentext, Inhaltsangaben, Richtig-Falsch-Antworten, Zuordnung zu Bildern oder Multiple-Choice (Buck 2001: 61ff; Cheng 2004: 544ff; Segermann 2003: 297; Weir 2005: 132ff). Der Nachteil der drei erstgenannten Verfahren besteht darin, dass über das zu testende Hörverstehen hinaus weitere Variablen intervenieren, die aber nicht im Testfokus stehen: orthografisches, lexikalisches und grammatisches Wissen. Richtig-Falsch-Antworten, bei denen nur zwischen zwei Antworten zu wählen ist, weisen eine zu hohe Ratequote auf. Bei Bildern besteht die Gefahr darin, dass sie einen Sachverhalt (Handlung oder Zustand) nicht exakt repräsentieren und er deshalb nicht klar identifiziert werden kann. Demgegenüber bietet das üblicherweise in Hörverstehenstests verwendete Multiple-Choice-Verfahren trotz der möglichen Rateanfälligkeit, die jedoch durch vier Auswahlantworten erheblich gemindert werden kann, den Vorteil der Objektivität und Praktikabilität bei der Auswertung[7]. Doch das wesentliche Argument für dieses Verfahren liegt – vielleicht mag es überraschen – in seiner 'Realitätsnähe'. Nehmen wir eine Gesprächssituation zwischen einem Muttersprachler und einem Fremdsprachenlerner. Wenn Letztgenannter die Äußerungen seines Gesprächspartners nicht verstanden hat, so ist anzunehmen, dass der Muttersprachler sie auf Nachfrage mithilfe bestimmter Kommunikationsstrategien wiederholen wird: Vereinfachung oder Reduktion der Satzstruktur, Paraphrasen, Wiederholung von Kerninformationen oder Formen der Verallgemeinerung und Verdichtung von Inhalten (Bürgel 2006). Es sind genau diese Kommunikationsstrategien, die nicht nur in authentischen Gesprächssituationen, sondern auch in Multiple-Choice-Tests verwendet werden: Die Gestaltung der Auswahlantworten folgt genau diesen Prinzipien der wiederholenden und verdichtenden Kommunikation.

Die besondere Herausforderung für Testautoren besteht darin, bei der Erstellung der Items eine Reihe von Gütekriterien zu berücksichtigen: Sie sollen eine relevante Information testen, nicht voneinander abhängig und nicht allein mit Weltwissen lösbar sein, erwartbare Verstehenshypothesen darstellen sowie ein kohärentes Ganzes bilden. Der letztgenannte Aspekt bedeutet, dass die Auswahlantworten gleich plausibel, aber klar und eindeutig unterscheidbar sein und eine ähnliche Länge bzw. Komplexität aufweisen müssen (ALTE 2005, Modul 3: 12). Das folgende Item zu einer Sequenz aus dem Hördokument  "Tous addicts: les nouvelles dépendances du XXIe siècle" mag den Versuch illustrieren, diese Gütekriterien zu berücksichtigen.

Quel était le rapport de Marylin aux enfants ?
 A. Elle détestait qu’il y ait des enfants sur le plateau de tournage.
 B. Elle aimait par-dessus tout les petites filles.
 C. Elle ne pouvait se passer du contact avec eux.
 D. Les enfants hyperactifs lui plaisaient particulièrement.

Dieses Item will das Verstehen der Hauptinformation – die thematisierte Beziehung Marylin Monroes zu Kindern – testen. Mit Alltagswissen wird man dieses Item nicht eindeutig lösen können, sind doch alle Antworten plausibel. Vielleicht würde man zu A tendieren, doch genauso gut ist B möglich - oder doch eher C und warum nicht D? Darüber hinaus beziehen sich alle vier Antworten auf unterschiedliche Aspekte und weisen eine ähnliche Satzlänge und -komplexität auf.

Der Multiple-Choice-Test umfasste 33 Testitems. Für die Kurzdokumente wurden ein bis zwei Fragen, für die mittellangen Dokumente vier bis fünf Fragen und für die Langdokumente sechs bis acht Fragen gestellt. Auf jede Frage folgten vier Auswahlantworten, wobei die jeweils Richtige anzukreuzen war.

Damit die Probanden nicht individuelle Hörziele verfolgen, sondern ihr Hörinteresse auf einen bestimmten Aspekt fokussieren, sollten sie vor jeder Präsentation eines Hördokuments die entsprechenden Items lesen. Doch wie oft sollte man den Hörverstehenstext präsentieren? Diese Frage wird in der Testpraxis und -literatur unterschiedlich beantwortet. Roux (1997: 101) plädiert im Sinne des Kriteriums der Authentizität dafür, die Texte nur einmal zu präsentieren:

Combien de fois faire écouter le document? Il est clair que si l’on cherche à placer l’apprenant dans une situation la plus proche possible de l’authentique, on devrait se limiter à une seule écoute.

Dagegen spricht sich Bolton (1996: 47) für ein zweimaliges Hören aus, um der Inauthentizität der Hörsituation in Tests entgegenzuwirken. Dieser Dissens spiegelt sich auch in der Testpraxis wider: Während die Hördokumente beim DIALANG-Sprachtest nur einmal vorgespielt werden, ist bei den Tests des IQB (Tesch, Leupold & Köller 2008) eine zweimalige Präsentation vorgesehen. Für die letztgenannte Variante spricht, dass die Hörtestsituation aufgrund von Faktoren wie Stress oder vorgegebener Hörziele (die sich die Probanden erst zu eigen machen müssen) schwieriger ist als das Hörverstehen in authentischen Situationen. Da ein doppeltes Hören diesen erschwerenden Faktoren entgegenwirken kann, haben wir uns dafür entschieden, die Dokumente jeweils zweimal - mit einer Pause von ca. 5 Sekunden - vorzuspielen.


3.4  Auswertung: Ergebnisse der Studierenden und Lehrer im Vergleich

Zur Auswertung der Hörverstehenstests wurde ein Punktesystem angewendet, um eine exakte und differenzierte Bewertung zu sichern. Jede richtige Antwort wurde mit einem Punkt versehen, wobei alle Testitems gleich gewichtet wurden. Üblicherweise werden 80% richtig gelöster Aufgaben als Indikator für die Beherrschung einer bestimmten Niveaustufe angesehen (Burwitz-Melzer & Quetz 2006: 364).

Die Ergebnisse des Hörverstehenstests sind in Tabelle 3 dargestellt, wobei die Muttersprachler hier nicht berücksichtigt werden:

                        Probanden
Ergebnisse
Studierende (2009-2011)
Lehrer (2009)
Durchschnittlich gelöste Items von insgesamt 33 Items
22 (66,8 %)
26 (79,7 %)
Bestes Ergebnis
27 (81,8 %)
32 (97,0 %)
Schlechtestes Ergebnis
11 (33,3 %)
21 (63,6 %)

Tab. 3: Ergebnisse des Hörverstehenstests

Ein Vergleich der Ergebnisse zeigt, dass die Lehrer im Durchschnitt über eine bessere Hörverstehenskompetenz verfügen als die Studierenden. Während bei den Studierenden nur zwei von 43 (ohne Muttersprachler), d.h. 4,6 % den Schwellenwert von 80 % für das C1/C2-Niveau erreichen, sind es bei den Lehrern immerhin acht von 13 (60 %). Auch bei den Extremwerten schneiden die Lehrer besser ab. Der kompetenteste Lehrer konnte fast alle Items lösen; der kompetenteste Student erreichte nur knapp den Schwellenwert von 80 %. Der leistungsschwächste Lehrer liegt immerhin noch im ausreichenden Bereich, während sich sechs Studierende im mangelhaften Bereich bewegen. Bei den Muttersprachlern fällt auf, dass keiner von ihnen alle Items richtig gelöst hat[8].

Aus den Ergebnissen lässt sich folgern, dass die Hörverstehenskompetenz fast aller von uns getesteten Französischstudierenden und einem Großteil der Französischlehrer zu gering ausgeprägt ist, als dass sie ein breites Spektrum an französischsprachigen Tonaufnahmen und Radiosendungen im Detail verstehen könnten.

Neben dem Stand der Kompetenzen konnte ebenso eine Korrelation zwischen der Grundwortschatz- und Hörverstehenskompetenz ermittelt werden, die in Abbildung 1 exemplarisch am Beispiel der Studierenden dargestellt ist:

Trotz einiger Abweichungen zeigt sich, dass die Fähigkeit, die Fremdsprache differenziert zu verstehen, primär davon abhängt, wie viele lexiko-grammatische Einheiten dem Lerner zur Verfügung stehen. Damit bestätigt die ermittelte Korrelation die seit Ende der 1970er Jahre vorliegenden, zahlreichen empirische Befunde, die eine direkte Relation von Wortschatzkompetenz und anderen sprachlichen Kompetenzen (Pike 1979, Steltmann 1979, Meara & Jones 1990: 1) nachweisen. Der im deutschen Diskurs offenbar in Vergessenheit geratene Zusammenhang zwischen Wortschatzkompetenz und Hörverstehen ist auch in einer rezenten Studie noch einmal empirisch belegt worden (Stæhr 2009).


3.5  Zusammenfassung

Aus diesen Ergebnissen ergeben sich die folgenden Konsequenzen.

Der in der Literatur zum Fremdsprachenlernen vorherrschende Konsens, dass sich die Hörverstehenskompetenz nicht automatisch beim Sprachenlernen einstellt, lässt sich empirisch bestätigen. Will man das Hörverstehen von Französischstudierenden nachhaltig ausbilden, so bedarf es in universitären Veranstaltungen zur Sprachpraxis einer systematischen Schulung von Hörverstehensstrategien (Bächle 2007: 14ff; Bahns 2006; Berne 2004; Rampillon 2003) auf der Grundlage von authentischen Hördokumenten. Zwar steht – wie Bausch, Christ & Krumm (2003: 480) feststellen –

eine systematische Erforschung und curriculare Entwicklung von Sprachprogrammen für angehende Fremdsprachenlehrer (...) noch aus (Bausch, Christ & Krumm 2003: 480),

doch legen die Ergebnisse unserer Studie nahe, dass in das Hochschulcurriculum ent­sprechende Sprachtests integriert werden müssten, welche die einzelnen kommunikativen Fertigkeiten auf den vorgesehenen Niveaustufen valide testen. Aber eine Beschränkung auf diese Fertigkeiten würde sicherlich zu kurz greifen, da die Hörverstehenskompetenz in enger Abhängigkeit zur Wortschatzkompetenz steht. Aus unserer Studie geht indes deutlich hervor, dass die Wortschatzkenntnisse von Französischstudierenden und -lehrern in erheblichem Maße defizitär sind. Deshalb sollte ein verpflichtender Mindestwortschatz im Hochschulcurriculum beziffert, beschrieben und verankert sowie im Rahmen von Bachelor- und Masterprüfungen valide getestet werden. Die Verankerung und Konkretisierung von sprachlichen Mitteln und zu erreichenden kommunikativen Fertigkeiten in universitären Studien- und Prüfungsordnungen erscheint vor allem vor dem Hintergrund der geringen Kenntnisse und Fertigkeiten von Französischstudierenden (Pütz 2008: 371f) sinnvoll und notwendig, geht es doch darum, dass eine "breite und praktische Kenntnis der Zielsprache" eine wesentliche "Grundlage für die Professionalität der Lehrenden" ist (Meißner, Königs, Leupold, Reinfried & Senger 2001: 217, vgl. ähnlich auch Schröder 2002: 15; Christ 2002: 51). Defizitäre Kenntnisse der Studierenden führen dazu, dass sie als Lehrer sprachlich wenig flexibel sind und dadurch den Anforderungen an den heutigen Französischunterricht nicht gerecht werden. Das führt wiederum zu einer defizitären Ausbildung der Französischlerner oder gar zum Qualitäts- und Ansehensverlust des Faches (auch Wernsing 2009).


4   Ausblick

An die hier vorgestellte Studie soll sich eine Hauptstudie zu Sprachkompetenzen von Französischlernern, -studierenden und -lehrern anschließen. Ziel ist es, anhand einer großen Stichprobe der genannten Personengruppe repräsentative Leistungsdaten zu erfassen, um auf dieser Grundlage zuverlässige Aussagen über deren Sprachkompetenzen im Französischen machen zu können. Zu diesem Zweck sollen nicht allein unabhängig konzipierte normative Tests verwendet werden – die trotz aller testtheoretischen Begründbarkeit letztlich methodische Artefakte darstellen –, sondern – und hier liegt u.a. das Innovationspotential der Studie – ebenfalls Produktionsdaten, die einem authentischen Kommunikationskontext entstammen. Die Tests beziehen sich auf curriculare Schwerpunkte der schulischen und universitären Fremdsprachenvermittlung: die rezeptive und produktive Wortschatzkompetenz, die Hör- und Leseverstehenskompetenz sowie die Sprechkompetenz.

Insgesamt sind die Ziele der Studie auf drei verschiedenen Ebenen anzusiedeln: auf der empirischen, der bildungspolitischen und der disziplinpolitischen. Auf der empirischen Ebene soll folgenden Forschungsfragen nachgegangen werden:
(1) Über welches Kompetenzniveau verfügen Französischlerner, -lehrer, und -studierende in den untersuchten Teilfertigkeiten?
(2) Wie gestaltet sich der Zusammenhang zwischen sprachlichen Teilfertigkeiten?
(3) Wie entwickeln sich die Sprachkompetenzen von Französischlehrern im Laufe der Dienstzeit?

Auf bildungspolitischer Ebene zielt die Studie auf eine Überprüfung des Realitätsgehalts der Bildungsstandards sowie der schulischen und universitären Curricula ab und gibt ggf. Impulse für deren Weiterentwicklung. Zudem soll eine Grundlage für die Entwicklung von fremdsprachlichen Kompetenzmodellen bereitgestellt werden, die Teilkompetenzen und Niveaus deutlicher und empirisch gesicherter beschreiben und abbilden, als dies bisher der Fall war.

Auf disziplinpolitischer Ebene wird in der Studie angestrebt, Stärken und Schwächen des Lernens und Lehrens des Französischen auf schulischer und universitärer Ebene aufzudecken, zu einer Diskussion der Probleme des Französischunterrichts und ggf. zur Revision von Unterrichtsmaterialien und der Unterrichtsgestaltung anzuregen.

Die geplante Studie ist somit in mehrfacher Hinsicht innovativ:
1) Sie setzt traditionelle Testverfahren in Bezug zu authentisch erhobenen Sprachdaten.
2) Sie verspricht detaillierte Ergebnisse und Rückmeldungen über die tatsächlichen Sprachkompetenzen von Französischlernern, -lehrern und -studierenden jenseits aller ideologischen Verlautbarungen und möglichen Fehlinterpretationen des GER.
3) Sie gibt Aufschluss über die Korrelation von sprachlichen Teilkompetenzen, insbesondere der zur Zeit vernachlässigten Wortschatzkompetenz, im Verhältnis zu den rezeptiven und produktiven Fertigkeiten des Hörens, Lesens und Sprechens.
4) Sie verspricht klare Empfehlungen für die Aufgaben- und die Curriculumentwicklung mit dem Ziel der Qualitätssteigerung im Fach Französisch an Schule und Universität: valide, breit einsetzbare Testverfahren für Schule und Universität, eine bessere sprachpraktische Ausbildung der Lehrer im Sinne der Kompetenzorientierung (z.B. Unterrichtsgespräch), eine Bezifferung des Umfangs an Wortschatzeinheiten (nicht: Wörtern) und Einordnung derselben in ein gestuftes Kompetenzmodell, das sich an das internationale Projekt Cambridge English Levels anlehnt.
5) Vor allem aber ist zu erwarten, dass die Studie zu einer grundlegenden Reflexion der strukturell problematischen Lehrerbildung anregen und die berufsvorbereitende Ausbildung verbessern wird.




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[1] Die für die Untersuchungen verwendete Grundlagenforschung wird hier der Einfachheit halber wie in Bürgel & Siepmann (2010) referiert.
[2] Wie in der Einleitung erläutert, versteht man einen Text eigentlich erst dann, wenn einem sämtliche lexiko-grammatischen Konstruktionen des Textes bekannt sind. Die eigentliche Grundlage für die Verstehensforschung sollte also die Einheit Konstruktion sein. Bisher geht man jedoch der Einfachheit halber von Wörtern aus.
[3] Unter einer Wortfamilie versteht man eine Reihe von Wörtern, die sich um denselben Wortstamm gruppieren und ein gemeinsames lexikalisches Morphem enthalten, z.B. paraître, apparaître, apparition, parution und apparence.
[4]  Beispiel aus privatem Literaturkorpus.
[5] Die Muttersprachler werden aus naheliegenden Gründen in der Auswertung nicht berücksichtigt.
[6] Das nicht perfekte Abschneiden der Muttersprachler ist auf die Verwendung des Übersetzungsverfahrens zurückzuführen. Nach eigenen mündlichen Angaben nach Durchführung des Tests waren einer muttersprachlichen Lehrerin alle 108 Items bekannt, der anderen ein Item des Niveau 3 unbekannt.
[7] Um mit dem Aufgabenformat der Vierfach-Wahl nicht das Gedächtnis der Probanden zu überfordern, haben wir die Auswahlantworten so kurz wie möglich gehalten.
[8]  Das von den Muttersprachlern erzielte Ergebnis wirft die Frage auf, ob das Hörverstehen auf höchstem Sprachniveau so stark von kognitiven Faktoren abhängig ist, dass auch diese Gruppe unter Umständen Fehlleistungen produziert. Eine umfangreichere Vergleichsstudie wäre nötig, um in diesem Bereich genauere Aussagen machen zu können.